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Annegret Kramp-Karrenbauer trainiert in Frankreich Europapolitik

In der Heimat werden Zweifel an Annegret Kramp-Karrenbauers Eignung als Kanzlerin laut. Umfragen zufolge hält eine Mehrheit der Deutschen die CDU-Vorsitzende nicht für eine fähige Nachfolgerin von Angela Merkel. Doch in Europa bereitet sie sich genau auf diese Rolle vor. Sie fährt dahin, wo ein Bundeskanzler stets als erstes hinreist: nach Paris.

Das ist in ihrem Fall alles andere als Wohlfühl-Tourismus. AKK hat sich in Frankreich mit ihrer Antwort auf Macron einige Feinde gemacht. Die Forderung, Straßburg solle nicht länger Tagungsort des Europäischen Parlaments sein, wurde als Anschlag auf die Region empfunden. Die Empfehlung, Frankreich solle seinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat in einen europäischen umwandeln, als naiv und nicht zu Ende gedacht: Sollte die Bundesrepublik stärker in die Verantwortung rücken, würde sie dann auch die Folgen bis hin zu vermehrten Militäreinsätzen tragen?

Schon am 3. Juni war AKK in Paris, wurde von Präsident Emmanuel Macron empfangen. Der viel beschäftigte Präsident nahm sich Zeit für die neue CDU-Vorsitzende. Statt der geplanten dreiviertel Stunde sprach er 70 Minuten mit ihr.

Es ging vor allem um drei Themen: die Innovationspolitik, und dabei die Frage, wie Frankreich und Deutschland besser zusammenarbeiten können; die Zukunft von Schengen und des Dubliner Abkommens, das die Rücknahme von Migranten durch das Land der ersten Aufnahme vorsieht, aber zur Überlastung einzelner EU-Mitglieder führt; und die europäischen Institutionen, in denen wichtige Posten neu besetzt werden sollen.

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Da konnte die CDU-Vorsitzende nicht mit dem Präsidenten verhandeln, das ist die Aufgabe der Kanzlerin. Aber sie konnte Angela Merkels Argument unterstützen, wonach die Ernennung des EVP-Kandidaten Manfred Weber (CSU) zum Präsidenten der EU-Kommission auch das Europäische Parlament stärken würde.

AKK spricht auf wirtschaftspolitischer Konferenz in Frankreich

Macron nutzte das Treffen, um sich über die Lage der großen Koalition zu informieren. Wie zu hören ist, wollte er genau wissen, wie es um die SPD bestellt ist, was der Rücktritt von Andrea Nahles für die Koalition bedeutet und welche Zukunft die SPD noch hat. AKK und er kennen sich, seit er 2016 Wirtschaftsminister war. Damals trafen sie ein paar Mal zusammen, hatten aber keinen intensiven politischen Kontakt.

Kramp-Karrenbauer wird nicht nur für Macron, sondern auch für die Franzosen bald schon kein unbeschriebenes Blatt mehr sein. Denn am 19. Juni ist sie schon wieder in Paris und erhält eine Auszeichnung für ihr politisches Engagement. Am 6. Juli wird sie sich der breiteren Öffentlichkeit vorstellen. In Aix-en-Provence tritt sie bei den „rencontres économiques“ auf, der wichtigsten wirtschaftspolitischen Konferenz in Frankreich.

Diese findet jährlich statt, wird sehr gut besucht und von Zehntausenden per Livestream verfolgt. Mehrere hundert Chefs von Großunternehmen haben sich dieses Jahr angemeldet. AKK diskutiert mit drei illustren Debattenpartnern: Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire, Airbus-Chef Guillaume Faury und Pierre-André de Chalendar, dem CEO und Verwaltungsratsvorsitzenden von Saint-Gobain, dem traditionsreichen Glas- und Baustoffhersteller.

Vertrauen in Europa schaffen

Das Thema lautet: „Wie können wir wieder Vertrauen in Europa schaffen?“ Alle drei französischen Diskutanten kennen Deutschland aus eigener Anschauung. Es dürfte eine höfliche, aber auch kritische und für AKK schwierige Debatte werden. Die Franzosen werden der Politikerin auf den Zahn fühlen, die sich auf die Kanzlerschaft vorbereitet.
Le Maire kennt die deutsche Politik so gut wie kein anderer Franzose. AKK hat er bereits häufig getroffen. Er wirft der Bundesregierung oft vor, dass sie in Europa zu zögerlich ist, die Gelegenheit für eine Stärkung der Eurozone nicht beim Schopfe ergreift und zu Hause zu wenig investiert. Aber er hat AKK auch in Schutz genommen, als sie wegen ihres Aufsatzes angegriffen wurde.

Man habe den Artikel einseitig zitiert, die positiven Ansätze vernachlässigt, unterstützte er den europapolitischen Neuling. Airbus-Chef Faury dürfte ein spezielles Thema ansprechen: Das Europa der Verteidigung, gemeinsame Rüstungsprojekte und damit auch die Frage, ob die gemeinsam hergestellten Waffen dann auch exportiert werden dürfen. Airbus liegt mit der Bundesregierung über Kreuz, weil sie einige Airbus-Lieferungen gesperrt hat.

AKK wird also ins kalte Wasser springen müssen, live und vor vielen Zuschauern. Doch das Risiko ist begrenzt. Keiner der Teilnehmer hat ein Interesse daran, sie vorzuführen: Trotz der aktuellen Kritik an ihr in Deutschland hat sie nach wie vor die größten Chancen, die nächste Kanzlerin der Bundesrepublik zu werden.

Mehr: Das Wahldebakel der SPD wird zur Sinnkrise der GroKo. Kanzlerin Angela Merkel muss entscheiden, welchen Zug sie als nächstes wagt.