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Arbeitsrecht: Darf man trotz Krankschreibung in den Urlaub fahren oder Freunde treffen?

Juristisches Halbwissen kann viel Ärger, Zeit und Geld kosten. Ihr wollt eure Nerven und euer Portemonnaie lieber schonen? Dann ist unsere Kolumne „Kenne deine Rechte“ genau das Richtige für euch. Hier beantworten die beiden Anwälte Pascal Croset und Inno Merkel von der Berliner Kanzlei Croset alle zwei Wochen eine Frage rund ums Arbeitsrecht.

Diesmal kam die Frage aus der Redaktion: Wie muss ich mich bei einer Krankmeldung verhalten — darf ich Freunde treffen oder sogar in den Urlaub fahren?

Ob Magen-Darm-Beschwerden oder eine Grippe: Krank wird so ziemlich jeder mal in seinem Berufsleben. Wer sich nicht gut fühlt, sollte zu Hause bleiben und sich bei seinem Arbeitgeber krankmelden. Dabei gibt es allerdings einiges zu beachten. Den Zeitpunkt der Krankmeldung zum Beispiel, oder ob und ab wann man ein Attest braucht. Wichtig ist auch zu wissen, was man darf während man krankgeschrieben ist und was nicht. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wann muss ich mich beim Chef melden?

Wer als Arbeitnehmer krank ausfällt, hat sich unverzüglich krankzumelden. So lautet das Gesetz. Das heißt also so früh, wie möglich — am besten vor Arbeitsbeginn, gegebenenfalls sogar schon am arbeitsfreien Vortag. Tendenziell gilt außerdem: Umso später man sich nach Arbeitsbeginn meldet, umso besser sollte der Grund dafür sein. Ein Gang zum Arzt wäre außer bei den entsprechenden Beschwerden beispielsweise kein guter Grund — denn das Gesetz verlangt bei der Krankmeldung noch keine Prognose des Arzts über die "voraussichtliche" Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Es genügt vorerst die eigene Einschätzung.

Wann brauche ich ein Attest?

Laut Gesetzt muss der Arbeitnehmer ein Attest vorlegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert — und zwar am darauffolgenden Arbeitstag, also dem vierten Krankheitstag. Durch das Attest bescheinigt ein Arzt dem Arbeitnehmer, arbeitsunfähig zu sein und auch die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber kann das Attest allerdings begründungslos auch früher verlangen, zum Beispiel ab dem ersten Krankheitstag. Das kann generell im Arbeitsvertrag geregelt sein. Der Arbeitgeber kann die frühere Vorlage aber auch von Fall zu Fall verlangen. Der Arbeitnehmer muss außerdem ein neues Attest vorlegen, wenn seine Arbeitsunfähigkeit länger dauert, als im vorangegangenen Attest angegeben.

Muss ich meinem Arbeitgeber mitteilen, an was ich erkrankt bin?

Die Information über die Art der Erkrankung unterliegt der persönlichkeitsrechtlichen Selbstbestimmung des Arbeitnehmers. Im Regelfall muss er daher selbst auf Nachfrage des Arbeitgebers nicht mitteilen, an was er erkrankt ist oder war. Denn normalerweise geht dies den Arbeitgeber als Privatsache nichts an.

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In zwei Fällen ist das anders: Erstens bei ansteckenden schwerwiegenderen Erkrankungen, zum Beispiel bei einer Infektion mit dem Coronavirus — hier genügt sogar schon der Verdacht einer Erkrankung. Und zweitens, wenn am eigenen Arbeitsplatz — zum Beispiel in einem Krankenhaus — eine besondere Ansteckungsgefahr herrscht. Dann ist der Arbeitnehmer von sich aus dazu verpflichtet, mitzuteilen, woran er erkrankt ist — denn nur so kann der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen zugunsten der Kollegen oder Dritten treffen. In beiden Fällen besteht die Mitteilungsverpflichtung aber nicht, wenn keine Ansteckung im Betrieb stattgefunden haben kann, zum Beispiel, weil man im Urlaub war.

Darf ich während der Krankschreibung Freunde besuchen oder in den Urlaub fahren?

Wer krankgeschrieben ist, den trifft eine Genesungsförderungspflicht. Das heißt: Solange man arbeitsunfähig ist, hat man alles zu unterlassen, was die Genesung verzögert. Was „verboten“ ist, hängt also von der Erkrankung ab: Ist medizinisch keine Bettruhe geboten, spricht nichts gegen den Besuch von Freunden — und bei einem Burnout kann eine Reise für die Gesundheit sogar genau richtig sein. Mit einem Bandscheibenvorfall bei einem Umzug anzupacken, wäre dagegen sicher kritisch. Als Kontrollfrage kann dienen: Würde mein Arzt das fragliche Verhalten gutheißen? Wenn nein, sollte man es lassen.

Ich gehe trotz Krankschreibung auf eine Party. Der Chef findet das durch ein Foto in den sozialen Medien heraus. Reicht das für eine Abmahnung?

Das hängt von mehreren Dingen ab. Zuerst davon, ob der Partygang mit dem Grund für die Krankschreibung vereinbar ist — nämlich, ob der Arbeitnehmer dadurch die beschriebene Genesungsförderungspflicht verletzt. Das ist aber, wenn jemand eine Party besucht oder in den Urlaub fährt, nur selten der Fall. Anders könnte es zum Beispiel aussehen, wenn der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist und für einen anderen Arbeitgeber arbeitet.

In der Praxis läuft es in solchen Fällen oft aber auf etwas Anderes hinaus: Ob der Verdacht begründet ist, der Arbeitnehmer habe seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. Dieser Verdacht — der versuchten Erschleichung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall — rechtfertigt gegebenenfalls sogar eine fristlose Kündigung.

Ich bin am Freitag krankgeschrieben und gehe am Samstag auf eine Party. Wie sieht dann die Lage aus?

Eine Abmahnung oder Kündigung setzen einen Vertragsverstoß voraus. War der Arbeitnehmer allerdings an dem betreffenden Wochenende gesund, dann scheidet ein Verstoß aus. Dass jemand am Samstag auf einer Party war, obwohl er am Freitag noch krankgeschrieben war, rechtfertigt also nicht die Behauptung, jemand habe "krankgefeiert". Allerdings kann der Arbeitgeber bei einer so auffälligen Konstellation seinen Verdacht an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen weitergeben, der die Krankschreibungen näher prüft.

Wann gelten Fotos als gültiges Beweismittel?

Unter Umständen unterliegt das vom Arbeitgeber aus dem Netz gezogene Foto im Prozess einem Verwertungsverbot. Es scheidet dann als Beweismittel aus. Voraussetzung dafür wäre aber, dass sich der Arbeitgeber das Foto durch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verschafft hat. Das ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer das Foto öffentlich zugänglich gepostet hat.

Aber auch wenn ein Foto öffentlich gepostet wurde, kann der Arbeitgeber daraus unmittelbar kaum Vorteile ziehen. Denn er muss in vollem Umfang beweisen, dass der Arbeitnehmer Pflichten verletzt hat. Die Fotos beweisen für sich genommen in der Regel nichts, denn das Datum der Veröffentlichung sagt über den Zeitpunkt der Aufnahme nichts aus. Das Foto kann schon Wochen vorher gemacht worden sein.

Der Arbeitgeber könnte allenfalls eine Anhörung zu einer Verdachtskündigung einleiten. Begründen die Fotos den erheblichen Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung, und bringt der Arbeitnehmer nichts zu seiner Entlastung vor, kann der Arbeitgeber hierauf eine Verdachtskündigung stützen. Die Voraussetzungen hierfür setzt die Rechtsprechung allerdings sehr hoch an.

Kann der Arbeitgeber von mir verlangen im Home Office zu arbeiten, obwohl ich krankgeschrieben bin?

Nicht verbindlich. Denn krankgeschrieben heißt: Ein Arzt hat dem Arbeitnehmer bescheinigt, arbeitsunfähig zu sein. Für die Dauer dieser Zeit trifft den Arbeitnehmer keine Arbeitsverpflichtung. Und da es keine Teil-Arbeitsunfähigkeit gibt — es kann immer nur das Fehlen der Arbeitsfähigkeit insgesamt bescheinigt werden — würde die Anweisung, mal eben nur ein paar Kleinigkeiten im Home Office zu erledigen, rechtlich ins Leere gehen. Nur in seltenen Ausnahmefällen muss der krankgeschriebene Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in engen Grenzen doch zur Verfügung stehen. Infrage kommt das in notfallähnlichen Situationen, wenn dem Arbeitgeber ohne die — vorzugsweise auch „bloß“ telefonische — Unterstützung gerade durch den Arbeitnehmer ernstlicher Schaden droht. Das wäre zum Beispiel bei einer Führungskraft der Fall, die alleine über bestimmte Infos eines Großprojekts Bescheid weiß und für die entsprechenden Auskünfte zur Verfügung stehen muss, wenn ihr Gesundheitszustand das zulässt.

Darf ich trotz Krankschreibung zur Arbeit gehen?

Ja, darf man. Eine Krankschreibung ist nur die Prognose des Arztes, wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich dauert. Die Prognose muss sich aber nicht bewahrheiten. Wird der Arbeitnehmer früher als prognostiziert wieder fit, darf er auch wieder arbeiten — muss das aber grundsätzlich nicht. Allerdings darf der Arbeitgeber keinen offensichtlich arbeitsunfähigen Arbeitnehmer arbeiten lassen. Ist dem Mitarbeitenden seine Arbeitsunfähigkeit ohne Weiteres anzusehen, muss der Arbeitgeber ihn nach Hause schicken, und so quasi vor sich selbst schützen. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer ansteckend ist.

Darf mein Arbeitgeber überprüfen, ob ich wirklich krank bin?

Der Arbeitgeber darf seine Arbeitnehmer nur unter engen Voraussetzungen gezielt überwachen. Denn dadurch greift er in ihr Persönlichkeitsrecht ein, je nach der Überwachungsmaßnahme mehr oder weniger. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist. Mancher Arbeitgeber beauftragt schon mal einen Detektiv, um jemand Krankgeschriebenen zu observieren. Könnte ja sein, dass der sich putzmunter bei Aktivitäten zeigt, die nahelegen, er feiere nur krank. Es hat zum Beispiel schon Arbeitnehmer gegeben, die während ihrer Krankschreibung bei der Arbeit für die Konkurrenz angetroffen wurden.

Nötig ist aber zuerst ein auf hinreichende Anhaltspunkte gestützter Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung oder gar Straftat — zum Beispiel, dass der Arbeitnehmer sich die Krankschreibung nur erschlichen hat, um den beantragten, aber abgelehnten Urlaub doch machen zu können. Hat der Arbeitnehmer in einem solchen Kontext geäußert, „dann werd ich halt krank“, ist der Verdacht da. Den darf der Arbeitgeber dann durch verhältnismäßige Maßnahmen auch aufzuklären versuchen.

Die Maßnahmen müssen allerdings dafür geeignet, erforderlich und angemessen sein. Erforderlich heißt, es gibt keine andere gleich geeignete, aber weniger stark in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Maßnahme. Angemessen ist die Maßnahme, wenn die Schwere des Eingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der Gründe steht, die ihn rechtfertigen sollen. Ein heimlicher Urlaub wird in der Regel allerdings keinen hinreichenden Verdacht ergeben — jedenfalls nicht, solange der Grund für die Krankschreibung unbekannt ist.

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