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Alle gegen Großbritannien

Die EU hat einen neuen Gegner: Großbritannien. Formell bleibt das Vereinigte Königreich zwar noch zwei Jahre Mitglied des Europäischen Clubs. Doch faktisch gehören die Briten nicht mehr dazu, seit sich ihren EU-Austritt am 29. März offiziell beantragt haben. Das historische Austrittsgesuch hat den Rest der EU zusammengeschweißt und in eine geradezu kämpferische Stimmung versetzt.

Die Ansage des französischen Staatspräsidenten an die der Londoner Regierung, klingt fast schon wie eine Drohung. „Der Austritt hat seinen Preis“, sagte Francois Hollande. „Außerhalb der EU wird die Position Großbritanniens nicht mehr so gut sein wie jetzt noch innerhalb“, fügte er hinzu. Die EU-27 sei „exzellent vorbereitet“ auf die Brexit-Verhandlungen, verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es sei „extrem gut gelungen“, die verbleibenden 27 EU-Staaten auf eine gemeinsame Verhandlungslinie einzuschwören.

Die 27 Chefs sind an diesem Samstag in Brüssel zusammengekommen, um ihre „Leitlinien“ zu den Brexit-Verhandlungen formell zu beschließen. Sie sind auf neun Seiten in 28 Paragrafen aufgelistet: EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte das Papier in Zusammenarbeit mit Spitzenbeamten aus den Regierungszentralen aufgesetzt. Große Diskussionen gab es darüber nicht – weder im Vorfeld noch jetzt beim Treffen der Chefs. Dass sie das Papier absegnen, galt schon vor Ende des Gipfels als sicher.

Wenn es um Großbritannien geht, sind sich die 27 einig wie sonst selten. Die Risse zwischen Ost und West im Zuge der Flüchtlingskrise oder zwischen Nord und Süd während der Euroschuldenkrise sind plötzlich nicht mehr erkennbar. Psychologen würden von einem klassischen Phänomen sprechen: Der Gruppenzusammenhalt wächst, wenn ein neues Feindbild auftaucht.

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Sorge um möglichen Steuerwettbewerb

Zwar bestreitet EU-Ratspräsident Donald Tusk entschieden, dass man die Briten nun wie einen Feind bekämpfen wolle. Man wünsche sich im Gegenteil auch künftig eine gute Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich, betonte Tusk am Samstag. Großbritannien selbst hat allerdings den Verdacht genährt, künftig als Konkurrent der EU auftreten, etwa Unternehmen mit niedrigen Steuern und einer liberalisierten Bankenregulierung anlocken zu wollen. Gegen einen neuen Wettbewerber anzutreten, stärkt den Teamgeist. Das gilt in der Wirtschaft, und letztlich auch in der Politik.

Großbritannien hat diesen – wenn man so will gruppendynamischen – Prozess womöglich unterschätzt. Die Regierung in London hatte zunächst gehofft, die traditionell zerstrittene EU auseinanderdividieren und Regierungen für sich instrumentalisieren zu können. Daraus wird nichts – vorerst jedenfalls.

Ob die EU auf Dauer so geschlossen auftritt in den Brexit-Verhandlungen, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Momentan ist es vor allem das finanzielle Interesse, was die 27 EU-Staaten eint: Sie wollen die Kosten des Brexits so weit wie irgend möglich auf Großbritannien abschieben. Bis zu 60 Milliarden Euro sollen die Briten in die EU-Kasse zahlen, um sich von allen als EU-Mitglied eingegangenen Verpflichtungen freizukaufen.

Daran sind alle EU-Staaten gleichermaßen stark interessiert. Schließlich wird der Ausstieg des Nettozahlers Großbritanniens ein großes Loch in die EU-Kasse reißen: Andere Nettozahler wie Deutschland werden deshalb mittelfristig mehr nach Brüssel überweisen müssen und Nettoempfänger wie Polen weniger von der EU bekommen. Diesen unangenehmen Brexit-Effekt wollen alle gemeinsam so lange wie möglich hinauszögern.

Das finanzielle Interesse wirkt also wie ein Bindeglied. Das funktioniert allerdings nur solange, wie sich Großbritannien gegen die finanzielle Forderung aus Brüssel wehrt. Aus verhandlungstaktischen Gründen wären die Briten gut beraten, die Austrittsrechnung zügig zu begleichen.

Denn dann steigen die Chancen wieder, dass es unter den 27 EU-Staaten doch noch zum Brexit-Streit kommt – vor allem, wenn es in der zweiten Phase der Verhandlungen um ein neues Freihandelsabkommen mit Großbritannien geht. Die Interessen den EU-Staaten sind hier sehr unterschiedlich: Die deutsche Industrie etwa ist in Großbritannien stark engagiert und will die Grenzen für den Handel deshalb so weit wie möglich offen halten. Andere EU-Staaten haben andere Interessen.

KONTEXT

Großbritanniens Optionen nach dem Brexit

Zollunion

Großbritannien könnte es machen wie die Türkei und der Zollunion beitreten. Dadurch würden die Zölle wegfallen und die Handelsabkommen mit der EU behielten bestand. Andererseits wäre London aber dabei eingeschränkt, eine eigene Handelspolitik zu betreiben, da man sich an den gemeinsamen Zolltarif halten müsste. Ob dies den Briten gefallen würde, bleibt fraglich. Immerhin folgt die Brexit-Entscheidung dem Ruf nach völliger nationaler Souveränität.

Europäischer Wirtschaftsraum (EWR)

Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) umfasst derzeit 31 Länder. Die teilnehmenden Staaten haben gemeinsame Aufsichtsbehörden, Gerichte und Regeln. Zudem gelten die vier Binnenmarktfreiheiten beim Waren-, Personen-, Dienstleistungen- und Kapitalverkehr. Allerdings will die britische Regierung weder der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes unterliegen noch die Kontrolle über die Immigration abgeben.

Der "Schweizer Weg"

Am liebsten wäre der englischen Regierung wohl ein Modell wie der "Schweizer Weg". So könnten für die einzelnen Wirtschaftsbereiche maßgeschneiderte Abkommen ausgehandelt werden. Die EU hat allerdings schon durchblicken lassen, eine derartige Lösung abzulehnen.

Freihandelsabkommen

Die wahrscheinlichste Option ist für die Briten wohl ein gesondert ausgehandeltes Freihandelsabkommen, wie es zwischen der Europäischen Union und Kanada (Ceta) vereinbart wurde. Damit würden die Briten ihre durch den Brexit forcierte Unabhängigkeit behalten und könnten spezielle, aber umfassende Handelsbedingungen im Gespräch mit der EU festlegen.