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Warum Anleger Milliardensummen auf den reichsten Mann Asiens wetten

Mukesh Ambani will Indiens Internet dominieren und bekommt dafür Unterstützung von Facebook. Analysten sehen auch für Privatanleger eine Chance.

Indiens erfolgreichster Industrieller, Mukesh Ambani, begeistert mit einem ambitionierten Plan die Börse: Der Mann, der im Ölgeschäft zum reichsten Mann Asiens aufstieg, will jetzt auch die Digitalwirtschaft seiner Heimat dominieren. Reliance Jio heißt der Ableger aus seinem Firmenimperium, der die Fantasie der Investoren beflügelt: Das Unternehmen mischte seit dem Start vor vier Jahren zunächst Indiens Mobilfunkmarkt auf und wurde mit Kampfpreisen zum Marktführer.

Nun will Ambani Jio zum digitalen Rundumversorger ausbauen. Über JioMart lassen sich Lebensmittel und Haushaltswaren nach Hause bestellen. JioCinema bietet Streaming à la Netflix, JioSaavn ist ein Musikdienst wie Spotify. JioMeet macht in Indien Zoom als Anbieter von Videokonferenzen Konkurrenz.

Für seine Vision einer Plattform, die den Indern unterschiedlichste Internetdienste aus einer Hand anbietet, hat Ambani in den vergangenen Wochen namhafte Unterstützer bekommen. Den Anfang machte Ende April Facebook. Das soziale Netzwerk kaufte für 5,7 Milliarden Dollar einen knapp zehnprozentigen Anteil an Jio.

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In den darauffolgenden Wochen schlossen sich mehrere US-Finanzinvestoren an – darunter KKR aus New York und Silver Lake aus Kalifornien. Anfang Juni reihten sich dann auch noch zwei staatliche Investmentgesellschaften aus Abu Dhabi unter den Geldgebern ein. Ambanis Ausbeute innerhalb von lediglich sieben Wochen: 13 Milliarden Dollar an frischem Kapital.

An der Börse in Ambanis Heimatstadt Mumbai kamen Geldspritzen aus dem Ausland gut an: Seit dem Einstieg von Facebook legte der Kurs von Reliance Industries – dem riesigen Konglomerat, zu dem auch Jio gehört – um fast 30 Prozent zu. Rückschläge infolge der Coronakrise hat die Aktie damit längst wieder eingeholt und notiert im Vergleich zum Jahresbeginn im Plus, während der Leitindex Sensex noch mehr als 15 Prozent unter dem Stand von Anfang Januar liegt.

Die Wette auf Ambanis Durchsetzungskraft im Internetgeschäft ist zwar nicht ohne Risiken. Ein Großteil der Analysten glaubt aber, dass die Reliance-Aktie Anlegern nach wie vor Potenzial bietet.

Der 63-jährige Ambani, dessen Vermögen auf mehr als 56 Milliarden Dollar geschätzt wird, genießt an Indiens Finanzmärkten hohes Ansehen: „Das Aufgebot an Investoren, das Reliance in den vergangenen Wochen anziehen konnte, ist unglaublich“, sagte Vallabh Bhansali, Chef der indischen Investmentgesellschaft Enam. „Es sind Mukesh Ambanis Visionen, die ihn von anderen Unternehmern abheben“, fügte er hinzu.

Schon vor seinem Einstieg in die Mobilfunk- und E-Commerce-Branche war Reliance aus dem indischen Wirtschaftsleben kaum wegzudenken. Vor der Küste des Subkontinents fördert der Konzern Öl und Gas. In Gujarat, dem Heimatbundesstaat von Premierminister Narendra Modi, betreibt Reliance die größte Erdölraffinerie der Welt.

Reliance Retail ist Indiens größtes Einzelhandelsunternehmen mit mehr als 10.000 Filialen. Zudem betreibt das Konglomerat diverse Nachrichtensender, Produktionsgesellschaften für Bollywood-Filme und steht hinter der indischen Fußballliga ISL.

Analysten empfehlen zum Kauf

Die meisten der Geschäftsbereiche leiden unter den Folgen der Coronavirus-Pandemie: Bereits in den ersten drei Monaten des Jahres brach der Gewinn von Reliance im Vergleich zum Vorjahr um fast 40 Prozent ein – unter anderem wegen Umsatzrückgängen bei der Ölförderung und im Raffineriegeschäft, das zuletzt mit mehr als 40 Prozent den größten Teil der Konzerneinnahmen stellte.

Kurzfristige Besserung ist dabei nicht in Sicht: Die Auswirkungen strikter monatelanger Ausgangssperren, mit denen sich Indiens Regierung seit Ende März um eine Eindämmung der Pandemie bemüht, dürften sich erst in den Zahlen für das zweite Quartal des Jahres niederschlagen.

Beobachter gehen davon aus, dass die Konzerngewinne in den kommenden Monaten angesichts düsterer konjunktureller Vorzeichen weiter zurückgehen werden. Indiens Wirtschaftsleistung, die noch vor Kurzem mit sieben Prozent im Jahr zulegte, wird nun nach Prognosen der Ratingagentur S & P in diesem Jahr um fünf Prozent schrumpfen.

Trotz des schwierigen Umfeldes und der zuletzt starken Kursaufschläge empfehlen aber derzeit 22 von 29 Analysten laut der Nachrichtenagentur Reuters das Reliance-Papier zum Kauf. Sie sehen es unter anderem als positiv an, dass Reliance einen großen Teil der in den vergangenen Wochen eingeworbenen Investorengelder – inklusive einer Kapitalerhöhung von sieben Milliarden Dollar, an der sich viele Privatanleger beteiligten – verwenden will, um seinen Schuldenberg von mehr als 20 Milliarden Dollar abzubauen.

Analysten erwarten nun, dass der Konzern bereits in diesem Jahr sein Ziel der Schuldenfreiheit erreichen kann. Mehrere Beobachter hoben ihre Kursziele an. Der indische Finanzdienstleister Motilal Oswal geht von einem Aktienpreis von über 1740 indischen Rupien innerhalb der nächsten zwölf Monate aus. Das wären noch einmal zehn Prozent mehr als der Schlusskurs vom vergangenen Montag.

Der Optimismus speist sich vor allem aus der Hoffnung, dass Ambani der digitale Wandel in seinem Imperium gelingt. „Wir glauben, dass das Technologie- und Telekomgeschäft der Hauptantrieb für das weitere Wachstum des Gesamtgeschäfts sein werden“, schrieb der Finanzdienstleister IIFL Securities in einer Analyse des Reliance-Papiers.

Dem stimmten auch die Analysten des japanischen Finanzkonzerns Nomura zu. „Jio dürfte von der gestiegenen Internetnutzung durch Social-Distancing-Maßnahmen und Homeoffice-Regelungen profitieren“, schrieben sie. Momentan steht Jio zwar erst für zehn Prozent der Reliance-Umsätze. KKR-Gründer Henry Kravis verweist aber auf die Langfristperspektive des Unternehmens: „Kaum ein Unternehmen bietet das Potenzial, das digitale Ökosystem eines ganzen Landes derart zu verändern, wie es Jio in Indien tut.“

Einstieg in Deutschland möglich

Im Telekomgeschäft hat Jio schon jetzt die Konkurrenz weit abgehängt. Die Zahl der Mobilfunkkunden lag zuletzt bei fast 390 Millionen – 26 Prozent mehr als im Vorjahr und mehr als doppelt so viel wie die Nummer zwei am Markt, Bharti Airtel. Die hohen Preise, die Investoren für eine Beteiligung zahlten – sie bewerten Jio mit 65 Milliarden Dollar –, sehen Analysten aber allein durch die Dominanz als Netzbetreiber nicht gerechtfertigt. „Die Prämien, die die Investoren zahlen, basieren auf dem Potenzial im E-Commerce“, kommentierte Satish Meena, Technologieexperte des Marktforschers Forrester.

Besonders interessant sind dabei aus seiner Sicht Vorteile, die JioMart im Wettbewerb mit Amazon und Walmart in Indien durch eine geplante Kooperation mit Facebooks Messenger-Dienst WhatsApp bekommen könnte. Das sei aber ein Versprechen, das erst noch realisiert werden müsse, meint Meena.

Anleger in Deutschland, die an das Versprechen glauben, können bei Reliance auch an deutschen Börsen einsteigen. Unter anderem in Frankfurt werden Anteile an dem Konzern (WKN: 884241) als sogenanntes Global Depository Receipt (GDR) gehandelt – ein Investmentvehikel, das das Eigentum an Wertpapieren verbrieft und den Handel mit ausländischen Aktien vereinfacht. Die Hinterlegungsscheine werden in Euro gehandelt, es ergibt sich damit auch ein Währungsrisiko zur indischen Rupie.

Eine Möglichkeit, sich so wie Facebook und KKR direkt bei Jio zu beteiligen, haben Privatanleger noch nicht. Das könnte sich aber bald ändern. Ambani plant, den besonders gefragten Teil seines Konglomerats als eigenständiges Unternehmen an die Börse zu bringen.

Indischen Medienberichten zufolge könnte Jios Börsengang bereits im kommenden Jahr stattfinden. Ambani soll demnach an einem IPO im Ausland arbeiten – im Gespräch ist dabei unter anderem die US-Technologiebörse Nasdaq, wo auch die chinesische E-Commerce-Plattform Alibaba gelistet ist.

Als entscheidend für den Zeitplan gilt aber die Frage, wann Indien die wirtschaftliche Flaute durch die Coronakrise hinter sich lassen kann. Konzernchef Ambani will sich bis dahin auch persönlich solidarisch zeigen: Er verzichtet auf seine komplette Vergütung, bis die Geschäfte wieder so laufen wie früher.