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Warum die Anwaltschaft Erfolgshonorare ablehnt

Um Anwaltschaft und Legal-Tech-Unternehmen gleichzustellen, sollen Verbote für Rechtsanwälte gelockert werden. Doch das will die Zunft gar nicht.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung durch den mandatierten Rechtsanwalt ab und sieht die Ausweitung der Zulässigkeit von Erfolgshonoraren kritisch. Foto: dpa
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung durch den mandatierten Rechtsanwalt ab und sieht die Ausweitung der Zulässigkeit von Erfolgshonoraren kritisch. Foto: dpa

Die Digitalisierung hat im Rechtsmarkt Tatsachen geschaffen: Neben die Anwaltschaft sind Legal-Tech-Unternehmen getreten, die ebenfalls rechtliche Beratung erbringen dürfen. „Dies führt momentan zu einer Ungleichbehandlung“, heißt es in einem Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), der in Kürze in die Ressortabstimmung gehen soll.

Demnach ergeben sich „erhebliche Bedenken“ mit Blick auf die „Verhältnismäßigkeit von Verboten“ im anwaltlichen Berufsrecht – etwa von Erfolgshonoraren. Hier soll das geplante „Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ ein „kohärentes Regelungsgefüge“ herstellen. Das sei auch europarechtlich geboten.

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Mittlerweile erbringen zahlreiche Legal-Tech-Unternehmen standardisierte und digitale Rechtsdienstleistungen. Sie setzen Fluggastentschädigungen durch, klären Ansprüche aus der Mietpreisbremse und bestreiten auch komplexe Verfahren etwa zum Dieselabgasskandal oder zur Staatshaftung bei der Insolvenz des Reiseanbieters Thomas Cook.

Zugelassen sind die Anbieter als Inkassounternehmen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Dadurch können sie Erfolgshonorar vereinbaren und sogar als Prozessfinanzierer auftreten. Verbraucher trauen sich so, auch bei niedrigen Streitwerten ihre Forderungen gegen große Konzerne oder den Staat geltend zu machen – ohne ein Kostenrisiko tragen zu müssen.

Mit einem Grundsatzurteil – dem „Lexfox-Urteil“ – hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im November 2019 diese Vergütungsmodelle für Inkassodienstleister als legal bestätigt und auch ihre rechtlichen Beratungstätigkeiten gebilligt.

Erhebliche Wettbewerbsvorteile

Rechtsanwälte müssen sich hingegen in ihrer Berufsausübung nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) richten. Das bedeutet, dass sie Erfolgshonorare nur in wenigen Ausnahmefällen vereinbaren dürfen und ihnen die Prozessfinanzierung vollständig untersagt ist. „Dadurch haben Inkassodienstleister derzeit zumindest in bestimmten Bereichen erhebliche Wettbewerbsvorteile“, heißt es im Referentenentwurf.

Das Rezept: Was Inkassounternehmen erlaubt ist, soll künftig auch Anwälten gestattet sein. Sie dürften demnach Erfolgshonorare bei Gegenstandswerten bis 2000 Euro vereinbaren und dann auch Verfahrenskosten übernehmen. „Dies soll für die Rechtsuchenden Anreize bieten, kleinere Forderungen künftig öfter auch mit anwaltlicher Hilfe durchzusetzen“, erklärte das Bundesjustizministerium auf Anfrage.

Im Gegenzug sollen Legal-Tech-Anbieter bei der Registrierung stärker überprüft und danach verschärften Informationspflichten unterworfen werden. Denn die Geschäfts- und Vergütungsmodelle seien für die Verbraucher „vielfach kaum zu durchschauen“, heißt es im Entwurf.

Lambrechts Ministerium entscheidet sich also für den Weg hin zu einem liberalisierten Rechtsmarkt. Denn – so die Argumentation – verböte man auch für Legal-Tech-Unternehmen Erfolgshonorare, würde das „deren oft verbraucherfreundliche Angebote“ in vielen Fällen unmöglich machen.

Doch dieser Ansatz gefällt der Anwaltschaft gar nicht. So beklagt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) in einer Stellungnahme einen Paradigmenwechsel – weg vom Schutz der Rechtsuchenden vor „unqualifizierten Rechtsdienstleistungen“ hin zu einem „sich unterhalb der Anwaltschaft etablierenden Rechtsdienstleistungsmarkt“. Statt Legal-Tech-Unternehmen zu regulieren, werde die berufsrechtliche Regulierung für Anwälte gelockert. Das bedeute „faktisch die Aufgabe rechtsstaatlicher Prinzipien“.

„Amerikanische“ Verhältnisse

Die Vereinbarung von Erfolgshonoraren lehnt die Standesvertretung ebenso ab wie die Prozessfinanzierung. „Ein auf dem Erfolgshonorar basierendes Vergütungssystem macht den Rechtsanwalt zum Investor des Mandats und damit gleichsam zur Partei“, heißt es in der BRAK-Stellungnahme. Er sei damit nicht mehr das „unabhängige Organ der Rechtspflege“.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung durch den mandatierten Rechtsanwalt ebenfalls ab und sieht die Ausweitung der Zulässigkeit von Erfolgshonoraren kritisch. Dabei gehe es nicht nur um die Sorge, „amerikanische“ Verhältnisse zu bekommen und Rechtsdurchsetzung nur noch wirtschaftlich starken Kanzleien zu überlassen.

Gründer Daniel Halmer, der einst das BGH-Urteil für sein Rechtsportal Lexfox – mittlerweile Conny – erstritten hat, bekräftigt indes: „Alle erfolgreichen Legal Techs werden maßgeblich von erfahrenen Anwälten geführt.“ Es gebe weder die Skandalanbieter, die massenweise Verbraucher schädigten und darum dringend stärkerer Aufsicht bedürften, noch müssten „gefühlte“ Wettbewerbsnachteile der Anwaltschaft abgeschafft werden. Das Gesetzesvorhaben sei darum „nicht der große Wurf, um den Rechtsdienstleistungsmarkt ins 21. Jahrhundert zu bringen“.

Die Regulierung von Anwaltschaft und Legal-Tech-Unternehmen dürfte im parlamentarischen Verfahren also noch zu harschen Debatten führen. Die Modernisierung ist aber – allein schon durch die Rechtsprechung des BGH – schlicht notwendig geworden.