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Warum Amazon trotz 100.000 Robotern nicht auf Handarbeit verzichten kann

Sie schleppen lautlos Regale durch den Raum, kreuz und quer, mal schneller, mal langsamer, aber nie in Kurven; stets ändern die Maschinen ihren Weg im rechten Winkel. Etwa 100.000 dieser Roboter gleiten inzwischen durch die Logistikzentren von Amazon.

Bislang sind Menschen von Regal zu Regal geeilt, um all das einzusammeln, was die Kunden auf der Webseite des US-Konzerns ordern. Nun bringen immer häufiger elektrische Helfer die Regale zu den Mitarbeitern. Ein menschenleeres Lager sei trotzdem nicht zu erwarten, beteuert Robert Marhan: „Es wird immer eine Kombination aus Menschen und Maschine geben“, sagte der Personalchef für die europäischen Logistikzentren dem Handelsblatt.

Mehr noch: Die Beschäftigten müssten sich trotz der stetig steigenden Zahl von Maschinen keine Sorgen um ihre Jobs machen. „Roboter haben keine Mitarbeiter ersetzt“, beteuerte der Manager. Amazon habe in den vergangenen Jahren 300.000 neue Stellen geschaffen.

Marhan: „Mitunter sorgen Roboter an der einen Stelle sogar dafür, dass an einer anderen mehr Leute gebraucht werden.“ Das sei zum Beispiel der Fall, wenn die Roboter sehr schnell arbeiten. Im darauffolgenden, nicht automatisierten Arbeitsschritt sei dann zusätzliches Personal erforderlich.

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Amazon betreibt eigenen Angaben zufolge 40 Logistikzentren in Europa, zwölf davon in Deutschland. 13.000 festangestellte Mitarbeiter verschicken hierzulande die Pakete. 1000 Stellen seien vergangenes Jahr dazu gekommen.

Das Unternehmen wächst rasant, 2018 ist der Umsatz um fast ein Drittel auf 233 Milliarden Dollar (207 Milliarden Euro) in die Höhe geschossen. Der Gewinn hat sich auf zehn Milliarden Dollar mehr als verdreifacht. Die Zahlen zum ersten Quartal legt CEO Jeff Bezos am Donnerstag vor.

Wegen des großen Personalbedarfs bemüht sich Amazon darum, als vorbildlicher Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. „Wir können es uns auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt gar nicht leisten, die Leute schlecht zu behandeln“, unterstrich Marhan. Daher ist es dem Manager wichtig, die Grenzen der Automatisierung aufzuzeigen. Schließlich will er den Leuten Sicherheit vermitteln.

Das ist auch nötig, das Bild in der Öffentlichkeit ist getrübt. Mit der Gewerkschaft Verdi liegen die Amerikaner seit Jahren im Clinch. Immer wieder hat Amazon in Deutschland mit Streiks zu kämpfen. Auch vor Ostern hatte die Gewerkschaft zum Ausstand an verschiedenen Standorten aufgerufen.

Hetze und Kontrolle

Verdi setzt sich für einen Tarifvertrag bei dem Versandhaus ein, Amazon lehnt das ab. Offenbar kann sich der US-Konzern die harte Linie leisten. Die Mehrheit der Leute komme zur Arbeit, hieß es vor Ostern, und deshalb werde pünktlich geliefert.

Die Beschäftigten wollten mit den Streiks „auch die Willkür eines Handelsunternehmens beenden, das seine Beschäftigten mit Arbeitshetze und umfassenden Kontrollen unter Druck setzt“, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Sie fügte hinzu: „Tarifverträge sind ein Zeichen für Respekt und Anerkennung der Arbeit.“

Amazon beteuert, die Beschäftigten auch ohne Tarifvertrag ordentlich zu bezahlen. In Deutschland begännen die Mitarbeiter mit einem Bruttostundenlohn von mindestens 10,78 Euro. Nach 24 Monaten seien es im Schnitt 2397 Euro brutto im Monat.

Das Unternehmen will jeden Eindruck vermeiden, dass es als Reaktion auf den Arbeitskampf stärker automatisiere. Die Leute bräuchten keinerlei Angst um ihre Jobs zu haben. „Solche Sorgen sind nur natürlich, und wir müssen sie ernst nehmen. Aber sie sind unbegründet“, betonte Personalchef Marhan.

Mehr Ware, weniger Fläche

Vor sieben Jahren hielten die ersten Roboter Einzug in den Hallen von Amazon. Durch die Geräte will die Firma eigenen Angaben zufolge schneller, günstiger und zuverlässiger liefern, außerdem lasse sich auf derselben Fläche wesentlich mehr Ware unterbringen. Das ist ein enormer Vorteil, denn in vielen Ländern tobt ein Kampf um die Grundstücke.

Die quadratischen Regale in den Roboter-Lagern stehen dicht gedrängt, Gänge für die Mitarbeiter werden nicht mehr benötigt. Die orange-schwarzen Roboter fahren einfach unter die gut zwei Meter hohen Regale, heben sie an. Anschließend geht es im Eiltempo zu den Leuten am Rand des Lagers. Die Arbeiter nehmen die bestellten Produkte heraus, reichen sie an jene Kollegen weiter, die dann die Pakete schnüren.

Die Transportmaschinen kommen nicht viel anders daher als Mähroboter für den heimischen Rasen. Doch sie haben mehr Power und können gut 300 Kilo schultern. Mehr noch: statt riesiger, hoher Hallen lassen sich die Regale jetzt in vergleichsweise niedrigen Räumen anordnen. So lagert Amazon die Artikel auf mehreren Stockwerken und kann dadurch eine größere Auswahl vorhalten.

Der Konzern nutzt die Maschinen hauptsächlich an neuen Standorten, bestehende Lager werden selten aufgerüstet. Der Konzern verlässt sich auf Technik, die er sich durch die Übernahme des Roboterherstellers Kiva ins Haus geholt hat. Auch die Software entwickelt Amazon selbst.

Gewaltiges Kurspotenzial

Der US-Handelsriese ist allerdings weit davon entfernt, den gesamten Versand zu automatisieren. So sind die Regale für die Roboter nur mit handlicher Ware bestückt. Wenn es sperrig wird, müssen nach wie vor die Mitarbeiter ran. Zusätzlich kommen etwa 30 Roboter mit Hebearmen weltweit zum Einsatz, um Kisten zu stapeln.

Analysten sehen Amazon ausgesprochen positiv. Die Investmentbank Jefferies rechnet damit, dass sich der Aktienkurs in den nächsten zwei Jahren auf mehr als 3000 Dollar fast verdoppelt. Dabei ist der Kurs in den vergangenen zehn Jahren schon von 80 auf derzeit mehr als 1800 Dollar in die Höhe geschossen.

Allerdings ist es weniger der angestammte Versandhandel, der die Experten entzückt. Die Banker glauben vielmehr, dass in der IT-Sparte Amazon Web Services viel Potenzial steckt, sowie in Werbung auf den Internet-Seiten des Konzerns und auch im Amazon-Marktplatz, also dem Angebot für fremde Händler.

In Deutschland und vielen anderen westlichen Ländern ist Amazon ausgesprochen erfolgreich, die Firma expandiert und stellt ein. Das ist aber nicht selbstverständlich, in China etwa sieht es ganz anderes aus. Dort sind einheimische Online-Händler wie Alibaba und JD.com dominierend. Die Konkurrenten sind so stark, dass die Amerikaner sich jetzt sogar teilweise aus dem Geschäft in der Volksrepublik zurückziehen.

Vor Ostern teilte der Konzern mit, Kunden in China könnten über Amazon keine Waren von Drittanbietern mehr beziehen. „Sie geben auf, weil das Geschäft nicht rentabel ist und nicht wächst“,so Analyst Michael Pachter von Wedbush Securities.

In Deutschland geht es dagegen weiter aufwärts. Gerade baut Amazon in Pforzheim ein zusätzliches Hochregal-Lager. Von dort aus verschickt der Konzern große Artikel wie Fernseher oder Grills. 500 Mitarbeiter werden derzeit geschult.