Werbung
Deutsche Märkte schließen in 1 Stunde 7 Minute
  • DAX

    17.756,58
    -270,00 (-1,50%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.912,94
    -71,54 (-1,44%)
     
  • Dow Jones 30

    37.855,17
    +120,06 (+0,32%)
     
  • Gold

    2.383,30
    +0,30 (+0,01%)
     
  • EUR/USD

    1,0641
    +0,0015 (+0,14%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.099,69
    -2.366,32 (-3,85%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    85,10
    -0,31 (-0,36%)
     
  • MDAX

    25.968,23
    -478,91 (-1,81%)
     
  • TecDAX

    3.291,53
    -42,79 (-1,28%)
     
  • SDAX

    13.988,97
    -269,11 (-1,89%)
     
  • Nikkei 225

    38.471,20
    -761,60 (-1,94%)
     
  • FTSE 100

    7.806,05
    -159,48 (-2,00%)
     
  • CAC 40

    7.926,09
    -119,02 (-1,48%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.890,28
    +5,26 (+0,03%)
     

Ich arbeite seit elf Jahren als Flugbegleiter bei der Lufthansa — wir stehen kurz vor dem Kollaps

Unser Protagonist möchte anonym bleiben. Dies ist ein Symbolbild. - Copyright: Tunvarat Pruksachat
Unser Protagonist möchte anonym bleiben. Dies ist ein Symbolbild. - Copyright: Tunvarat Pruksachat

Wer derzeit in einen Flieger steigen will, braucht starke Nerven. Gerade zu Beginn der Sommerferien häufen sich die Meldungen über überlastetet Flughäfen, lange Schlangen beim Check-in und an den Sicherheitskontrollen. Grund ist unter anderem ein Personalmangel, ausgelöst durch Krankheiten und Stellen, die in der Pandemie eingespart wurden. Die Airlines reagieren mit Streichungen Tausender Flüge. Darunter ist auch die Lufthansa.

Auch eine Redakteurin von Business Insider hatte bereits mit Problemen auf ihrem Flug von Berlin nach Griechenland zu kämpfen. Bei Business Insider schildert ein Flugbegleiter der Lufthansa die aktuelle Situation aus der Ich-Perspektive. Er möchte anonym bleiben. Hier ist seine Geschichte.

Ich bin Mitte 30 und arbeite seit elf Jahren bei der deutschen Airline Lufthansa als Flugbegleiter. Aber so ein Chaos wie in den vergangenen Wochen habe ich noch nicht erlebt. Um die Lage zusammenzufassen: Wir stehen bei der Lufthansa kurz vor dem Kollaps. Wenn es so weitergeht, wird das ganze System wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Und ich denke nicht, dass die Problematik bis zum Hochsommer gelöst sein wird.

Eine Maschine der Lufthansa auf dem Rollfeld am Flughafen Köln Bonn - Copyright: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
Eine Maschine der Lufthansa auf dem Rollfeld am Flughafen Köln Bonn - Copyright: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Problem ist hausgemacht

Dabei ist das Problem hausgemacht. Während der Corona-Pandemie hat die Airline die Ausbildungs- und Weiterbildungskapazitäten beim Kabinen-Personal stark zurückgeschraubt. Der Grund lag auf der Hand: Wegen der Corona-Pandemie und des dadurch stark gesunkenen Reise-Aufkommens sind auch weniger Flieger abgehoben. Normalerweise müssen selbst bereits ausgebildete Flugbegleiter jedes Jahr ein sogenanntes „Refreshment“ machen, also eine Art Auffrischung ihrer Kenntnisse. Da geht es unter anderem um neue Sicherheitsbestimmungen wie die Evakuierung oder Besonderheiten der Flugzeuge, an Bord derer sie fliegen. Auch diese Refreshments sind größtenteils ausgesetzt worden. Heißt konkret: Die Flugbegleiter haben keine gültigen Lizenzen und dürfen daher das Flugzeug nicht betreten.

Genau das fällt dem Unternehmen jetzt auf die Füße. Die hohe Krankheitsquote durch Corona und die Dauerbelastung bei den Flugbegleitern (in allen Funktionsgruppen) zwingt die geplanten und mit Lizenzen ausgestatteten Ressourcen der Airline in die Knie.

Bereitschaftsdienste haben sich verdoppelt

Und bei der Truppe, die diese Ausfälle eigentlich abfangen könnte oder besser gesagt sollte, fehlen jetzt die Flugbegleiter. Das merke ich auch am eigenen Leib. Die Bereitschaftsdienste, in denen ich zwar nicht fest bei einem Flug eingeteilt bin, aber auf Abruf stehe – sollte jemand ausfallen – haben sich verdoppelt. Inzwischen stehen jeden Monat zwei davon in meinem Dienstplan. Jeweils fünf Tage.

WERBUNG

Was sich ebenfalls geändert hat: Eine Einteilung hieß früher nicht zwangsläufig, dass man auch gebraucht wurde. Es war mehr eine Vorsichtsmaßnahme. Heute kann ich mir zu 100 Prozent sicher sein, dass ich früher oder später einen Anruf bekomme, der mich zum Flughafen zitiert.

Menschen stehen am 27.6. der Warteschlange, um das Gepäck abzugeben  - Copyright: picture alliance/dpa | David Young
Menschen stehen am 27.6. der Warteschlange, um das Gepäck abzugeben - Copyright: picture alliance/dpa | David Young

Das Problem geht aber noch weiter. Selbst auf die Dienste, in die ich fest eingeteilt bin, kann ich mich nicht mehr verlassen. Beziehungsweise darauf, wie lange sie gehen. Oft steige ich morgens in den ersten Flieger und weiß noch nicht, welcher abends der letzte Flug sein wird – und wohin. Und vor allem: wie lange ich dort bleiben muss.

Aus einem für einen Tag geplanten Aufenthalt in einer anderen Stadt werden dann schnell mal zwei – und damit verschiebt sich natürlich wieder der gesamte Dienstplan und die Verfügbarkeit auf andere Flüge. Mein Privatleben existiert seit Beginn dieses Chaos‘ so gut wie nicht mehr, weil ich schlicht und einfach nicht mehr planen kann.

Zu wenig Verpflegung für die Gäste

Das Resultat aus all diesen Problemen sind verspätete oder ausgefallene Flüge. Und natürlich wütende Urlauber, auf die – sollte ihr Flugzeug abheben – an Bord schon die nächsten Hürden warten. Aufgrund des Personalmangels am Boden fehlen nämlich nicht nur Mitarbeiter bei der Sicherheitskontrolle oder dem Check-in, sondern auch beim Catering. Und ohne Catering gibt es keine oder zumindest zu wenig Verpflegung an Bord. Erst vor Kurzem kamen Gäste sogar zu uns vor in die Küche und fragten, ob wir denn noch etwas zu essen hätten. Auch hier haben wir keinerlei Möglichkeiten mehr, unserer Gastgeberrolle nachzukommen.

Diese ganze Situation macht mich wütend und traurig zugleich. Denn ich als Flugbegleiter liebe meinen Job. Es ist aber für mich unerträglich, so ein namhaftes Unternehmen auf ganzer Breite versagen zu sehen aufgrund massiver Fehlentscheidungen der oberen Etagen.


Das sagt die Lufthansa zur aktuellen Situation

Wir haben Lufthansa mit den Vorwürfen des Flugbegleiters konfrontiert. Das Unternehmen sagt, dass die gesamte Luftfahrtbranche unter Engpässen und Personalmangel leide. Dies betreffe insbesondere Flughäfen, Bodenverkehrsdienste, die Flugsicherung und "damit in der Folge auch Airlines".

Die Lufthansa hat laut eigener Aussage zahlreiche Maßnahmen umgesetzt und rekrutiert nach "Möglichkeiten zusätzliches Personal, um die größtmögliche Stabilität des Flugplans sicherzustellen und damit Fluggästen bestmögliche Planungssicherheit zu bieten". Streiks der Flugsicherheit, Wetterereignisse und insbesondere eine erhöhte Corona-Krankenquote hätten das System jetzt zusätzlich belastet.

Das führe dazu, dass Airlines europaweit viele Flüge aus dem System hätten nehmen müssen, darunter auch die Lufthansa, um Verkehrsspitzen abdecken zu können. Für den Sommer habe die Lufthansa 3000 Flüge gestrichen, insgesamt aber blieben 95 Prozent der Flüge erhalten. "Wir gehen davon aus, dass wir mit diesen Streichungen einen überproportionalen Effekt in der operativen Stabilität erreichen", so eine Lufthansa-Sprecherin.

Zu den heruntergefahrenen Ausbildungsmöglichkeiten sagt die Lufthansa, dass die Entscheidungen der Requalifizierung der Flugbegleiter auf Basis der "seinerzeit bekannten Rahmenbedingungen der Kurzarbeit" und dem unterstellten Wachstumspfad getroffen seien. "Aktuell können wir aus planerischer Sicht die Bereederung unserer Flotten sicherstellen".

Auch könnten die Flugstreichungen und eine erhöhte Krankheitsquote aktuell dazu führen, dass die Einsatzpläne kurzfristig geändert werden müssten. Die Bereitschaftsdienste hätten aufgrund der aktuellen Situation angepasst werden müssen.