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Arbeitgeber versäumen es, sich mit der neuen Arbeitsrealität auseinanderzusetzen

Dieser Text ist ein Gastbeitrag von Krister Ungerböck. Der Autor ist Bestsellerautor ("22 Talk Shifts: Tools to Transform Leadership in Business, in Partnership and in Life") und ehemaliger CEO eines globalen Technologieunternehmens und Experte für Führungssprache. Bevor er sich im Alter von 42 Jahren aus dem Geschäftsleben zurückzog, war Krister CEO eines globalen Softwareunternehmens mit einem Umsatz von 200 Millionen Dollar. "

Vor Kurzem lehnte einer meiner Freunde eine angebotene Beförderung ab, trotz einer damit verbundenen Gehaltserhöhung von 100.000 US-Dollar jährlich. Durch seine Stelle in einem renommierten Unternehmen verdiente er bereits jetzt rund 300.000 US-Dollar im Jahr. Die Beförderung war mit vielen Auswärtstätigkeiten und Geschäftsreisen fernab der eigenen Familie verbunden, was er nicht in Kauf nehmen wollte.

Doch das war nicht der einzige Grund, weshalb er auf die Beförderung verzichtete. Hätte er die Stelle angenommen, bliebe ihm keine Zeit mehr, um nebenbei seine Geschäftsidee umzusetzen, die ihn schon lange verfolgte. Diese Idee, so ungewiss ihr Erfolg auch sein mochte, war für ihn wichtiger als die Sicherheit des höher dotierten Jobs. Ausschlaggebend dafür war, dass seine Vorstellungen einer gesunden Work-Life-Balance denen seines Arbeitgebers widersprachen. Gründet er nebenbei sein eigenes Unternehmen, könnte er sich seine Arbeitszeit jedoch frei einteilen.

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Dieses Beispiel meines Freundes ist eines von vielen, das zeigt, inwiefern etliche Arbeitgeber heutzutage nicht mehr den Ansprüchen und Lebensumständen der Arbeitnehmer gerecht werden. Die Folge ist etwas, das wir als „Große Resignation“ bezeichnen. Das ist für einige Arbeitnehmer nicht zwingend ein Grund zu kündigen. Sie fühlen sich jedoch durch das fehlende Entgegenkommen und das ausbleibende Verständnis neuer Lebensrealitäten ihrer bisherigen Arbeitgeber so demotiviert, dass sie zukünftig nie wieder das volle Maß an Leidenschaft und Leistung in ihren Job einbringen werden wie zuvor. Wir nennen das die „Versteckte Resignation“.

Geteilte Aufmerksamkeit

Natürlich gibt es aber auch eine große Anzahl an Angestellten, die tatsächlich kündigen. Allein im November haben in den USA 4,5 Millionen Personen ihren Job aufgegeben. Nicht nur stellte diese Zahl einen neuen Rekord dar, sie veranlasste auch die Arbeitgeber dazu, den Auslösern der Massenkündigungen auf den Grund zu gehen. Dabei lassen einige von ihnen noch heute außer Acht, dass sie selbst einen Teil dazu beitrugen, indem sie noch immer in dem Glauben sind, die Arbeit sei das Wichtigste im Leben ihrer Mitarbeiter. Das war vielleicht einmal so, hat sich seit der Pandemie jedoch geändert.

Mit all den neuen Herausforderungen, die mit einer Pandemie einhergehen - ob Schulschließungen oder Home-Office-Pflicht - ging auch ein Umdenken in der Arbeitswelt einher. Viele Arbeitnehmer hinterfragen die Bedeutung ihres Jobs als Teil ihrer Identität. Das führt dazu, dass Angestellte offener für andere Stellenangebote und neue Branchen sind, die sich besser mit ihren Ansprüchen und Wertvorstellungen vereinen lassen.

Einer Studie der US-amerikanischen Unternehmensberatung McKinsey aus dem September zufolge haben mindestens 40 Prozent der Arbeitnehmer schon einmal über eine Kündigung innerhalb der nächsten drei bis sechs Monate nachgedacht. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wie das Marktforschungsinstitut Gallup berichtete, engagierten sich im Jahr 2021 nach einigen Aussagen nur rund ein Drittel der Arbeitnehmer aktiv im Job. Das sind so wenige wie zuletzt vor zehn Jahren.

Wieso sich Arbeitnehmer von ihren Jobs abwenden

Die radikalen Lebensumbrüche der letzten zwei Jahre veranlassten viele Arbeitnehmer in den USA und weltweit dazu, die Bedeutung ihrer Arbeit als Lebensmittelpunkt infrage zu stellen. Eine in 2020 veröffentlichte Studie der Universität in Stanford zeigte zudem, dass es in den letzten zwei Jahren vermehrt zu Entlassungen und Lohnkürzungen kam. Aber auch Arbeitgeber, die diese Schritte nicht gingen, trugen durch fehlendes Einfühlungsvermögen und Verständnis zu dem Umdenken der Arbeitnehmer bei. Eine Umfrage der Tageszeitung „The Wallstreet Journal“ fand heraus, dass vor allem die Einstellung und Handelsweisen der Führungskräfte während der Pandemie daran Schuld seien.

Ein Beispiel hierfür sind Videokonferenzen, die plötzlich zum festen Bestandteil unserer Jobs wurden, teils sogar mehrmals täglich. Zwar sind diese durch Home-Office und Social Distancing unerlässlich geworden, jedoch reißen sie uns auch ein Stück weit aus unserem Arbeitsalltag heraus und vermindern somit Konzentration und Produktivität. Das wiederum erhöht das Risiko eines Burnouts. Für dieses Phänomen gibt es auch einen eigenen Begriff: „Zoom Fatigue“.

Bei einem Jobwechsel geht es den Angestellten nicht einmal vorrangig um die Aussicht auf bessere Bezahlung. Viele Arbeitnehmer, vor allem Millennials, haben auf der Suche nach Autonomie, Flexibilität und Freiheit längst den Arbeitgeber gefunden, der ihnen all das ermöglicht: sich selbst. Die Angst vor einer möglichen Entlassung brachte einige Angestellte dazu, sich selbstständig zu machen und den Großteil ihres Engagements in das eigene Unternehmen zu stecken. Dabei hielten einige trotzdem an ihren vorherigen Jobs fest. Das Nebengeschäft sollte jedoch bei einer eventuellen Entlassung Sicherheit und die Aussicht auf berufliche Zukunft gewährleisten.

Laut Daten der US-amerikanischen Bundesbehörde Census Bureau seien in 2021 rund 5,4 Millionen Unternehmen angemeldet worden. Das sind über eine Million mehr als in 2020. In einer Umfrage des Webdienstes Zapier im Dezember 2020 gaben 34 Prozent der US-Amerikaner an, bereits ein Nebengeschäft zu führen und 24 Prozent planten, eines in 2021 zu gründen.

Wie können Arbeitgeber ihren Angestellten entgegenkommen?

Als ehemaliger Chef eines Technologieunternehmens bin ich der Überzeugung, dass eine faire Bezahlung zwar die Basis eines guten Angestelltenverhältnisses darstellt, jedoch sind es vor allem Softskills wie Einfühlungsvermögen, offene Kommunikation und die Anerkennung individueller Bedürfnisse, welche die Arbeitgeber langfristig an eine Stelle binden. Eine Studie von Brooks C. Holtom und seinen Kollegen an der McDonough School of Business der Georgetown Universität, welche mehr als zehn Jahre lang durchgeführt wurde, bestätigte, dass die sogenannte „Einbettung“ in das Arbeitsumfeld ausschlaggebend für das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses sind. Unter dieser Einbettung verstehen sie die Kombination aus Zugehörigkeitsgefühl, positiver Beziehung zu Kollegen und dem Glauben, bei einer Kündigung Wertvolles zu verlieren.

Es gibt eine handvoll Strategien, die Arbeitgeber verfolgen können, um dieses Gefühl der Einbettung zu erzeugen. Arbeitnehmer sollten Mentoren haben, an die sie sich jederzeit wenden können. Hilfreich dafür ist es auch, wenn Chefpositionen intern besetzt werden. Das schafft einerseits Vertrauen und gibt jüngeren Angestellten Aussicht auf Beförderung. Darüber hinaus sollten Manager nach Möglichkeiten suchen, besonders wertvollen Angestellten mehr Autonomie und Flexibilität zu ermöglichen, um diese langfristig an das Unternehmen zu binden.

Oft wird vergessen, in welchem Ausmaß Arbeitnehmer sich nach offener Bestätigung sehnen. Dabei reicht meist schon ein einfaches „danke“ aus, um die Motivation der Angestellten anzutreiben. Diese Wertschätzung sollte Arbeitnehmern auch dann gegenüber gebracht werden, wenn ein Projekt scheitern sollte. Zudem ist es wichtig, dass Manager und Führungskräfte ihre Angestellten regelmäßig nach ihrer persönlichen Einschätzung von Sachverhalten und Vorschlägen zu möglichen Herangehensweisen fragen.

Schließlich sollten Arbeitgeber zeigen, dass es ihnen am Herzen liegt, eine empathische und bestimmte Arbeitskultur zu etablieren. Nehmt nicht einfach an, dass ihr bereits wisst, wie eure Angestellten denken und was ihnen wichtig ist. Sprecht mit ihnen, fragt sie nach ihren Wünschen und Sorgen und überlegt dann, was ihr tun könnt, um das Arbeitsumfeld zu schaffen, dass sie benötigen. Arbeitnehmer leben nicht mehr für die Arbeit, sie arbeiten, um zu leben. Nun ist es an den Arbeitgebern, sich an die neue Lebensrealität anzupassen.

Dieser Text wurde von Anika Faber aus dem Englischen übersetzt. Das Original findet ihr hier.