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Wie Amazon mit seinem Marktplatz klassische Händler vor sich hertreibt

Um mit Amazon konkurrieren zu können, bauen viele Unternehmen ihren Webshop in einen Marktplatz um. Doch sie unterschätzen dabei häufig, wie anspruchsvoll das ist.

Die Excel-Tabelle hat bei Otto noch immer nicht ausgedient. Zwar arbeitet der Versandhändler seit Jahren daran, nach dem Vorbild von Amazon zum digitalen Marktplatz zu werden – doch noch immer müssen etliche Händler und Marken, die Waren über Otto.de verkaufen wollen, Preislisten und Angebote per Tabelle einreichen.

Die Plattformpläne hatten hohe Erwartungen geweckt. Bereits im April 2018 zeigten die Otto-Manager bei einer Art Hausmesse interessierten Marken, wie das Portal „Brand Connect“ aussehen soll, auf dem die Drittanbieter Produkte selbst einstellen können, so einfach wie bei Amazon. Während die Otto-Gruppe in der Elbphilharmonie den 70. Geburtstag ihres Beiratschefs Michael Otto feierte, zeigte Otto.de auf dem Firmencampus, wie sie sich die Zukunft des Handels vorstellt.

Damit baut Otto genau wie Amazon sein Handelsgeschäft auf zwei Säulen auf. Zum einen verkaufen die Hamburger selbst. Zum anderen bieten sie anderen Händlern und besonders auch Markenherstellern die Möglichkeit, Otto.de als Marktplatz für eigene Verkäufe zu nutzen.

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Doch einen konkreten Starttermin für das Herzstück der Marktplatz-Strategie blieben die Otto-Leute damals schuldig. Später hieß es, bis Ende 2019 solle die Software stehen, wie Otto-Chef Alexander Birken im Handelsblatt-Interview jüngst bestätigte. Die Software ist zentral, damit Händler schnell neue Produkte einstellen und Preise anpassen können.

Tatsächlich läuft „Brand Connect“ inzwischen – allerdings nur für einen ausgewählten Kreis von Testpartnern. Die meisten der 300 Händler und Marken, die schon auf Otto.de aktiv sind, sind dort noch nicht angebunden. Ende 2019 sei nie als „Start einer endgültigen Lösung“ genannt worden, sondern lediglich als Startzeitpunkt für den Livetest, sagte ein Otto.de-Sprecher jetzt auf Nachfrage. „Mit der Skalierung des Marktplatzes im Jahr 2020 wachsen die Anzahl der Accounts sowie der Funktionsumfang mit der Entwicklung weiterer Features.“ Einen Zeitpunkt, zu dem das System für alle läuft, nennt das Unternehmen weiterhin nicht.

Der Fall zeigt: Der Umbau zum Marktplatz ist aufwendiger, als es scheint. Das gilt nicht nur für Otto. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein weiterer Händler verkündet, seinen Webshop zum Marktplatz auszubauen. Ob Douglas, Rewe, Fressnapf oder Mytoys – sie alle wollen andere Händler und Marken auf ihre Plattformen holen, um dem Kunden ein größeres Sortiment zu bieten – und zusätzliche Einnahmen über Provisionen zu erzielen.

Doch echte Erfolgsmeldungen sind rar. So hatte etwa Karstadt-Chef Stephan Fanderl schon mit der Übernahme von Kaufhof Ende 2018 angekündigt, einen gemeinsamen Onlinemarktplatz einzurichten, auf dem auch Dritte ihre Waren verkaufen können. „Karstadt ist dabei, sich erfolgreich zu einem vernetzten Marktplatz mit vielen Partnern zu entwickeln“, hatte er damals gesagt.

Mittlerweile hat die gemeinsame Plattform Galeria.de die Webshops von Kaufhof und Karstadt ersetzt. Die Pläne sind ehrgeizig. „Wir wollen auf einen Onlineumsatz von 500 Millionen plus noch mal 500 Millionen Euro Marktplatzgeschäft kommen“, verkündete Fanderl kürzlich im Interview mit dem Handelsblatt. Auf eine Onlineplattform zu gehen sei mutig gewesen, betonte er, und es gebe „noch Kinderkrankheiten“. Doch nach vorne sehe es sehr positiv aus.

Doch bisher ist nicht zu erkennen, dass externe Partner auf Galeria.de angebunden sind. Wann das Unternehmen technisch so weit ist und wie die nächsten Schritte sind, darauf gibt Galeria Karstadt Kaufhof auch auf Nachfrage keine Auskunft.

Etwas weiter ist da schon Rewe. Vor einem Jahr hat der Lebensmittelhändler seinen Onlinemarktplatz bundesweit gestartet – jedoch zunächst nur mit 15 Partnern. Der Zuwachs ist eher bescheiden, mittlerweile sind es 60 Dritthändler. Wirklich große Namen oder Marken sind nicht dabei. Beispielsweise wird ein großer Teil des Modesortiments von einem kleinen Onlinesporthändler namens Cortexpower gestellt.

Der Einzelhändler Real hat dagegen gleich einen bestehenden Onlinemarktplatz gekauft, um schnell Fortschritte zu machen und die technischen Probleme rasch zu lösen. Mit der Übernahme von Hitmeister im März 2016 sollte Real.de für weitere Anbieter geöffnet werden. Mittlerweile scheint sich das Wagnis auszuzahlen. So hat Real den Umsatz auf der Onlineplattform im vergangenen Jahr von 380 auf 608 Millionen Euro gesteigert.

Übermacht der Großen

„Das Management von Real hat nach der Übernahme von Hitmeister viel richtig gemacht“, lobt Jan Bechler, Geschäftsführer der Agentur Finc3 Commerce, die Markenhersteller wie Bosch oder Bahlsen bei ihrem Auftritt auf Onlineplattformen berät. Der Marktplatz von Real sei mittlerweile sehr relevant und generiere viel Reichweite.

Das Grundproblem für viele Händler ist beim Wechsel zum Marktplatzmodell jedoch gar nicht so sehr die Technik. Die sei beherrschbar, wenn man nur wolle, sagt Alexander Graf, E-Commerce-Experte und Mitgründer des Webshop-Entwicklers Spryker. „Viele Händler werden heute Marktplatz aus Verzweiflung“, beobachtet er.

Das heißt, sie geraten durch die Übermacht von großen Plattformen wie Amazon in die Defensive und wollen rasch zusätzliches Sortiment aufbauen. Dabei unterschätzten sie aber, so Graf, wie stark sie dafür ihre eigene Organisation umbauen müssten. „Für große Unternehmen ist der Wechsel zum Marktplatzmodell strategisch richtig, aber es braucht in der Regel rund fünf Jahre, bis man sich erfolgreich transformiert hat und sich die ersten Erfolge zeigen“, sagt der Experte, der mit seinem Unternehmen E-Commerce-Software für Großkunden wie Metro, Hilti oder Lekkerland entwickelt hat.

Eine Kernfrage ist für viele Unternehmen: Wie viel Konkurrenz durch andere Anbieter lassen sie auf ihrer eigenen Plattform zu? Denn das kann direkte finanzielle Auswirkungen haben. Bietet ein Dritthändler oder ein Hersteller Waren der gleichen Kategorie günstiger an, bedeutet das beispielsweise Abschreibungen auf den eigenen Lagerbestand.

Deshalb wählen viele Händler zunächst das Modell eines kuratierten oder geschlossenen Marktplatzes, bei dem der Betreiber genau auswählt, welche Anbieter er zulässt – und welche nicht. Das hat auch den Vorteil, dass der Betreiber Anbieter ausschließen kann, die schlechte Qualität bieten und damit das Image der Plattform gefährden.

E-Commerce-Experte Graf jedoch hält die Idee vom geschlossenen Marktplatz für einen Irrweg. Denn wenn eine Plattform einem Kunden nur eine begrenzte Auswahl biete, sei dieser schnell wieder bei der Konkurrenz.

Mentalität überwinden

Otto-Chef Birken scheint das verstanden zu haben und will jetzt in diesem Punkt in die Offensive gehen. „Viele Firmen sagen, sie seien eine Plattform – das hat aber oft nichts damit zu tun“, sagt er. „Eine Plattform entsteht dort, wo ich eine echte Konkurrenz für ein und denselben Artikel bringen kann.“

Dabei kämpft er offenbar gegen Widerstände in der eigenen Organisation. „Ich muss die Händlermentalität kulturell überwinden. Ich muss einem Einkäufer sagen: Das, was du einkaufst, lassen wir auch Dritte auf unserer Plattform verkaufen“, erklärt er. Das sei oft schwer verdaulich.

Immerhin: Für ein anderes Projekt hat Otto.de neue Partner gefunden. Unter dem Titel „Connected Commerce“ hatten die Otto-Gruppe und der ebenfalls zur Familie Otto gehörende Shoppingcenter-Betreiber ECE Mitte 2019 den Plan vorgestellt, Online- und Offlinehandel zu verknüpfen. Seitdem lassen sich auf Otto.de die Filialverfügbarkeiten einiger Produkte in ausgewählten ECE-Centern anzeigen. Nun hat sich die Zahl der Händler, die daran teilnehmen, von fünf auf zehn verdoppelt.

Neben Jack Wolfskin sind jetzt etwa auch Hammer Sports und Edel Optics dabei. Im nächsten Schritt sollen Kunden die Ware per Klick reservieren können – bislang müssen sie noch in der Filiale anrufen, wenn sie das Produkt auf Otto.de entdeckt haben.

Eines Tages sollen sie sich auch Waren aus dem Center nach Hause liefern lassen können. Bislang können den Service nur ausgewählte Mitarbeiter als Testkunden ausprobieren. Auch das wäre dann ein Schritt, um mit den großen Plattformen auf Augenhöhe mitzuhalten. Dann könnte Otto.de stärker mit den Same-Day-Delivery-Angeboten etwa von Amazon und Notebooksbilliger konkurrieren.