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Wie Amazon zum neuen Angstgegner der deutschen Autoindustrie werden könnte

Amazon drängt ins Rennen um das Auto der Zukunft (Bild: Getty)
Amazon drängt ins Rennen um das Auto der Zukunft (Bild: Getty)

Mit zwei Milliardeninvestments drängt Amazon ins Rennen um das Auto der Zukunft. Wird der Technologiekonzern zur Bedrohung für die deutsche Industrie?

Wenn Amazon in neue Märkte einsteigt, sorgt das stets für weltweite Aufmerksamkeit. Das gilt auch für zwei Milliardeninvestitionen in die Mobilitätsbranche. So steckte der US-Onlinehändler kürzlich gemeinsam mit anderen Investoren 2,5 Milliarden Dollar in das Start-up Rivian, einen Entwickler elektrischer Liefer-Vans. Kurz davor hatte der Konzern bereits das Start-up Zoox, einen Spezialisten für autonomes Fahren, übernommen.

Mit seinen enormen finanziellen Ressourcen und der Cloud-Rechenpower der Tochter AWS könnte Amazon in Zukunft die urbane Mobilität umwälzen, analysieren Experten. Damit könnte ein gefährlicher Konkurrent für die etablierten Autohersteller wie auch die Logistiker bei der Entwicklung des autonomen Fahrens entstehen.

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Selbstfahrende Lieferwagen würden dabei gut zum Geschäft von Amazon passen, erklärt Peter Fintl, Director Technology & Innovation beim Beratungsunternehmen Altran. „Sollte es Amazon gelingen, die letzte Meile zu automatisieren, wäre dort eine Kostenersparnis bei der Zustellung von bis zu 40 Prozent möglich“, sagt der Experte.

Hier dürfte der Einstieg bei Rivian ins Spiel kommen. Amazon ist schon seit 2019 Anteilseigner und hat 100.000 Lieferwagen bei dem Start-up bestellt, die ab 2021 ausgeliefert werden sollen. Einen Partner, um die Trucks autonom zu machen, hat Rivian noch nicht bekanntgegeben.

Auch Edward Niedermeyer, Industrieexperte und Host des Branchenpodcasts „Autonocast“, glaubt, dass Amazon Rivian mit einem Autonomieentwickler zusammenbringen könnte. Er erwartet, dass der Partner für das autonome Fahren Aurora Innovation sein könnte. Dort hält Amazon seit 2019 einen Minderheitsanteil. Das von den Ex-Chefs der Autonomieprojekte von Google, Tesla und Uber gegründete Start-up ist auf Logistik und Gütertransport fokussiert.

Dabei erschließt sich Amazon gerade noch weitere Möglichkeiten, um im Markt für autonomes Fahren mitzumischen. Dazu gehört die Übernahme des Start-ups Zoox für 1,2 Milliarden Dollar. „Zoox arbeitet daran, einen autonomen Taxidienst auf Weltklasseniveau zu entwerfen, zu erfinden und umzusetzen“, sagte Jeff Wilke, Chef von Amazons Endkundengeschäft, zur Übernahme des Start-ups Ende Juni. „Wir freuen uns, dem talentierten Zoox-Team zu helfen, seine Vision in den kommenden Jahren Realität werden zu lassen.“

Schwieriges Terrain

Doch auf die Rolle des stolzen Vaters, der allenfalls im Hintergrund etwas hilft, dürfte sich Amazon kaum beschränken. Denn Zoox zählt zwar nicht zu den bekanntesten Start-ups, die autonome Autos entwickeln – aber zu den ambitioniertesten. Das Unternehmen aus Foster City im Silicon Valley wollte das Auto für das Autonomie-Zeitalter neu erfinden und eigene Flotten selbstfahrender E-Taxis betreiben. Selbst Alphabets Waymo, gemeinhin als Spitzenreiter bei der Entwicklung von Autonomiesoftware eingeschätzt, will keine eigenen Autos bauen.

Zudem nahm sich Zoox als Testgelände schwieriges Terrain vor: das hügelige, enge und viel befahrene San Francisco. Waymo bietet seinen ersten autonomen Taxidienst dagegen in ruhigen Vororten des sonnigen Phoenix an – die Waymo-Autos dort haben keinen Fahrer, sind aber geografisch begrenzt unterwegs, was Experten als Level-4-Autonomie bezeichnen.

„Zoox war schon immer ein faszinierendes Unternehmen“, sagt Industrieexperte Niedermeyer. Er kann dem Ansatz, ein selbstfahrendes Auto neu zu denken, viel abgewinnen. So waren Zoox’ letzte bekannte Prototypen quaderförmige Busse, die bidirektional fahren können – also nach vorn und hinten, ohne zu wenden.

Die Probleme in der Autobranche sind groß: Es drohen Preiskämpfe und Überkapazitäten

Als Start-up hat sich Zoox damit offenbar übernommen. Vor der Übernahme durch Amazon entließ das 2014 gegründete Unternehmen Mitarbeiter, der Kaufpreis liegt bei gut einem Drittel der letzten Investorenbewertung.

„Als Zoox gegründet wurde, schien jeder zu denken, Autonomie sei einfach“, schreibt Stefan Seltz-Axmacher, dessen Start-up Starsky Robotics an der Entwicklung autonomer Lkws vor einigen Monaten gescheitert ist. Er rät Amazon, Zoox von Taxis auf Paketlieferwagen umzustellen. Der Konzern hat jedenfalls erst einmal versprochen, Zoox als unabhängige Einheit unter dem bisherigen Management – mit Ex-Intel-Managerin Aicha Evans als CEO und Mitgründer Jesse Levinson als CTO – zu belassen.

Der Konzern aus Seattle lässt die Chefs übernommener Firmen tatsächlich oft langfristig im Amt, von der Filmdatenbank IMDB bis zur Supermarktkette Whole Foods sind viele Töchter noch gründergeführt.

Außerdem sei Zoox weit fortgeschritten, habe etwa die nötigen Crashtests für sein Auto in Kalifornien bereits abgeschlossen, sagt Industrieexperte Niedermeyer. Zudem habe es zahlreiche Patente im Bereich Fahrsicherheit, die eher zum Personen- als zum Gütertransport passten.

Patente und Rechenleistung

Überhaupt profitiere Amazon von Zoox’ starkem Patentportfolio, schreibt der Softwareexperte Louis Columbus in einem Beitrag auf „Forbes.com. Bei der Entwicklung von Tempomaten oder der Kommunikation mit Verkehrssignalen halte Zoox relevante Patente. Zoox dagegen kann für die gewaltige Rechenleistung seiner autonomen Autos künftig auf Amazons Cloud-Tochter AWS zurückgreifen.

Amazons Unterstützung könnte Zoox so über die Ziellinie bringen – auch wenn noch lange Zeit unklar bleiben dürfte, wo die für vollautonome Autos ist. Genau das bereitet derzeit der deutschen Autobranche Probleme. Die Unsicherheit zwingt sie, bei der Entwicklung des autonomen Fahrens die Geschwindigkeit zu drosseln.

Die Autohersteller setzen stärker auf Fahrerassistenzsysteme, die sich auf „Level 2+“ bewegen, wie Continental-Chef Elmar Degenhart am Dienstag vergangener Woche auf der Hauptversammlung des Zulieferers andeutete. Sensorik und Software für hochautomatisierte Fahrsysteme hingegen werden kaum noch nachgefragt. Das Conti-Management hat sich daher entschieden, Investitionen in einige Teilbereiche des hochautomatisierten Fahrens herunterzufahren.

In der Coronakrise ist der Druck in der Autoindustrie, dass sich Investitionen schnell rechnen, größer denn je. Davon hängt ab, ob die Konzerne gesund durch die Krise kommen und den Abbau von Arbeitsplätzen verhindern können. Systeme ab Level 4 jedoch sind noch weit von einer Kommerzialisierbarkeit im Endkundengeschäft entfernt. Allein die Sensorik für ein Level-4-Fahrzeug, bestehend aus Kameras, Radarsystemen und Hochleistungscomputern, kann schnell eine sechsstellige Summe kosten.

Doch Amazon ist für tiefe Taschen bekannt, wenn es revolutionäre Technologie entwickelt. Selbst die hohen Investitionen und niedrigen Margen der Automobilproduktion, die andere Tech-Konzerne abschrecken könnten, sind seit jeher Amazons Zaubertrank: Mit seinem Kerngeschäft, dem Onlinehandel, schreibt der Konzern regelmäßig Verluste und investiert trotzdem immer weiter.

Corona bremst Fortschritt

Fertig entwickelt, könnten die autonomen „Amazoox“-Taxis in Amazons Abodienst Prime integriert werden. „Ein ‚Prime Ride‘ wäre dann die logische Erweiterung von Amazons Prime-Plattform“, sagt Altran-Berater Fintl. Ähnlich wie der Lebensmittel-Lieferdienst Fresh ließe sich der Dienst Stadt für Stadt einführen, je nach Verkehrsgegebenheiten und -regulierung. Dort könnte er selbst andere fahrerlose Taxis von Uber oder von Autoherstellern beim Fahrpreis unterbieten.

Denn Prime ist schon heute eine gigantische Mischkalkulation: Einerseits würde die Prime-Abogebühr die Flotte mitfinanzieren, zum anderen bringen erfolgreiche Prime-Dienste wie der Streamingdienst Prime Video mehr Umsatz auf die Einzelhandelsplattform. Amazon sei das erste Unternehmen, das mit einem Golden Globe Klopapier verkaufe, scherzte CEO Jeff Bezos einmal.

Allerdings trügt der Eindruck, die Branche hierzulande hätte das Rennen um das autonome Fahren bereits verloren. Denn das Rätsel um das ominöse Autonomie-Level 5, bei dem ein Auto auf jeder Strecke völlig ohne Fahrer auskommt, hat noch kein Unternehmen auch nur ansatzweise gelöst – auch Tesla nicht. Dessen Chef Elon Musk kündigte zwar auf einer KI-Konferenz kürzlich Level-5-Autos noch in diesem Jahr an. Sein aktueller „Autopilot“ ist allerdings kaum mehr als ein übliches Fahrerassistenzsystem.

Und auch wenn die Ambitionen der deutschen Autoindustrie wegen der Coronakrise kleiner geworden sind, bis zur Viruspandemie hatten Autobauer und Zulieferer große Fortschritte gemacht. So gehen zum Beispiel die meisten Patente für das autonome Fahren auf die deutsche Autoindustrie zurück, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln beweist. Zwischen 2010 und 2017 haben Bosch und VW die meisten Patente angemeldet. BMW folgt auf Platz fünf, Continental auf Platz sieben.

BMW hat zudem mit dem US-‧Chipkonzern Intel und dessen Tochterunternehmen Mobileye starke Partner. Am Donnerstag bekam Mobileye die Genehmigung des Tüv Süd, Testfahrten im Großraum München durchzuführen. VW wiederum ist zuletzt mit 2,6 Milliarden Euro in das Autonomie-Start-up Argo AI eingestiegen. Neben einer Milliarde Euro bringt der Wolfsburger Autokonzern zudem sein eigenes Roboterautogeschäft in die Partnerschaft ein.

„Der entscheidende Unterschied ist, dass im Silicon Valley um ein Vielfaches mehr Risikokapital vorhanden ist“, sagt Altran-Experte Fintl. Das erklärt auch, warum es kein Problem ist, dass Unternehmen wie Zoox, Waymo oder Tesla über Jahre unprofitabel sind. Das Risikokapital, sagt Fintl, sei entscheidend für Investitionen in das hochautomatisierte Fahren, „bei dem unsicher ist, wann daraus funktionierende Geschäftsmodelle entstehen“.

Das allerdings galt für einen Onlinebuchhändler aus Seattle auch einmal.

Video: Jeff Bezos - Darum nannte er sein Unternehmen „Amazon“