Werbung
Deutsche Märkte schließen in 4 Stunden 37 Minuten
  • DAX

    17.788,05
    +18,03 (+0,10%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.935,03
    +20,90 (+0,43%)
     
  • Dow Jones 30

    37.753,31
    -45,66 (-0,12%)
     
  • Gold

    2.397,30
    +8,90 (+0,37%)
     
  • EUR/USD

    1,0677
    +0,0002 (+0,02%)
     
  • Bitcoin EUR

    57.825,77
    -1.134,77 (-1,92%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    81,82
    -0,87 (-1,05%)
     
  • MDAX

    26.043,80
    +117,06 (+0,45%)
     
  • TecDAX

    3.221,33
    -35,73 (-1,10%)
     
  • SDAX

    13.999,91
    +1,56 (+0,01%)
     
  • Nikkei 225

    38.079,70
    +117,90 (+0,31%)
     
  • FTSE 100

    7.868,87
    +20,88 (+0,27%)
     
  • CAC 40

    8.017,25
    +35,74 (+0,45%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.683,37
    -181,88 (-1,15%)
     

Arbeitsagenturchef lobt Tesla: „Die Bezahlung ist einfach mal ein Kracher“

Tesla wird in Grünheide üppige Einstiegsgehälter bezahlen, wie der Chef der Arbeitsagentur in Frankfurt an der Oder berichtet – selbst ungelernten Arbeitslosen.

Läuft alles nach Plan, werden in der neuen Tesla-Fabrik ab Sommer 2021 bis zu 12.000 Mitarbeiter 500.000 Fahrzeuge jährlich produzieren. Foto: dpa
Läuft alles nach Plan, werden in der neuen Tesla-Fabrik ab Sommer 2021 bis zu 12.000 Mitarbeiter 500.000 Fahrzeuge jährlich produzieren. Foto: dpa

Der Chef der Arbeitsagentur Frankfurt (Oder), Jochem Freyer, geht fest davon aus, dass der US-Elektroautobauer Tesla seine Beschäftigten in der geplanten Gigafactory in Grünheide bei Berlin tariforientiert entlohnen wird. „Tesla zahlt deutlich besser, als es ortsüblich ist, und wird sich am Gehaltstarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie orientieren“, sagte Freyer dem Handelsblatt. „Sie werden ihn nicht übernehmen und anwenden, aber ich finde, es ist schon ein großer Schritt, wenn wir uns einem Industrietarifvertrag annähern.“

Die Beschäftigten würden sich im Wesentlichen aus Arbeitslosen und Jobwechslern rekrutieren, erläuterte der Behördenchef. „Für Tesla ist es kein No-Go, jemanden einzustellen, der schon längere Zeit ohne Job war oder keine abgeschlossene Berufsausbildung hat.“

WERBUNG

Das sei ein Statement, das von vielen anderen Unternehmen nicht komme. Diese Personen erwarte ein Einstiegsgehalt von 2700 Euro. „Die Bezahlung ist einfach mal ein Kracher für diese Ebene“, sagte Freyer. Mit einer einschlägigen Berufsausbildung gehe es etwa bei 3500 Euro Bruttomonatsgehalt los.

Laut Freyer sind für das neue Werk schon etliche Führungskräfte und Spezialisten an Bord. Der Prozess für die Produktionsmitarbeiter und die Lagerlogistik sei angelaufen. „Bis Anfang 2021 wollen wir rund 200 Personen als Lagermitarbeiter vermitteln“, sagte er. „Im Dezember wird es Bewerbertage geben, mit Gesprächen und Tests. Und am Abend wird gleich entschieden“, erläuterte der Arbeitsagenturchef. Es gehe um unbefristete Vollzeitstellen, und zwar um zunächst etwa 7.000 bis kommenden Sommer, fügte Freyer hinzu.

Zum Ende der ersten Ausbaustufe im Jahr 2022 sollen 5000 weitere folgen. „Fest steht auch, dass es ein rollierendes Schichtsystem sechs Tage in der Woche geben wird.“ In der Diskussion seien Drei- und Vierschichtsysteme.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Freyer, Tesla braucht in den nächsten Monaten für sein Werk in Grünheide 12.000 Mitarbeiter. Das sind gute Aussichten für den Arbeitsmarkt in der Region, oder?
Das kann man so sagen. Zumal die Region eine sehr schwierige Nachwendegeschichte hatte. Der wirtschaftliche Niedergang war extrem, verbunden mit Abwanderung, schlechter Stimmung und wenig Hoffnung. Seit 2006 geht es stetig bergauf, aber wir hinken der westdeutschen Entwicklung immer noch hinterher. Dann kam die Nachricht von Tesla – fast genau vor einem Jahr.

Was haben Sie gedacht?
Im ersten Moment habe ich mich gefragt: Kann das wirklich sein? Nach Grünheide? Als sich die Meldung in den Folgetagen bestätigte, war klar, das kann etwas Großes werden. Ein Technologieunternehmen von Weltruf mit einem zukunftsträchtigen Produkt, das ist eine riesige Chance.

Haben Sie Tesla Hilfe angeboten, die Stellen zu besetzen – oder war es umgekehrt?
Wir sind auf Tesla zugegangen, schon im Frühjahr. Schnell hat sich ein enger Kontakt aufgebaut. Mittlerweile beschäftigen sich neun Mitarbeiter, Kollegen aus Berlin und Frankfurt (Oder), ausschließlich mit der Beratung von Tesla und sitzen mit den Personalverantwortlichen des Unternehmens Tür an Tür.

Wie läuft die Zusammenarbeit konkret ab?
Wir übernehmen von Tesla die Stellenprofile, übersetzen sie teilweise ins Deutsche, bereiten sie für unsere Kunden auf. Die Arbeitsvermittler in den Agenturen und Jobcentern suchen nach geeigneten Interessenten. Für diese organisieren wir Bewerbertage und leiten sie dann gegebenenfalls an Tesla weiter. Weiterhin beraten wir Tesla zur Bildungslandschaft in der Region, zum Gehaltsgefüge, zur Qualifikationsstruktur des Arbeitsmarkts. Wir vernetzen Tesla mit Institutionen, mit Bildungsträgern, organisieren Gesprächsrunden.

Wann gibt es die ersten Einstellungen?
Etliche Führungskräfte und Spezialisten sind schon an Bord. Der Prozess für die Produktionsmitarbeiter und die Lagerlogistik ist angelaufen. Bis Anfang 2021 wollen wir rund 200 Personen als Lagermitarbeiter vermitteln. Der Betrieb auf dem Werksgelände baut sich langsam auf. Es wird Halle für Halle fertig. Nun sind Mitarbeiter nötig, die beim Entpacken von Material und beim Aufbau helfen. Im Dezember wird es Bewerbertage geben, mit Gesprächen und Tests. Und am Abend wird gleich entschieden.

Bewerber gibt es wahrscheinlich reichlich.
Sagen wir es so: Die Zahl der Interessierten liegt im hohen vierstelligen Bereich.

Woher kommen die Arbeitskräfte?
Die Beschäftigten werden sich im Wesentlichen aus Arbeitslosen und Jobwechslern rekrutieren. Für Tesla ist es kein No-Go, jemanden einzustellen, der schon längere Zeit ohne Job war oder keine abgeschlossene Berufsausbildung hat. Das ist ein Statement, das von vielen anderen Unternehmen nicht kommt. Diese Personen erwartet ein Einstiegsgehalt von 2.700 Euro. Die Bezahlung ist einfach mal ein Kracher für diese Ebene.

Hat Tesla diese 2.700 Euro zugesagt?
Wir haben zu Gehaltsfragen Vertraulichkeit vereinbart. Vieles ist auch noch im Fluss. Aber die Untergrenze steht. Ein enormer Sprung nach oben und ein Gewinn für die Menschen. Sie müssen sehen: Es mangelt uns im Berliner Umland ja schon länger nicht mehr an Jobs. Aber Brandenburg hatte im letzten Jahr ein mittleres monatliches Bruttoeinkommen von etwa 2.700 Euro. So viel wird bei Tesla die niedrigste Entgeltgruppe verdienen, also auch ein ungelernter Arbeitsloser. Mit einer einschlägigen Berufsausbildung geht es etwa bei 3.500 Euro Bruttomonatsgehalt los. Wir erreichen damit eine Strukturverbesserung.

War die Aufregung, dass Tesla das Tarifgefüge durcheinanderbringt und womöglich gar nicht nach Tarif zahlt, also unbegründet?
Ein klares Jein. Ob die Höhe eines Gehalts gut ist oder schlecht, obliegt der persönlichen Bewertung. Gewerkschaften haben naturgemäß einen eigenen Maßstab. Und das ist auch richtig so. Aber Tesla zahlt deutlich besser, als es ortsüblich ist, und wird sich am Gehaltstarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie orientieren. Sie werden ihn nicht übernehmen und anwenden, aber ich finde, es ist schon ein großer Schritt, wenn wir uns einem Industrietarifvertrag annähern. Aber natürlich setzt das auch andere Betriebe im Wettbewerb um Arbeitskräfte unter Druck.

Sind die Jobs befristet?
Es geht um unbefristete Vollzeitstellen, und zwar um zunächst etwa 7000 bis kommenden Sommer. Zum Ende der ersten Ausbaustufe im Jahr 2022 sollen 5000 weitere folgen. Fest steht auch, dass es ein rollierendes Schichtsystem sechs Tage in der Woche geben wird. In der Diskussion sind Drei- und Vierschichtsysteme. Gießerei, Presswerk, Montage, Lackiererei, Qualitätskontrolle, Endfertigung haben ihre eigenen Prozesse, da kann es sein, dass es Unterschiede gibt.

Die Jobs werden nicht nur Arbeitslose übernehmen können. Woher kommen die anderen Bewerber?
Der überwiegende Teil der Mitarbeiter wird sich aus einem Job heraus direkt bei Tesla bewerben. Das werden Leute sein, die sagen: „Das ist genau der Job, den ich mir gewünscht habe. Hier kann ich mich verbessern, mich entwickeln." Es gibt auch die Gruppe derer, die wegen der Coronakrise seit Monaten in Kurzarbeit verharren und nach einer sicheren Perspektive suchen.

Tesla löst einen Pull-Effekt aus

Suchen Sie auch aktiv nach Personal im Westen?
Unser Ziel ist, dass so viele Menschen wie möglich aus Berlin und Brandenburg bei Tesla eine Chance bekommen. Ich halte es für realistisch, dass am Ende vier von fünf Arbeitsplätzen mit Bewerbern aus der Region besetzt werden. Ein Großteil der Jobs ist in der Produktion, Montage und im Bereich Lager und Logistik angesiedelt. Personen, die dafür infrage kommen, haben wir. Aber als Bundesagentur für Arbeit sind wir dem ganzen Land verpflichtet. Wir streben stets den bestmöglichen Ausgleich von Angebot und Nachfrage für ganz Deutschland an. Daher haben wir auch die Arbeitsagenturen in den Regionen informiert, in denen Automobilhersteller und Zulieferer gerade Probleme haben. Gerade für arbeitslose Führungskräfte und Ingenieure können die Tesla-Stellen dort den Markt entlasten, den Menschen helfen. Abgeworben wird von uns niemand.

Ist Englisch Einstellungsvoraussetzung?
In der Produktion ist die Arbeitssprache Deutsch. Führungskräfte, Ingenieure, Spezialisten müssen fließend Englisch sprechen können.

Was macht den Reiz von Tesla aus Sicht eines Arbeitsmarktexperten aus?
Die Ansiedlung bringt der Region nicht nur viele Arbeitsplätze, sondern vor allem gut bezahlte in einer Zukunftsbranche. Die Tesla-Ansiedlung genießt weltweite Aufmerksamkeit und wird daher einen Pull-Effekt auch auf andere Unternehmen auslösen. Und sie birgt die Chance, dass es nicht nur Rückkehrer in die Region geben wird, sondern dass Menschen erstmals Brandenburg als Wohn- und Arbeitsstandort in Betracht ziehen. Unsere demografische Struktur hat es bitter nötig.

Sie denken an Bewerber von westdeutschen Automobilstandorten?
Es hat sich ja schon im vergangenen Jahr angedeutet, dass es einen Stellenabbau in der deutschen Automobilindustrie geben wird. Da war von Corona noch gar nicht die Rede. Ich gehe davon aus, dass zumindest ein Teil der Arbeitsplätze, die die westdeutschen Autokonzerne abbauen, von der Tesla-Ansiedlung in Grünheide aufgefangen wird.

Der Osten profitiert von Westdeutschland!
Profitiert klingt mir mit Blick auf ganz Deutschland zu positiv. Für Ostdeutschland ist das aber zweifellos ein Aufbruchssignal. Fakt ist: Tesla wird in der schrumpfenden Automobilbranche deutschlandweit nicht für mehr Jobs sorgen, aber ein Stück weit quantitativ ausgleichen, was vor allem an westdeutschen Standorten verloren geht. Damit erleben wir zum ersten Mal nach 30 Jahren deutsche Einheit eine West-Ost-Verschiebung in der deutschen Industrie.

„Es gibt richtige Freaks“

Wenn im Dezember die ersten Gespräche mit Tesla anstehen, was raten Sie Bewerbern?
Ich bin ein Fan davon, dass man sich so präsentiert, wie man ist. Etwas anderes vorzugaukeln führt zu nichts. Wer bei Tesla arbeitet, muss belastbar sein, bereit sein, mal eine Extrameile zu gehen. Er kann davon ausgehen, nicht täglich den gleichen Job zu machen. Tesla will ganz bewusst Mitarbeiter ihre Tätigkeiten wechseln lassen. Heute in der Lackiererei, morgen im Presswerk, das ist durchaus möglich. Um die Fähigkeiten zu erhöhen, aber auch um Belastungen durch Routine ein Stück weit abzudämpfen. Wer damit klarkommt, hat gute Entwicklungsmöglichkeiten.

Was ist mit Team- und Kooperationsfähigkeit?
Die will natürlich jeder Arbeitgeber. Aber ich habe schon das Gefühl, dass das bei Tesla ein besonderer Wert ist. Übrigens auch die Identifikation mit dem Produkt und der Mission von Tesla, das heißt, den schnellen Umstieg auf nachhaltige Energie mit Leidenschaft zu unterstützen.

Fühlen sich manche Bewerber davon abgeschreckt?
Das sagt niemand. Aber man muss schon dabei sein wollen. Wir zwingen niemanden zu Tesla.

Was wollen die Bewerber wissen?
Es gibt richtige Freaks, die verfolgen jeden Kamera-Drohnenflug über die Baustelle im Internet. Die stellen dann ganz spezielle Fragen wie etwa nach der Softwareversion des Lagerhaltungssystems. Ansonsten interessieren sich die Bewerber häufig für das Gehaltsgefüge und den Schichtablauf. Wie man zum Werksgelände kommt oder ob es einen Mitarbeiterparkplatz gibt.

Wird Tesla ausbilden?
Ja. Ziel ist, im nächsten Jahr mit einigen Auszubildenden anzufangen und ab 2022 dann in allen relevanten Ausbildungsberufen, angefangen beim kaufmännischen Bereich bis in den gewerblich-technischen Bereich, also viele Metall- und Elektroberufe. Das wird eine riesige Herausforderung für die hiesige Bildungslandschaft.

Warum?
Die Automobilbranche hat in Deutschland eine Ausbildungsquote von durchschnittlich fünf Prozent. Angenommen, bei Tesla arbeiten 10.000 Menschen, dann wären 500 in der Ausbildung. Das wiederum bedeutet, dass es jedes Jahr ungefähr 150 bis 200 neue Azubis gibt – wenn Tesla einen deutschen Schnitt erreichen will. Da braucht Tesla nicht nur eine gute Lehrwerkstatt und innerbetriebliche Ausbilder. Die Azubis müssen auch in die Berufsschule. Es wird zwischen Berlin und Brandenburg noch einiges abgestimmt und auf die Bahn gebracht werden müssen.

Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit Tesla?
Verlässlichkeit, Pragmatismus und Optimismus. Die Offenheit, auf unsere Vorschläge und unseren Rat einzugehen und nicht einfach zu sagen, wir brauchen 7.000 Olympiasieger.

Was erwarten Sie persönlich von Tesla?
Ich erwarte von Tesla, dass es gut mit seinen Mitarbeitern umgeht und sich für die Region engagiert. Am Ende muss sich ein Unternehmen immer auch wahrnehmbar um die Menschen kümmern, die es tragen. Ich möchte ein Gewinner-Gewinner-Verhältnis.
Herr Freyer, vielen Dank für das Interview.

„Wer bei Tesla arbeitet, muss belastbar sein.“ (Foto: Arbeitsagentur Frankfurt/Oder) Foto: dpa
„Wer bei Tesla arbeitet, muss belastbar sein.“ (Foto: Arbeitsagentur Frankfurt/Oder) Foto: dpa