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Anleger setzen wieder stärker auf solide Unternehmen

Das, was in diesen Tagen immer wieder Schlagzeilen macht, klingt nicht gerade nach einem Umfeld für eine neue Offensive an den seit Januar unter Druck stehenden europäischen Aktienmärkten: Italiens bedrohlich hohe Schulden, das zähe Ringen um den Brexit, der schwelende Handelsstreit mit den USA, die Sorgen um die Schwellenländer.

Der Theorie nach müssten in diesen unsicheren Zeiten günstige Substanzwerte mit soliden Cashflows und gesunden Bilanzen gefragt sein. Doch das ist nicht der Fall. Seit Jahren hinken die sogenannten Value-Aktien dem Markt hinterher (siehe Grafik). „Value ist aus der Mode gekommen. Viele Anleger scheuen sich, bei Value-Aktien zuzugreifen“, sagt Michael Barakos, Portfoliomanager für europäische Aktien bei JP Morgan Asset Management: „Es ist psychologisch schwer, sich gegen den Trend zu stemmen.“

Tatsächlich haben jahrelang vor allem offensive Wachstumswerte wie Technologieaktien die Börsen angetrieben. Wachstumsunternehmen profitieren von hohen Erwartungen an die Zukunft und investieren nicht selten auf Pump. Sie haben oft geringe Cashflows, und die großen Hoffnungen haben sie inzwischen sehr teuer gemacht.

Steigende Schwankungen

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So langsam wird Investoren die Sache aber mulmig. Indizien dafür: Die Schwankungen bei Einzelaktien nehmen zu, und Unternehmen, deren Gewinne sinken, werden an der Börse heftig abgestraft. Das spektakulärste Beispiel ist Facebook. Die Aktie brach Ende Juli innerhalb eines Tages um ein Fünftel ein. 120 Milliarden Dollar an Marktwert wurden vernichtet, nachdem Konzernchef Mark Zuckerberg niedrigere Gewinne für das laufende Jahr angekündigt hatte.

Bei Twitter reichte die sinkende Zahl von Nutzern, um die Aktie binnen eines Tages um 20 Prozent abstürzen zu lassen. Weniger Nutzer bedeuten weniger Gewinn in der Zukunft, fürchteten viele Anleger und verkauften die Aktie.

Das bedeutet: Wachstum ja, aber nicht mehr um jeden Preis. Auch bei Wachstumsunternehmen sehen Portfoliomanager nicht nur auf die Gewinnerwartungen, sondern auch auf die Substanz. Portfoliomanager Barakos achtet bei Wachstumstiteln für seinen Growth-Fonds auf die Qualität und vor allem auf ein positives Momentum, also auf Aktien mit Aufwärtstrend. Er mag Unternehmen mit gesunden Bilanzen, die in der Vergangenheit solide Gewinne erwirtschaftet haben und auch für die Zukunft weiteres Wachstum erwarten lassen. Dazu zählen für ihn Konzerne wie zum Beispiel SAP und der niederländische Chipausrüster ASML oder der französische Luxuskonzern LVMH.

Dass Wachstumsaktien Substanz haben, ist auch für Franz Weis wichtig. Er managt beim französischen Fondsmanager Comgest mehrere Fonds für europäische Wachstumsaktien. Infrage kommen für ihn „Aktien von Unternehmen mit soliden Bilanzen und hoher Innenfinanzierungskraft, die weitgehend vom Konjunkturzyklus unabhängig sind und dabei ihre Gewinne regelmäßig überdurchschnittlich steigern“. Diese Charakteristika findet er bei europäischen Technologieaktien wie Wirecard und SAP sowie Unternehmen wie dem italienischen Brillenglashersteller Essilor und dem spanischen Textilkonzern Inditex. Gegen kurzfristige Rückschläge vom hohen Niveau sind aber auch diese Aktien nicht gefeit, wie zu Beginn der Woche der Einbruch bei Wirecard zeigte.

Wirecard und Amadeus gefallen dennoch auch Alexander Darwell, der bei Jupiter Asset Management einen europäischen Growth-Fonds managt. „Wir suchen nach Erfolgsmustern in Geschäftsmodellen, positiven Branchenstrukturen und im wahrsten Sinne nachhaltigen Unternehmen, die ein nachvollziehbares, profitables Geschäft haben“, erklärt Darwell. Dazu zählen für ihn zum Beispiel der dänische Insulinhersteller Novo Nordisk und der britische Kreuzfahrtanbieter Carnival.

Wo auf der einen Seite Portfoliomanager bei Wachstumsaktien etwas stärker in die Defensive gehen und auch auf die Substanz der Titel achten, wird auf der anderen Seite für die lange in die Defensive gedrängten Value-Investoren das Wachstum der Unternehmen wichtiger. „Auch bei Value-Aktien nützt Anlegern die Unterbewertung nichts, wenn die Gewinne niedriger ausfallen als prognostiziert“, sagt Barakos von JP Morgan Asset Management.

Die Aktie des britischen Einzelhändlers Marks & Spencer etwa findet er zu Recht niedrig bewertet und hält sie für eine „Value-Falle“. Für attraktiv hält er im Value-Bereich dagegen zum Beispiel Finanzdienstleister wie die Allianz oder Pharmakonzerne wie Novartis und Sanofi.

Wachstum ist wichtig

Für Max Schott heißt Value „Unternehmen mit bewährtem Geschäftsmodell“. Die wichtigsten Kriterien sind für den Co-Geschäftsführer und Mitgründer der mehrfach ausgezeichneten Vermögensverwaltung Sand & Schott „eine lange Historie an Dividendenerhöhungen, ein hoher freier Cashflow und positive Wachstumsaussichten“. Diese drei Kriterien zu überprüfen sei entscheidender, als nur die Bewertung mit Blick auf das Kurs-Gewinn- oder das Kurs-Buchwert-Verhältnis anzusehen.

Wie wichtig Wachstum ist, zeigt das Beispiel General Electric. „Wenn man nur hohe Dividenden und hohen freien Cashflow zugrunde legt, hätte man vor Jahren General Electric gekauft“, erklärt Schott. Der Traditionskonzern, der durch immer mehr Zukäufe groß wurde, setzte aber zu sehr auf den Kraftwerksbau, kämpfte in den vergangenen Jahren zunehmend mit sinkenden Umsätzen und Gewinnen und flog zuletzt sogar aus dem US-Leitindex Dow Jones. Interessante Dividenden- beziehungsweise Value-Aktien sind für Schott dagegen aktuell zum Beispiel der Ölkonzern Total und der britisch-niederländische Konsumgüterriese Unilever.

Fazit: Im aktuellen Umfeld ist es durchaus ratsam, sich defensiver aufzustellen. Dabei geht es nicht um die prinzipielle Unterscheidung zwischen Value oder Growth. Sondern darum, Unternehmen zu finden, die Wachstum und Gewinne nicht nur versprechen, sondern auch zuverlässig liefern.