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Alle Augen auf Powell – Fed-Chef steht vor einem schwierigen Kunststück

Es sieht beinahe so aus, als wollten die Märkte die US-Notenbank (Fed) zu einer weicheren Gangart zwingen. Immer weiter sind die Kurse an der Wall Street abgesackt, nur von kleinen Erholungen unterbrochen. Darin kommt vor allem die Sorge zum Ausdruck, die Fed könne mit weiteren Zinserhöhungen die Konjunktur abwürgen.

Investoren, Händler und Ökonomen werden jedes Wort von Fed-Chef Jay Powell auf die Waage legen, wenn er am Mittwoch um 20.30 Uhr deutscher Zeit vor die Presse tritt und über die künftige Geldpolitik spricht. Dass die Fed ihre Zinsen um einen weiteren Viertelprozentpunkt auf eine Spanne zwischen 2,25 und 2,50 Prozent anhebt, gilt immer noch als fast sicher.

Eine Verschiebung auf Januar ist aber auch nicht völlig ausgeschlossen. US-Präsident Donald Trump twitterte am Dienstag: „Habt ein Gefühl für den Markt, lasst euch nicht von nichtssagenden Zahlen leiten. Viel Glück!“ Vor Kurzem hatte er deutlich unfreundlicher die Fed als „größeres Problem als China“ bezeichnet.

Die Frage ist, wie es im kommenden Jahr weitergeht. Macht die Fed Schluss mit Zinserhöhungen, um die Konjunktur nicht zu gefährden? Oder folgen noch zwei Zinserhöhungen, wie viele Ökonomen zurzeit annehmen?

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Darüber können auch die Prognosen der entscheidenden Fed-Geldpolitiker Aufschluss geben, die am Mittwoch veröffentlicht werden. JP Morgan und die Deutsche Bank erwarten, dass sie im Mittel nur noch von zwei statt von drei Zinserhöhungen 2019 ausgehen werden.

Aber die Märkte erwarten auch einen direkten Hinweis von Powell. Er steht vor der Herausforderung, die Märkte wenigstens ein wenig zu ermutigen, ohne den Eindruck zu erwecken, dass er sich von fallenden Kursen oder dem Präsidenten einschüchtern lässt.

Zudem erwarten alle Experten, dass die Fed, weil sie ihr Ziel von rund zwei Prozent Inflation praktisch erreicht hat, künftig kurzfristiger auf wirtschaftliche Daten reagiert und weniger einen langfristigen Plan verfolgt. Deswegen darf Powell sich, trotz der hohen Erwartungen an ihn, auch nicht zu sehr festlegen.

Pessimistische Investoren

„Alle Augen richten sich in dieser Woche auf die Fed“, sagt Michael Hartnett, Chef-Anlagestratege der Bank of America Merrill Lynch. Die Andeutung einer etwas gelockerten Geldpolitik mit etwas weniger Zinserhöhungen als erwartet könne eine kurzfristige, starke Kurserholung auslösen, glaubt er. Allerdings werde es wahrscheinlich auf eine sogenannte Bärenmarktrally hinauslaufen, einen begrenzten Aufschwung, nach dem sich wieder die längerfristige Abwärtstendenz durchsetzt.

Hartnett hat Grund zum Pessimismus. Sein Haus befragt international 243 Anlageprofis, die insgesamt 575 Milliarden Dollar Vermögen verwalten. Die jüngsten Ergebnisse sind dramatisch: Die Fondsmanager schichten so stark wie nie zuvor innerhalb eines Monats in Anleihen um. Mit Blick auf das weltweite Wachstum sind die Großinvestoren so pessimistisch wie zuletzt in der Finanzkrise 2008.

Genau gesagt: Es gibt gut eineinhalbmal so viele Pessimisten wie Optimisten. Die deutlich vorherrschende Erwartung ist also eine Abschwächung des weltweiten Wachstums. Die Investoren setzen so massiv auf Anleihen wie zuletzt im Juni 2016, als die meisten Briten für den Ausstieg aus der EU stimmten. Im Gegenzug verkaufen die Großanleger Aktien.

Hintergrund ist die Furcht, dass der weltweite Wachstumsmotor ins Stocken gerät. Neben der Unsicherheit, die von der Fed ausgeht, treibt sie die Sorge um, der von den USA angezettelte Handelsstreit mit China könne zu einem Handelskrieg ausarten. „Investoren sind nahe dran, extrem negativ zu denken“, sagt Hartnett. Allerdings ist der Markt seiner Meinung nach noch nicht am Tiefpunkt angelangt, wo zu erwarten wäre, dass viele Langfristinvestoren die niedrigen Kurse zum Einstieg nutzen.

Vom Aufschwung verwöhnt

Die USA waren bis vor Kurzem noch mehr als andere Länder von einem langjährigen Aufschwung der Aktien und der Wirtschaft insgesamt verwöhnt. Noch im Frühjahr hatte Powell von der Stärke der US-Wirtschaft geschwärmt. Er ist seither schon vorsichtiger geworden. Und die schlechten Vorzeichen mehren sich. Die Industrie im Bundesstaat New York hat gerade einen Einbruch gemeldet, der entsprechende Index der Fed New York ist auf ein 19-Monats-Tief gefallen. An der Börse tobt der Bär: Mehr als die Hälfte der Aktien im S & P 500 hat bereits mindestens 20 Prozent seit dem Höchstkurs verloren – dann spricht man von einem Bärenmarkt.

Besonders getroffen hat es die Finanzwerte, die seit Ende Januar um 21 Prozent abgerutscht sind. Die Aktien großer Banken wie Goldman Sachs, Citi, Morgan Stanley, Bank of America und Wells Fargo haben mehr als ein Fünftel ihres Börsenwerts verloren. Das gilt auch für Versicherer wie Prudential und AIG und für Asset-Manager wie Blackrock oder Invesco. Den größten Rutsch von minus 17 Prozent gibt es im Index seit Mitte September und damit seit der Zeit, in der die Diskussion über eine möglicherweise zu restriktive Geldpolitik der Fed hochkocht.

Das zeigt, wie sehr sich die Wahrnehmung der Investoren geändert hat. Lange Zeit gingen sie davon aus, dass höhere Zinsen gut für die Banken sind, weil sie dann mit ihren Ausleihungen mehr Geld verdienen. Jetzt geht es aber um eine schwächere Konjunktur oder gar eine Rezession. Sie würde Banken besonders treffen, weil in einer Rezession die Zahl der Kreditausfälle deutlich steigt.

Die zweite Branche im Bärenmarkt im S & P 500 ist der Energiesektor mit einem Minus von 22 Prozent seit dem 9. Oktober. Hier liegt der Grund auf der Hand. Der Ölpreis ist seither angesichts des Überangebots um mehr als ein Drittel gefallen. Das lastet schwer auf der Branche, vor allem auf den Aktien der Ölförderer.

Wenig überraschend sind deshalb Aktien wie die des Ölförderers Newfield Exploration und des Ausrüsters National Oilwell Varco mit Kurseinbrüchen von mehr als 40 Prozent die größten Verlierer im Energiesektor.

Schlimm getroffen hat es auch die Aktien der kleinen und mittleren Unternehmen, und das branchenunabhängig. Der US-Index Russell 2000, in dem die 2000 US-Nebenwerte mit einer Marktkapitalisierung von im Schnitt 964 Millionen Dollar gelistet sind, ist seit Ende August um knapp 21 Prozent eingebrochen.

Eigentlich sollten Notenbanker sich nicht um Aktien kümmern. Auf der anderen Seite bedeuten schwache Aktienkurse und hohe Zinsen für Unternehmensanleihen, dass sich die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft verschärfen. Und das ist ein Argument, mit dem Geldpolitiker rechtfertigen können, die Lage nicht noch weiter zu verschärfen: eine Vorlage für Powell, vorsichtigere Töne anzustimmen.