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„Nicht den anderen das Feld überlassen“ – Das plant die CDU zur künstlichen Intelligenz

Die CDU-Politiker trafen sich am Mittwochnachmittag vertraulich in der saarländischen Landesvertretung. Keine Geringere als Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer war dabei, dazu Parteivize Thomas Strobl aus Baden-Württemberg und Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz. Tobias Hans, für Kramp-Karrenbauer inzwischen Ministerpräsident des Saarlands, sowie die drei Landesgruppenchefs der Unionsfraktion im Bundestag, Andreas Jung, Patrick Schnieder und Nadine Schön, waren auch dabei.

Gemeinsam wollten sie ihr politisches Gewicht bündeln, damit das geplante deutsch-französische Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (KI) im Südwesten der Republik angesiedelt wird und mit ihm Personal und viele Forschungsmilliarden.

Seit die Große Koalition in Berlin regiert, buhlen etliche Bundesländer um den Zuschlag für das geplante Forschungszentrum. Kramp-Karrenbauer hatte die Idee für das Zentrum in die Koalitionsverhandlungen eingebracht. Nun ist sie Teil des Plans, Europa als „Innovationsmotor“ neu zu entdecken und im Bereich der künstlichen Intelligenz weltweit an die Spitze zu bringen.

Im Wettbewerb mit China und den USA wollen Deutschland und Europa nicht den Anschluss verlieren. Das Projekt soll eine Qualität wie einst die Gründung des gemeinsamen Flugzeugbauers Airbus haben. Bis zum Herbst will die deutsche Regierung einen Masterplan erstellen, wollen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron in einem neuen Élysée-Vertrag die deutsch-französische Freundschaft mit einem gemeinsamen Programm zur künstlichen Intelligenz neu beleben.

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Kein Wunder, dass alle dabei sein wollen. Schließlich geht es um viel: Allein China will bis 2025 mehr als 50 Milliarden Euro in die KI-Forschung investieren und einen Gewerbepark mit Milliarden aufbauen, der Unternehmen aus aller Welt anlocken soll. Das Internet der Dinge, bei dem Maschinen wie Autos und Roboter untereinander kommunizieren, gilt als die Zukunftsfrage schlechthin.

Zunächst hatte sich Kramp-Karrenbauer für Saarbrücken als Standort des neuen Zentrums eingesetzt. Dann aber warb Baden-Württemberg für sich, später kamen Sachsen und Sachsen-Anhalt hinzu, auch Bayern soll Interesse angemeldet haben. „Wenn es weitere zwei Jahre Streit gäbe, wäre Deutschland kein guter Partner für Frankreich“, mahnt der baden-württembergische Digitalminister Strobl. Saarlands Landesvater Hans warnt: „Wir laufen Gefahr, uns im regionalen Kampf um Fördermittel zu verlieren.“

Also kam der Gedanke auf, gemeinsam die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen. Das „Südwest-Bündnis“ wirbt für ein „deutsch-französisches Zukunftswerk“, wie es der baden-württembergische Landesgruppenchef Andreas Jung nennt. Ein „grenzüberschreitendes Netzwerk“ soll es werden.

Der Netzwerkgedanke kommt nicht von ungefähr. Zum einen grenzen die Länder an Frankreich. Darüber hinaus existiert in Saarbrücken bereits das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Seit 1988 besteht die öffentlich-private Partnerschaft. Sie gilt weltweit als der größte Forschungsverbund für künstliche Intelligenz und wird auch vom Bund unterstützt.

Obendrein sind Unternehmen wie BMW, Bosch, SAP und Telekom, aber auch Google, Intel und Microsoft mit an Bord – ebenso Airbus. Am DFKI ist nicht nur das Saarland beteiligt, sondern auch Rheinland-Pfalz und Bremen, wo es auch Standorte gibt. Weitere Partner des DFKI sind Forschungseinrichtungen wie Fraunhofer und Universitäten wie Bremen. Für die Spitzenpolitiker der Union ist es die Blaupause für die deutsch-französische Kooperation, zumal auch Macron einen Investitionsfonds mit staatlichem und privatem Kapital auflegen will.

„Das DFKI ist eine echte Hausnummer“, sagt Saarlands Ministerpräsident Hans. Es sei unnötig, das Rad neu zu erfinden. „Es gibt bereits Strukturen.“ Die Beteiligung von Google und anderen amerikanischen Anbietern sei indes kein Problem, schließlich solle Grundlagenforschung betrieben werden.

Baden-Württemberg gehört zwar noch nicht zum DFKI-Netzwerk. Das Land kann aber auf das Max-Planck-Institut für intelligente Systeme in Stuttgart verweisen. „Cyber Valley“ nennen sie sich dort. Hinzu kommen Forschungsverbünde in Karlsruhe und Freiburg sowie zahlreiche innovative Unternehmen bis hin zu den Autobauern und deren Zulieferern, die vor einem gewaltigen Wandel hin zu autonom fahrenden, also selbst lernenden Autos stehen.

„Wir wollen auch in der digitalen Welt stark und führend mit dabei sein“, begründet Strobl den neuen Netzwerkgedanken. „Ich glaube, dass wir mit der Bündelung von drei Ländern und dem Bund eine starke Position haben.“ Er spricht vom „institutionellen Masterplan“. Parteivize Klöckner lobt die Initiative und sagt, Rheinland-Pfalz könne „überzeugend mit dem Pfund DFKI Kaiserslautern wuchern“. Die Allianz steht.

Ob die Initiative der CDU-Spitzenpolitiker am Ende auch die Kanzlerin und Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) überzeugen wird? Die CSU meldet Ansprüche für Bayern an: „Bayern muss an der Spitze des Fortschritts bleiben“, sagte Ministerpräsident Markus Söder dem Handelsblatt. „Künstliche Intelligenz ist eine absolute Schlüsseltechnologie der Zukunft. Bayern ist hier als Standort für das neue deutsch-französische Zentrum bestens geeignet.“ Ohnehin solle ein Kompetenznetzwerk „Künstliche maschinelle Intelligenz“, bestehend aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten gegründet werden. „Das Zusammenspiel unseres Netzwerks mit dem deutsch-französischen Zentrum kann Synergien wecken und so den technologischen Fortschritt beschleunigen“, so Söder.

„Das Feld nicht den Chinesen und Amerikanern überlassen“

Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat seinerseits Sympathie für die ostdeutschen Länder bekundet. In Dresden etwa gibt es wie im Südwesten eine starke Forschungslandschaft und obendrein mit Infineon ein Unternehmen, das künstliche Intelligenz erforscht. Auch Sachsen-Anhalt zeigt großes Interesse, zumal mit dem Bund mit der Wiedervereinigung verabredet wurde, dass Bundesinstitutionen bevorzugt im Osten angesiedelt werden sollen, um den Regionen beim Aufschwung zu helfen.

So verweist Ministerpräsident Reiner Haseloff auf die Ansiedlung des französischen Mineralölkonzerns Total in Mitteldeutschland als „deutsch-französische Erfolgsgeschichte“. Die Initiative von François Mitterrand und Helmut Kohl habe auch zur Verbindung beider Länder beigetragen. Sie könne mit der Ansiedlung des Forschungszentrums in Mitteldeutschland vertieft werden. „Der Verbund der Universitäten Halle, Leipzig und Jena wäre dafür prädestiniert.“

„Es dürfte kein Problem sein, später noch andere in das Netzwerk einzubeziehen“, beschwichtigt Saarlands Ministerpräsident Hans. Es gehe nicht um geografische Fragen, sondern um Exzellenzen. „Da kommt man am DFKI nicht vorbei“, sagt er und mahnt: „Wir dürfen das Feld nicht den Chinesen und Amerikanern überlassen.“ Auch der Baden-Württemberger Strobl zeigt sich kompromissbereit, das Netzwerk bundesweit auszubauen. „Aber den Nukleus sollten wir bei den Südwestländern und dem Bund sehen.“

Das alles muss ohnehin mit Frankreich besprochen werden, ebenso die inhaltliche Ausrichtung des europäischen Projekts. Vergangene Woche gab es dazu im Kanzleramt eine vertrauliche Runde, zu der Kanzlerin Merkel Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft eingeladen hatte. Kanzleramtschef Helge Braun war dabei, ebenso Digital-Staatsministerin Dorothee Bär sowie die Bundesminister für Arbeit, Forschung, Verkehr und Wirtschaft.

Der Gesundheits- und der Innenminister sowie die Verteidigungsministerin fehlten in der rund 40-köpfigen Runde. Gemeinsam sollen sie aber dem federführenden Forschungsministerium Vorschläge für Anwendungs- und Forschungsbereiche schicken, die dann in den inhaltlichen Masterplan münden sollen. Das Vorhaben hat höchste Priorität innerhalb der Bundesregierung.

Erste Hinweise, was in einem Masterplan stehen sollte, gaben die Unternehmer, etwa Vertreter von SAP und BMW. Sie warben nach Angaben von Teilnehmern vor allem für eines: bessere Standortbedingungen. BMW etwa habe angekündigt, künstliche Intelligenz in seinen Fahrzeugen vermehrt in China zu testen, da es dort einfacher sei.

Zwar gibt es auch in Deutschland längst viele Teststrecken und -gebiete. Aber Hinweise wie von BMW alarmieren die Regierung. Auch solle es schnellere Maschinen zur Datenverarbeitung geben und einen besseren Transfer von Erkenntnissen der Wissenschaft in Produkte.

Auf jeden Fall wird es mehr Geld geben. Nach eigenem Bekunden hat die Bundesregierung in den vergangenen 30 Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Förderung von Kooperationen von Wissenschaft und Wirtschaft zur Erforschung künstlicher Intelligenz gesteckt. Aktuell laufen mehrjährige Programme über knapp 230 Millionen Euro. Kanzlerin Merkel habe zugesagt, mehr in die Erforschung künstlicher Intelligenz zu investieren, hieß es nach der Sitzung im Kanzleramt. Damit rechnen auch die Bundesländer.

Schlaue Programme

Die Möglichkeiten, die durch künstliche Intelligenz (KI) entstehen, scheinen schier grenzenlos: Programme, die Millionen Röntgenaufnahmen sichten, vergleichen und Ärzte auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam machen können, die sie selbst vielleicht nie gesehen hätten. Synchron perfekt übersetzende Sprachprogramme. Roboter, die auf Befehl ihres Besitzers Türen öffnen. All das ist oder wird derzeit möglich, weil Computer und Roboter immer besser darin werden, selbstständig auch komplexere Dinge zu lernen. Die Systeme können sogar so trainiert werden, dass sie am Ende selbstständig Entscheidungen treffen können.

Ein Einsatzbereich für KI ist die Auswertung von Daten. Bereits im Jahr 2016, schätzt das amerikanische Beratungsunternehmen IDC, wurden 16,1 Zettabyte Daten produziert. Das entspricht 16,1 Billionen Gigabyte. 2025 sollen es etwa zehnmal so viel sein. Diese Daten können als Grundlage für neue Geschäftsmodelle oder Forschungsprojekte dienen. Kein Mensch könnte sie jemals auswerten, Computer aber schon. Sie können darauf trainiert werden, Daten sinnvoll zusammenzufügen.

Künstliche Intelligenz oder Maschinelles Lernen kann nicht nur das Leben der Menschen verbessern, sondern hat auch ein riesiges wirtschaftliches Potenzial. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Pwc kommt zu dem Schluss, dass bis zum Jahr 2030 das deutsche Bruttoinlandsprodukt allein wegen KI um 11,3 Prozent steigen wird. Das entspreche einer Summe von rund 430 Milliarden Euro. Der Anteil der Branchen, in denen starke Produktivitätssteigerungen durch KI möglich sind, sei in Deutschland überdurchschnittlich hoch.

China und die USA laufen Deutschland jedoch derzeit den Rang ab bei der Forschung zur künstlichen Intelligenz. Laut einer Analyse der japanischen Finanzzeitung „Nikkei“ und dem Wissenschaftsverlag „Elsevier“ befindet sich unter den 15 besten Forschungseinrichtungen im Feld der künstlichen Intelligenz gerade einmal eine europäische Einrichtung: das französische Centre national de la recherche scientifique.

Bisher hat die Bundesregierung für die Förderung der Forschung wenig Geld ausgeben. Für KI-bezogene Fördermaßnahmen wurden in den vergangenen 30 Jahren insgesamt rund 500 Millionen Euro aufgewandt, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht vor allem beim Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis ein Problem. Tatsächlich ist die Zahl der Unternehmensgründungen im Bereich KI in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen.