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Die Anti-Trump: Die Wiederwahl von Jacinda Ardern macht Mut

Die Premierministerin von Neuseeland handelt empathisch, konsequent und nachhaltig. Der Lohn: Ihr Volk wählte die Sozialdemokratin mit absoluter Mehrheit erneut ins Amt.

 Foto: dpa
Foto: dpa

Die heute 40-jährige Vorsitzende der neuseeländischen Sozialdemokaten ist seit dem Jahr 2017 Premierministerin von Neuseeland. Im Oktober 2020 wurde sie mit fulminantem Erfolg wiedergewählt. Ihre Partei bekam die absolute Mehrheit im Parlament, braucht also keine Koalitionsregierung mehr.

Was ist ihr Erfolgsgeheimnis? Nach Auffassung aller Beobachter ist es die Tatsache, dass sie ein Anti-Trump ist: empathisch, authentisch, offen, ehrlich, effizient, mit klaren Prinzipien und den Menschen zuhörend.

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Wie schön, dass Jacinda Ardern mit diesen Eigenschaften die absolute Mehrheit bei den fünf Millionen Neuseeländern erhielt, während Trump kurz danach in den USA abgewählt wurde. Das macht Mut für die kommenden Jahre der 2020er.

Jacinda Ardern stammt aus kleinen Verhältnissen, ihre Eltern waren gläubige Mormonen. Mit 17 Jahren verabschiedete sie sich vom Glauben der Eltern, trat in die Labour Party ein und begann ihr Studium der Politikwissenschaften und der Öffentlichkeitsarbeit. 2005 ging sie nach London und arbeitete für Premier Tony Blair. Seit 2008 ist sie Mitglied im Repräsentantenhaus Neuseelands.

Sie hatte also schon neun Jahre politische Erfahrung, als sie 2017, gerade mal zwei Monate vor den Wahlen, von Labour auf den Schild für den Parteivorsitz gehoben wurde. Die Umfragewerte für ihre Partei waren miserabel – in dieser Situation musste es in Neuseeland eine Frau richten.

Aber das Muster ist in den westlichen Demokratien nicht gänzlich unbekannt. Ardern gelang der Erfolg, weil ihre persönlichen Eigenschaften insbesondere junge Menschen motivierten, zur Wahl zu gehen. 36,9 Prozent der Stimmen – ein unerwartet gutes Ergebnis für Labour.

Die daraus resultierende Koalitionsregierung musste mühsam zusammengehalten werden. Das kostete viel Kraft. Jacinda Ardern zeigte ihre Fähigkeit zu empathischem Handeln in herausragender Weise, als im März 2019 der rechtsextreme, terroristische Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch 51 Menschenleben forderte.

Die Augen der Welt waren auf Neuseeland und Jacinda Ardern gerichtet, die bei ihrer Grundsatzrede im Parlament in bewegenden Worten ihr Mitgefühl ausdrückte und die Zusammengehörigkeit aller Gruppen und Religionen Neuseelands betonte.

Wenige Tage später unterstrich sie ihre Worte mit Taten und verbot mit sofortiger Wirkung den Verkauf und kurz darauf den Besitz von Sturmgewehren, halb automatischen Waffen sowie großen Munitionsmagazinen. Dass der Staat es ernst meinte mit diesem Verbot, unterstrich er durch die Bereitstellung von 120 Millionen Euro für den Rückkauf dieser Waffen.

In Krisen mit Haltung überzeugt

Die nächste Herausforderung im Krisenmanagement für Ardern kam, als sich im Dezember 2019 auf der neuseeländischen Touristeninsel White Island ein Vulkanausbruch mit 18 Toten und zahlreichen Schwerverletzten ereignete.

Das Talent von Ardern zum Krisenmanagement wurde Ende Februar 2020 erneut gefordert, als die Covid-19-Pandemie in Neuseeland ausbrach. Die Demokratin handelte schnell und schwor ihre Landsleute auf strenge Maßnahmen und umfassenden Verzicht ein.

Seit Mitte März 2020 sind die Grenzen Neuseelands für Einreisende aus dem Ausland gesperrt. Ab dem 25. März 2020 galt in Neuseeland für vier Wochen ein sehr strenger Lockdown. Die Premierministerin entschied, dass alle zu Hause bleiben mussten, nur lebensnotwendige Besorgungen waren gestattet, und nur eine Person aus einem Haushalt durfte jeweils das Haus verlassen.

Alle Bildungsstätten und öffentlichen Einrichtungen waren geschlossen. Ardern forderte nicht nur von ihren fünf Millionen Landsleuten, ein „guter Mensch“ zu sein, und sich im Verzicht zu üben. Sie ging auch mit gutem Beispiel voran und entschied, dass die Regierung auf 20 Prozent ihres Gehalts für sechs Monate verzichten würde.

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Begünstigt durch die Insellage schaffte es Neuseeland, die Verbreitung des Coronavirus zu unterbinden. Mit Wirkung vom 8. Juni 2020 wurden sämtliche Einschränkungen aufgehoben, lediglich die strengen Einreisebestimmungen gelten noch heute.

Neuseeland zählte insgesamt bis dato 1887 Infizierte und 25 Todesfälle. Die wirtschaftlichen Folgen minderte die Regierung ab, indem sie Milliarden für arbeitslose Menschen bereitstellte.

Nicht zuletzt dieses harte, aber wirksame Vorgehen zur Eindämmung der Pandemie gepaart mit Glaubwürdigkeit und Mitgefühl war wohl der Grund für den Erdrutschsieg von Jacinda Ardern bei der Wahl am 17. Oktober 2020. Ihr Krisenmanagement war überall gelobt worden, und die Bürgerinnen und Bürger fühlten sich gut informiert und in ihren Sorgen wahrgenommen – hatte doch jede und jeder eine Chance, mit der Premierministerin bei ihren täglichen Talkrunden zu sprechen.

Vielfältiges Parlament und Kabinett

Mit dieser Wahl hat sich auch das neuseeländische Parlament geändert. Die traditionelle Übermacht alter, weißer Männer ist dahin, die neuseeländische Schmelztiegelnation mit Maori sowie mit Menschen mit europäischen, pazifischen und asiatischen Wurzeln ist viel besser abgebildet, und knapp 50 Prozent der Abgeordneten sind Frauen. Das gilt auch für das neue, zweite Kabinett Arderns, das die Premierministerin selbst als eine „unglaublich vielfältige“ Gruppe bezeichnete.

Um die Welt ging das Bild der Außenministerin, die eine Maori ist und als erste Ministerin das traditionelle Maori-Gesichtstattoo trägt. Die Ureinwohner Neuseelands besetzen noch weitere Ministerposten, und der stellvertretende Premierminister lebt offen seine Homosexualität.

Verglichen mit deutschen Traditionen ist es auch bemerkenswert, dass die Premierministerin trotz ihrer absoluten Mehrheit im Parlament eine Kooperation mit den Grünen einging. Damit bekräftigte Ardern durch Taten und nicht nur durch Worte, dass ihr die Themen Klima, Umwelt und Kindeswohl so wichtig sind, dass sie die Zusammenarbeit dazu auf eine breitere Basis stellte. Der Lohn für die Grünen: zwei Ministerposten außerhalb des Kabinetts.

Alles, was über Jacinda Ardern zu lesen ist, vermittelt den Eindruck: Diese Frau ist als Regierungschefin an die Spitze ihres Landes gekommen – und sie ist sie selbst geblieben. Sie lebt weiter mit ihrem Partner ohne Trauschein zusammen, gebar eine Tochter während ihrer ersten Amtszeit, und sie ist stets offen und herzlich zu den Menschen, aber auch mitfühlend, wenn es erforderlich ist.

Ihre politische Kraft findet sich in vielen Bereichen. So sollen die Bauern bis 2030 mindestens zehn Prozent Emissionen einsparen. Die Studiengebühren sind für das erste Studienjahr abgeschafft, und Neuseelands Kolonialgeschichte wird ab 2022 Pflichtfach in den Schulen. Und der Haushalt hat einen Titel für ein „Wellbeing“-Budget – Geld für arme Familien und psychologische Betreuung.

Ich wünsche Jacinda Ardern sehr, dass sie politisch erfolgreich bleibt! Sie zeigt, dass offene, empathische und authentische Menschen gute Politiker sein können. Die Mädchen in Neuseeland haben ein Vorbild, dem sie nacheifern können, und junge Frauen in der ganzen Welt, die sich für Politik interessieren, sehen, dass man sich nicht verbiegen muss, um politisch gestalten zu können.


Wer noch auffiel: Zielstrebig und omnipräsent

Jens Spahn

Am 25. Februar überlappten sich die politischen Rollen von Jens Spahn: Das CDU-Präsidiumsmitglied erklärte bei einer Pressekonferenz mit Armin Laschet, den NRW-Ministerpräsidenten im Rennen um den Parteivorsitz zu unterstützen.

An diesem Tag wurde auch der Corona-Ausbruch in Heinsberg bekannt, mit dem die Pandemie endgültig Deutschland erreicht hatte: Spahn war als Bundesgesundheitsminister gefordert. Seitdem wirkt der 40-Jährige als einer der sichtbarsten Krisenmanager der Bundesregierung. In der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ erhielt er Sonderkompetenzen, kann am Parlament vorbei per Verordnung sogar Grundrechtseingriffe ermöglichen.

Mit diesen Befugnissen ging er behutsam um, die Machtfülle stößt in der Opposition aber auf Kritik. Der allgegenwärtige Minister überstrahlte dieses Jahr nicht selten den Mann, dem er vor Corona die Treue geschworen hatte: Laschet. Bislang gibt sich Spahn loyal, doch seine Ambitionen sind bekannt. Gregor Waschinski

Swetlana Tichanowskaja

Mutige Frauen gegen einen durchgedrehten Dauerdiktator hieße das Hollywood-Drehbuch für die weißrussische Opposition: Die Pädagogin Swetlana Tichanowskaja, 38, trat im August als Präsidentschaftskandidatin an – gegen Amtsinhaber Alexander Lukaschenko (66), der seit 1994 die Ex-Sowjetrepublik immer diktatorischer beherrscht.

Zuvor war ihr Mann Sergej, bekannter Blogger und Unternehmer, verhaftet worden. Er hatte seine Kandidatur gegen Lukaschenko erklärt. Tichanowskaja holte laut unabhängigen Wahlbeobachtern klar den Sieg, auch die EU zweifelt Lukaschenkos Selbstausrufung an.

Tichanowskaja musste nach Drohungen ins benachbarte Litauen fliehen und führt von dort mit den Partnerinnen ebenfalls ausgeschlossener demokratischer Bewerber – Veronika Zepkalo und der zuvor in Stuttgart wirkenden Flötistin Maria Kolesnikowa – die Opposition. Jedes Wochenende gehen Zehntausende in Minsk auf die Straßen. Tichanowskajas bisher größter Erfolg: EU-Sanktionen gegen Lukaschenko und seine Schergen. Mathias Brüggmann

Sanna Marin

Als Sanna Marin, 34, vor etwas mehr als einem Jahr zur finnischen Ministerpräsidentin gewählt wurde, überschlugen sich weltweit die Schlagzeilen: „Jüngste Regierungschefin der Welt“ und „Frauenpower aus Finnland“ waren nur einige Überschriften.

Die Mutter einer dreijährigen Tochter blieb trotz des Rummels cool. „Ich habe nie über mein Alter oder mein Geschlecht nachgedacht“, erklärte die Sozialdemokratin. Ihr Start als Regierungschefin hätte nicht schwieriger sein können: Kurz nach der Amtsübernahme brach die Corona-Pandemie aus. Doch Marin bewies, dass sie Krisenmanagement kann.

Durch konsequente Lockdowns und eine klare Kommunikation steht Finnland heute besser da als die meisten anderen EU-Länder. Die Lösung heikler Aufgaben sind der in einer gleichgeschlechtlichen Ehe aufgewachsenen Marin nicht fremd. In der Schule habe sie niemandem erzählt, dass sie mit zwei Frauen aufwuchs. Die damals ungewöhnliche Familiensituation habe sie aber stark gemacht. Sie gilt als zielstrebig und analytisch. Helmut Steuer

Markus Söder

Der Franke weiß, wie er sich in Szene setzt. Im Rennen um das Amt des Ministerpräsidenten Bayerns hat der CSU-Chef bereits erfolgreich das Hase-und-Igel-Spiel inszeniert und war stets längst dort, wo Horst Seehofer hinwollte.

Nun, in der Corona-Pandemie, ist der 53-Jährige seinen Ministerpräsidenten-Kollegen enteilt, indem er Beschlüsse immer vor den anderen in die Welt posaunt hat und sich so als harter Hund im Kampf gegen das Virus inszeniert hat. Dabei verbreitet sich das Virus in Bayern am stärksten, was die Frage erlaubt, ob Söders Pandemiepolitik der richtige Kurs ist oder ihm sein Volk einfach nicht folgen mag.

Söder, Sohn eines Maurers, steht hingegen in den Umfragen weit oben, weshalb politische Beobachter längst spekulieren, ob er nicht 2021 Kanzlerkandidat der Unionsfamilie werden sollte. Söder weiß, dass ein Ministerpräsident so etwas nie ausschließen darf. Er weiß aber auch, wie stark er bei der Landtagswahl 2018 verloren hat – und dass es für die CSU nichts Wichtigeres gibt als die absolute Mehrheit im eigenen Land. Daniel Delhaes

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