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Angela Merkel ist wieder die Chefin im Ring

Es gab Zeiten, da stand die Bundeskanzlerin vor ihrem politischen Ende. Heute gibt sie in der Coronakrise erneut die entscheidenden Linien vor.

Vor einem Jahr hätte niemand mehr auf einen glorreichen Abgang von Angela Merkel gewettet. Heute steht die Kanzlerin quasi vor der politischen Heiligsprechung. Der Großteil der Bevölkerung schenkt ihr in der Coronakrise das Vertrauen und lobt ihr Krisenmanagement. Die Kanzlerin ist wieder die Chefin im Ring.

Das zeigte sich auch bei der Befragung der Kanzlerin durch die Parlamentarier am Mittwoch im Bundestag. Die SPD hatte das Instrument im Koalitionsvertrag einst durchgesetzt, um Merkel grillen zu können. Die Stunde wurde jedoch wieder zur Merkel-Show.

Die Kanzlerin retournierte jede Frage souverän. Ob Lieferkettengesetz, Schwierigkeiten mit den FFP2-Masken, Überbrückungshilfen, die Versorgung mit Impfstoffen: Alle Fragen konterte Merkel routiniert, für die Opposition war auch an diesem Tag nichts zu gewinnen. Einem Abgeordneten antwortete sie sehr ausführlich, um dann hinzuzufügen: „Ich weiß, dass ich zu lang bin. Ich spar’s ein bei der nächsten Frage.“

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Sie absolvierte das so professionell wie ihre vier Online-Bürgersprechstunden in den vergangenen Wochen. Merkel hat nicht nur in der Bevölkerung den Rückhalt, auch in der Fraktion und in der Partei gibt es niemanden, der ihre Autorität infrage stellt. Einige Hardcore-Merkel-Fans träumen immer noch von einer fünften Amtszeit. Ihnen ist es ein Graus, sollte Friedrich Merz im Januar den Parteivorsitz erringen. Dann wäre es mit dem Durchregieren vorbei, so die Insider.

Das war nicht immer so. Es kommt einem schon wie eine Ewigkeit vor, aber nach der für die CDU verheerenden Landtagswahl in Hessen im Herbst 2018 stand Merkel kurz vor ihrem politischen Ende. Politiker und Publizisten spekulierten damals über die Endzeit der Ära Merkel. Doch diese Schlussfolgerung war der fatalste Fehler, den man im Umgang mit Angela Merkel begehen kann: sie zu unterschätzen.

Die Zeiten waren schon viel schlechter

In einem geschickten Manöver hievte sie ihre damalige Vertraute Annegret Kramp-Karrenbauer auf den Parteivorsitz und sicherte sich damit die Macht im Kanzleramt. Ihre eigene Maxime, dass Vorsitz und Kanzlerschaft in eine Hand gehören, galt da nichts mehr. Es ging in dieser Situation um den eigenen Machterhalt. Kramp-Karrenbauer musste bitter erfahren, dass der Parteivorsitz ohne das Kanzleramt nicht viel wert ist. Merkel lavierte sich danach mit der Aussage durch, jetzt käme es auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft an. In Europa und auch in der Welt fragte man sich jedoch, wie stark die Kanzlerin noch führen könne.

Dann kam die Pandemie, und Merkel war wieder in ihrem Element. Lehman-Krise, Euro-Krise, Krim-Krise: Überall dort hatte die Kanzlerin Hochform bewiesen. Die große Ausnahme war ihre Flüchtlingspolitik, die das Land und die Union spaltete. CDU und CSU standen kurz vor der Trennung. Davon ist heute nicht mehr die Rede. Ihr eifrigster Schüler ist in der Coronakrise ausgerechnet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der in der Flüchtlingspolitik dem liberalen Kurs Merkels wenig abgewinnen konnte.

Unvergessen ist, wie der CSU-Chef die Kanzlerin auf Herrenchiemsee wörtlich hofierte und mit ihr in einer Kutsche vorfuhr. Der Kanzlerin bereitet es stilles Vergnügen, dass sich ihre größten Kritiker, zu denen auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gehörte, mittlerweile im Merkel-Stil üben.

Merkel gibt die entscheidenden Linien vor

Es gibt die alte politische Weisheit, dass die wichtigsten Entscheidungen in Gremien getroffen werden, die es gar nicht gibt. Die Treffen mit den Ministerpräsidenten seit dem Ausbruch der Coronakrise sind inzwischen Merkels bevorzugtes Format, um zu regieren. Verfassungsrechtler kommen da fast ins Schwitzen, wie man dieses Entscheidungsgremium vorbei an allen Parlamenten begründet.

Aber auf Merkel ist das wie zugeschnitten. Sie hat zwar bittere Niederlagen einstecken müssen, weil die Länderchefs immer mal wieder auf ihre Rechte pochten. Doch zum Schluss gab Merkel die entscheidenden Linien vor. Sie war es, die immer wieder auf einen harten Kurs drängte. Seit Mittwoch befindet sich Deutschland im Lockdown.

Während sich Deutschland lange Zeit als Vorbild Europas sah, bekommt dieses Image jedoch tiefe Risse. Fast tausend Tote am Mittwoch dürften in der Bevölkerung weitere Emotionen hervorrufen. Der Kanzlerin ist das bewusst. Sie weiß, am Ende machen die Deutschen den Regierungschef dafür verantwortlich. In einer fast historischen Rede zum Haushalt jüngst im Bundestag flehte sie die Bürger geradezu an, sich an die Corona-Regeln zu halten.

„Bis Weihnachten sind es noch 14 Tage genau von heute – 14 Tage!“, rief sie den Abgeordneten zu. Man hatte aber den Eindruck, sie sprach nicht zu den Parlamentariern. Die Kanzlerin wandte sich direkt an das Volk. Merkel weiß: Wenn am Ende über ihr Krisenmanagement geurteilt wird, braucht sie den Menschen nicht mit Verfassungsgefüge oder Föderalismus zu kommen.