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AMS strebt neben Osram-Deal weitere Übernahmen an

Der Soli wurde als Sondersteuer für den Aufbau Ostdeutschlands eingeführt. Foto: dpa

Der Österreichische Sensorik-Konzern will sich durch Zukäufe einen Innovationssprung verschaffen – und hat bei der Osram-Übernahme keinen Zeitdruck.

Von Ferne sieht der Sitz des österreichischen Sensorik-Konzerns AMS wie ein Fünf-Sterne-Hotel aus. Im schönsten Habsburger Gelb strahlt das vierflügelige Barock-Schloss, das sogar eine konzerneigene, zweigeschossige Kapelle beherbergt. In dem einstigen Herrschaftssitz wird aber nicht relaxt oder gebetet: Der börsennotierte Halbleiter-Konzern AMS arbeitet hier ehrgeizige Zukunftspläne aus.

Der Halbleiter-Hersteller will für 4,6 Milliarden Euro den deutlich größeren Konkurrenten Osram übernehmen. Sowohl der Vorstand, als auch der Aufsichtsrat von Osram haben erst am Dienstag angekündigt, den Aktionären zu empfehlen, das Angebot der Österreicher von 41 Euro pro Aktie anzunehmen. Dagegen hatte sich der Osram-Vorstand lange Zeit gewehrt.

Als „unabhängige Monitorin“ soll die frühere Siemens-Personalvorständin und ehemalige sozialdemokratische Politikerin Brigitte Ederer die Fusion überwachen. AMS hat versprochen, bis Ende 2022 keine Beschäftigten an den deutschen Standorten zu kündigen. Zudem gesteht der Konzern der IG Metall einen zusätzlichen Sitz im Aufsichtsrat des fusionierten Unternehmens zu. AMS hält bereits heute knapp 20 Prozent der Osram-Aktien.

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Alle Räume in der AMS-Zentrale sind nach chemischen Elementen benannt. Über eine Galerie gelangt CEO Alexander Everke in das ultramoderne Konferenzzentrum des Konzerns: der Raum Silicium. Der Vorstandschef mit goldener Krawatte und farblich passendem Einstecktuch ist mit enormem Ehrgeiz ausgestattet.

Everke will – unabhängig vom Milliarden-Geschäft in München – weitere Firmen aus der Halbleiterbranche kaufen. „Wir werden uns auch weiterhin Firmen anschauen und kaufen“, sagt Everke. „Wir wollen den Champion der Sensorik mit Sitz in Europa mit Sitz in Deutschland und Österreich schaffen.“

AMS kauft Technologie, nicht Umsatz

Die nachlassende Weltkonjunktur und der Abschwung in der Automobilindustrie kann den Appetit von AMS auf weitere Akquisitionen nicht stoppen. „Wir kaufen nicht Umsatz, sondern Technologie“, sagt der CEO. Denn mit neuen Innovationen lassen sich noch mehr Produkte an Kunden wie Smartphone-Hersteller oder Autokonzerne verkaufen.

Mittelfristig konzentriere sich AMS nach einer Osram-Übernahme auf die Mobilkommunikation und die Mobilitätsbranche. Der Optimismus in der Führungsmannschaft ist groß „Es kommen neue Sensoren ins Auto. Dadurch können wir selbst in einem saturierten Markt wachsen“, erklärt Chris Feige, Executive Vice President für automative Lösungen.

AMS setze bei seinen Hochtechnologie-Produkten beispielsweise auf Park- und Crashassistenten, bis hin zum autonomen Fahren. Die Übernahme von Osram ist bereits ein entscheidender Schritt für die Produkttiefe – beispielsweise bei Fahrerinformationssytemen und Sensoren für den Innenbereich im Auto. „Mit Osram bekommen wir einen ganz anderen Zugang im Automotive-Geschäft“, ist sich Feige sicher.

Die Ankündigung Everkes, weiter zuzukaufen, wurde auch skeptisch aufgenommen. „Wo soll das Geld dafür herkommen?“, heißt es etwa in Industriekreisen. Der neue Konzern, sofern der Deal gelingt, werde ohnehin mit der Bürde eines hohen Schuldenbergs starten. Außerdem seien in der Branche die Bewertungen hoch. Bevor die Banken AMS weitere Kredite bereitstellen, gelte es, die Verbindlichkeiten zu verringern.

Von der zuletzt defizitären Osram habe AMS wenig Unterstützung zu erwarten: Der Lichtkonzern hatte zuletzt enttäuschende Zahlen vorgelegt. Die Erlöse brachen im Geschäftsjahr 2018/19 vor allem wegen der Krise in der Autoindustrie um mehr als 13 Prozent auf knapp 3,5 Milliarden Euro ein. Der Verlust belief sich am Ende auf 343 Millionen Euro.

Die Hightech-Produkte von AMS haben viele Anwendungsgebiete. Ein Wachstumsmarkt ist beispielsweise die Gesichtserkennung per Smartphone. Zu den strategischen Zielen gehört es, die bisherige Abhängigkeit vom bisher größten Kunden Apple zu verringern. „Nach der Übernahme wird die Abhängigkeit geringer werden. Wir sind im Android-Markt stark unterwegs. Wir haben gezeigt, dass wir uns auch im Mobilfunkgeschäft diversifizieren“, sagt COO Thomas Stockmeier. Mittelfristig setzen die Österreicher auf Mobilkommunikation und die Mobilitätsbranche.

„Wir wollen zusammen mit Osram den Wertanteil im Auto erhöhen. Selbst in einem gesättigten Markt können wir so wachsen“, sagt Stockmeier, der das operative Geschäft von AMS verantwortet. „Mit unserer Strategie sind wir weniger anfällig gegenüber der Konjunktur als unsere Kunden.“ Innerhalb von zwei bis drei Jahren will AMS nach der Übernahme von Osram auch im Automobilsektor wieder wachsen.

Unternehmenssitz bleibt in Premstätten

Es sind nur wenige Schritte, die den Vorstand von der Produktion im Hauptquartier Premstätten trennen. Über eine weitere Brücke aus Glas geht es in einen Industriebau aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Hinter einer Schleuse suchen Mitarbeiter in weißen Schutzanzügen mit Masken ihren Weg durch die Gänge des mit Technik vollgestopften Saals.

Unter erhöhtem Luftdruck werden hier kreisrunde Wafer rund um die Uhr hergestellt. Wafer sind nur wenige Millimeter dicke Schreiben, die beispielsweise für integrierte Schaltkreise gebraucht werden. Die mikromechanischen Bauelemente aus Silicium sind der ganze Stolz der AMS. Eine gewaltige Wand am Eingang der Betriebskantine dekorierte der Architekt mit dem Herzstück des Sensorik-Konzerns.

COO Thomas Stockmeier ist stolz auf die jährlich 200 Erfindungsmeldungen. „Innovation ist für uns der Schlüssel zum Erfolg. Wir müssen vormachen und nicht nachmachen“, sagt die rechte Hand von Everke. AMS beschäftigt derzeit insgesamt 1200 Ingenieure. „Wir müssen uns ständig neue Marktfenster aufmachen. Wir stellen nur Produkte her, bei denen wir glauben, dass wir einen Innovationsvorteil haben.“

Als Beispiel nennt er die nichtinvasive Blutzuckermessung für Diabetiker. „Der Markt dafür ist enorm“, frohlockt Stockmeier. Dem COO ist angesichts der geplanten Osram-Übernahme nicht bange. AMS sei es gewohnt, übernommene Firmen schnell zu integrieren und mit ihren Produkten neu auszurichten. „Wir können uns sehr schnell dem Marktbedürfnissen anpassen“, ist Stockmeier überzeugt.

„Zusammen mit Osram können wir großartige Produkte bauen.“ Der Manager aus Franken glaubt, dass die unterschiedlichen Unternehmenskulturen in Österreich und Deutschland schnell verschmelzen werden. „Auf der Arbeitsebene entsteht sehr schnell das Gefühl der Zusammenarbeit. Das ist meine Erfahrung aus den bisherigen Übernahmen. Es gibt eine Neugier bei uns und bei Osram“, sagt Stockmeier.

Und CEO Everke ergänzt: „Wir haben keinen Zeitdruck“. Die Synergien, auf die AMS hofft, würden bei 300 Millionen Euro liegen. „Uns geht es nicht darum, dass alles im Jahr eins oder zwei passiert.“ Wie das fusionierte Unternehmen heißen soll, lässt Everke unterdessen offen. Dass AMS für Osram eine halbe Milliarde tiefer in die Tasche greifen muss als bislang geplant, treibt Everke keine Sorgenfalten ins Gesicht.

„Es gibt nichts, was wir bereuen müssen“, sagt der in München lebende CEO. „Wir sind sehr zufrieden, was wir finanziell erreicht haben.“ In München gibt es allerdings noch viel Skepsis. Die Zusagen von AMS seien „windelweich“, heißt es in Aufsichtsratskreisen auf der Arbeitnehmerseite.

Über die Einhaltung aller Versprechen muss nun Brigitte Ederer wachen. Laut Verhandlungskreisen vertrauen auch die Arbeitnehmer der neuen Mittlerin. Als Ederer noch Personalvorstand bei Siemens war, hatte es Zwistigkeiten mit der IG Metall gegeben. Sitz des fusionierten Unternehmens wird laut Everke aus steuerlichen Gründen Premstätten in Österreich bleiben. Das ist eine gute Nachricht für die Regierung in Wien.

Derzeit verhandeln die konservative ÖVP und die Grünen über die Bildung einer Koalition unter dem früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Beide Parteien wollen Forschung und Entwicklung noch stärker fördern. Die ÖVP verspricht niedrigere Steuern für Unternehmen in der Alpenrepublik.