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Der Anfang von Merkels Ende ist da

Die Bundeskanzlerin hat eine große Niederlage erlitten. Das ist eine gute Nachricht. Denn nun bietet sich die Chance einer Wiederbelebung des politischen Betriebes.

Die Deutschen erleben nach zwölf langen Regierungsjahren noch einmal ihre Bundeskanzlerin im Krisenmodus. Vielleicht zum letzten Mal. Wie sie mit gewichtiger Miene, zur Raute geformten Händen und ungelenken Worten die Lage (v)erklärt: Laut Merkel ist der Tag des Scheiterns der Sondierungen „ein Tag mindestens des tiefen Nachdenkens in Deutschland, wie es weitergeht in Deutschland“.

Dieser Satz ist merkelianisch durch und durch, da er nichts preisgibt über die Sprechende. Merkelianisch, weil er sie selbst aus jeder Diskussion ausklammert, jegliche eigene Positionierung vermeidet. Merkels kommunikative Meisterschaft besteht darin, den politischen Diskurs nicht zu führen, sondern zu verhindern, ihn einzukleistern in einer Mischung aus Unverständlichkeit und Banalität.

Sie sagt nicht: Ich werde nachdenken. Sie impliziert damit, dass es nicht an ihr ist, nachzudenken (und daraus Konsequenzen zu ziehen), sondern an den anderen. Über sich selbst sagt sie dagegen, dass sie als „geschäftsführende Bundeskanzlerin alles tun“ werde, „dass dieses Land auch durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird.“

Vor Wochen schon hatte über die Jamaika-Koalition gesagt: „Ich will das“. Und nun bekommt sie ihren Willen nicht. Nicht nur Jamaika ist gescheitert. Die Bundeskanzlerin ist gescheitert. Eigentlich müsste mit der vergangenen Nacht die Ära Merkel ihr Ende erreicht haben.

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Eigentlich, ja eigentlich. Aber Merkels Macht beruht auf der CDU. Auf einer Partei, die sich in einer historisch einzigartigen Übergangssituation befindet: Noch mächtig, aber leblos. Die Stellung der CDU als größte und damit Kanzlerpartei ist nicht mehr in deren politischen Positionen begründet, sondern nur noch eine historische Reminiszenz. Ihre Wähler haben noch nicht realisiert, dass sie eine untote Partei gewählt haben.

Seit der Gründung, die mit der Auferstehung des (zunächst nur west-)deutschen Nachkriegsstaates verknüpft war, empfand die CDU das Regieren als ihre ureigene Zuständigkeit. Als Sammlungsbewegung („Union“) verschiedener christlich-sozialer, wirtschaftsliberaler und nationalkonservativer Kräfte war sie dazu prädestiniert.


CDU: Außen imposant, innen morsch?

Parteien sterben wie alte Bäume von innen. Äußerlich erscheint die CDU noch imposant, aber im Innern ist sie völlig morsch. Sowohl personell als auch inhaltlich fehlt der Partei jegliche Vitalität – zumindest in der Kaste ihrer Berufspolitiker. Die zaghaften Versuche innerparteilicher Revolten im Herbst 2015 scheiterten letztlich mit der erbärmlichen Feststellung, dass es niemanden gäbe, der Merkel ersetzen könne. Ohne Merkel und die mit ihr einhergehende Macht fürchten die CDU-Granden den völligen Zusammenbruch. Diese Furcht vor dem Nichts – oder besser: vor dem Offenbarwerden des Nichts – hält Merkel an der Parteispitze und damit im Kanzleramt.

Merkel hat diesen inneren Vitalitätsverlust wenn nicht herbeigeführt, so jedoch zumindest verstärkt. In der DDR-Komödie „Sonnenallee“ rechtfertigt in einer tragikomischen Szene ein junger Mann seinen SED-Beitritt gegenüber den entsetzten Freuden: Er gehe jetzt „rinn in die Organisation“, und werde sie „von innen aushöhlen“. Merkel hat das in 17 Jahren als Parteivorsitzende mustergültig vorexerziert. Ihre Taktik beruhte und beruht weiterhin darauf, politische Vitalität, also starke Positionen und starke Persönlichkeiten, in der Partei zu ersticken. Durch beharrliches Aussortieren kritischer und machthungriger Konkurrenten, durch Verhinderung von Diskursen, durch kommunikative Konstruktion von Alternativlosigkeit.

Zuletzt gelang ihr das noch einmal, indem sie die geforderte offene Analyse der Verluste bei den Bundestagswahlen geschickt verzögerte. Schließlich wurde die geplante Vorstands-Klausur am vergangenen Wochenende dann abgesagt - wegen der sich länger als geplant hinziehenden Sondierungsgespräche. Sprechen sollten auf der Klausur übrigens zwei erklärte Anhänger Merkels: Der Historiker Paul Nolte und der Nachhaltigkeitsforscher Ortwin Renn.

Dennoch: Viel spricht dafür, dass diese Methode nicht mehr lange funktionieren wird. Egal, ob es nun zu Neuwahlen oder einer Minderheitsregierung kommen wird: Merkel kann das Heft immer weniger fest in der Hand halten. Wie und wann sie es endgültig fallen lassen muss, ist offen. Aber allzu lange wird es nicht mehr dauern.

Die gescheiterten Sondierungen haben gezeigt, dass es nach 17 Jahren merkelscher Alternativlosigkeit durchaus noch streitlustige, positionsstarke Politiker gibt. Das ist gut so. Das „Scheitern“ von Jamaika ist daher keine schlechte, sondern eine gute Nachricht. Für Merkels Machtsystem ist es der Anfang vom Ende, für Deutschland, seinen politischen Betrieb und nicht zuletzt die CDU ist es die Chance einer Revitalisierung.