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20 Prozent mehr Arbeitslose durch Corona – Aber Forscher und BA vorsichtig optimistisch

Mit der Coronakrise endete der langjährige Anstieg der Erwerbstätigkeit in Deutschland. Experten zufolge könne frühestens 2022 wieder an frühere Erfolge angeknüpft werden.

Eine drohende Insolvenzwelle könnte positive Arbeitsmarktprognosen zunichtemachen. Foto: dpa
Eine drohende Insolvenzwelle könnte positive Arbeitsmarktprognosen zunichtemachen. Foto: dpa

Vor allem dank der Kurzarbeit hat der deutsche Arbeitsmarkt die Coronakrise bisher vergleichsweise glimpflich überstanden. Im Jahresdurchschnitt 2020 waren bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) knapp 2,7 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet – 429.000 oder 19 Prozent mehr als im Vorjahr.

Der Zuwachs gehe fast vollständig auf das Konto der Pandemie, sagte BA-Chef Detlef Scheele bei der Präsentation der Daten in Nürnberg. Es habe Entlassungen gegeben, vor allem im Frühjahr des Jahres. Schwerer wiege aber, dass es in der Coronakrise weniger Arbeitslosen gelungen sei, wieder einen Job zu finden.

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Insgesamt liege die Arbeitslosigkeit auf dem vergleichsweise niedrigen Niveau des Jahres 2016. Dies sei eine „immer noch relativ erfreuliche Bilanz“, die sich auch bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zeige. Sie lag im Oktober 2020 nach Hochrechnungen der BA bei knapp 33,9 Millionen – 109.000 weniger als vor einem Jahr.

Die größten Beschäftigungsverluste verzeichneten die Zeitarbeitsbranche, die Gastronomie und die Metall- und Elektroindustrie. Bisher sei es nicht in großem Stil zu Massenentlassungen gekommen, sagte Scheele.

Aber wie geht es in diesem Jahr weiter? Prognosen sind nicht einfach, weil beispielsweise unklar ist, ob auch über den Januar hinaus Teile der Wirtschaft im Lockdown ausharren müssen, wenn die Infektionszahlen noch keine Lockerungen erlauben. Scheele sprach von einem „Wettlauf“ zwischen dem Infektionsgeschehen und der Impfkampagne.

Jetzt komme es darauf an, dass die Politik die richtigen Weichen stelle und eine schnelle Rückkehr zum Wachstum ermögliche, sagte dazu der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter. Hierzu gehöre eine kluge und umfassende Impfstrategie, die sowohl mit den Parlamenten als auch mit der Wirtschaft abgestimmt sei.

„Denn eines ist klar“, betonte Kampeter: „Die Steigerung der Impfgeschwindigkeit ist ein zentraler Wettbewerbsvorteil. Je schneller große Teile der Bevölkerung geimpft sind, desto schneller kann sich die Wirtschaft erholen und damit Beschäftigung sichern.“

Eher optimistisches Bild

Trotz des unentschiedenen Wettlaufs blicke er insgesamt aber „verhalten positiv“ auf das gerade begonnene Jahr, sagte BA-Chef Scheele. Die Nürnberger Behörde geht davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt wieder um rund 100.000 auf 2,6 Millionen sinken wird.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wird der Prognose zufolge um 100.000 zulegen. Wegen der anhaltenden Coronakrise rechnet die BA noch mit 700.000 Kurzarbeitern im Jahresdurchschnitt. 2020 waren es im Schnitt 2,9 Millionen, in der Spitze im April knapp sechs Millionen.

Wie die Arbeitsagentur zeichnen auch die Forschungsinstitute, die im Dezember ihre Konjunkturprognosen vorgelegt haben, ein eher optimistisches Bild. Bei der Arbeitslosenquote, die 2020 auf 5,9 Prozent angestiegen ist, rechnen sie für das laufende Jahr mit Werten zwischen 5,7 und knapp 6,0 Prozent.

Damit läge diese deutlich unter den 8,1 Prozent des Rezessionsjahres 2009. Und niedrigere Werte als 5,7 Prozent wurden seit der Wiedervereinigung nur in den Jahren 2018 und 2019 erreicht.

Anlass zu vorsichtigem Optimismus bietet beispielsweise die Zahl der offenen Stellen. Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) lag sie im April 2020 noch 60 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Im November waren es nur noch sechs Prozent.

Dennoch erwarten die Kölner Wirtschaftsforscher, dass die Erwerbstätigkeit im laufenden Jahr allenfalls schwach zunehmen wird. Denn viele Unternehmen haben auf die Coronakrise mit Arbeitszeitverkürzung, etwa über die Kurzarbeit, reagiert. Zieht die Konjunktur an, werden sie zunächst das Arbeitsvolumen der Beschäftigten wieder ausweiten, bevor sie an Neueinstellungen denken.

Minijobber und Selbstständige am stärksten betroffen

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet, dass die Arbeitslosenquote schon 2022 auf 5,3 Prozent fällt und damit fast am Vorkrisenniveau anknüpfen kann. Unter den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie hätten Minijobber und Selbstständige am stärksten zu leiden. „Hier dürfte die Beschäftigung dauerhaft niedriger sein“, prognostizieren die Wissenschaftler aus Berlin.

Insgesamt ist die Zahl der Erwerbstätigen laut Statistischem Bundesamt im vergangenen Jahr um 477.000 oder 1,1 Prozent auf rund 44,8 Millionen gesunken. Damit endete in der Coronakrise der mehr als 14 Jahre anhaltende Anstieg der Erwerbstätigkeit in Deutschland.

Das größte Minus verzeichneten die Branchen, die auch am stärksten vom Lockdown betroffen sind. So ging die Zahl der Erwerbstätigen im Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe um 207.000 oder zwei Prozent zurück. Bei den Unternehmensdienstleistern, zu denen auch die Zeitarbeit zählt, betrug das Minus 2,5 Prozent.

Hoffnungsfroh für den Arbeitsmarkt stimmt, dass die deutsche Industrie beginnt, sich langsam vom teils dramatischen Produktionseinbruch zu erholen. Denn das verarbeitende Gewerbe gibt knapp 7,6 Millionen Erwerbstätigen Arbeit.

Im besonders unter dem Lockdown leidenden Gastgewerbe waren es vor Corona laut Branchenverband Dehoga 2,4 Millionen, im Einzelhandel gut 3,1 Millionen. Der zweite Lockdown werde weniger stark auf den Arbeitsmarkt durchschlagen als der erste, erwartet BA-Chef Scheele. Denn die Grenzen seien nicht geschlossen und die Lieferketten funktionierten, was gerade für die exportabhängige Industrie von Bedeutung ist.

Insolvenzwelle würde auf den Arbeitsmarkt durchschlagen

Dennoch sei durch die Verschärfung des Lockdowns zu erwarten, dass die Zahl der Arbeitslosen weiter steigen werde, schreibt das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Die Essener Forscher weisen zudem auf einen weiteren Unsicherheitsfaktor hin, der viele schöne Prognosen zur Makulatur werden lassen könnte: Nach dem Auslaufen erster krisenbedingter Sonderregelungen im Insolvenzrecht „wird aller Voraussicht nach der zu erwartende Anstieg der Zahl der Insolvenzen zu Beginn des kommenden Jahres den Arbeitsmarkt belasten“.

Die Bundesagentur für Arbeit hat nach Scheeles Worten aber bisher keine Hinweise darauf, dass in Deutschland Tausende von „Zombie-Unternehmen“ unterwegs sind, die nach einer Pleite massenhaft Arbeitskräfte entlassen. Sicher werde es in der Gastronomie oder im Tourismus Insolvenzen geben, mit einer Welle rechne er aber nicht, sagte Scheele.

Ab dem Sommer werde sich der Arbeitsmarkt hoffentlich langsam von der Coronakrise erholen, erwartet der BA-Chef. Aber: „Wir gehen davon aus, dass wir das Vorkrisenniveau erst Mitte 2022 wieder erreichen werden.“