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Die Forderung von Andrea Nahles nach mehr Disziplin in ihrer Partei ist schnell verpufft. Wegen miserabler Umfragen fordern führende Genossen Gegenmaßnahmen.

Die Forderung von Andrea Nahles nach mehr Disziplin in ihrer Partei ist schnell verpufft. Wegen miserabler Umfragen fordern führende Genossen Gegenmaßnahmen.

Andrea Nahles ist nicht bekannt dafür, lange um den heißen Brei herumzureden. „Die SPD ist in einer sehr ernsten Lage“, sagte die designierte Parteivorsitzende kürzlich dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, als sie auf die historisch schlechten Umfragewerte ihrer Partei angesprochen wurde. Deshalb hält sie wenig davon, das Schlechte noch schlechter zu reden.

„Wir brauchen ein Ende der selbstbezogenen und verzagten Debatten der letzten Wochen“, gab Nahles die Marschroute vor. Die SPD benötige „mehr Teamarbeit und mehr kommunikative Disziplin“. „Wenn wir uns nicht dauernd nur mit rückwärtsgewandten Debatten beschäftigen, haben wir eine Menge Anknüpfungspunkte“, betonte Nahles.

Doch so einfach, wie sich Nahles das vorstellt, ist es nicht. Denn die SPD steht gewaltig unter Druck, weil sie nach dem historisch niedrigen Ergebnis bei der Bundestagswahl weiter abgerutscht ist und sich dieser Abwärtstrend zu verfestigen scheint – und das mitten im Mitgliederentscheid über die Neuauflage der Großen Koalition.

Im ZDF-Politbarometer gaben die Sozialdemokraten um zwei Punkte auf ein Rekordtief von 17 Prozent in dieser Erhebung ab. Auch in einer Allensbach-Umfrage für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sinkt die SPD in der Wählergunst auf 17,5 Prozent ab, was im Monatsvergleich ein Minus von 3,5 Punkten ist. Und auch im ARD-Deutschlandtrend kommen die Sozialdemokraten auf 17 Prozent. Bei einer Erhebung von Insa war die SPD in dieser Woche auf 15,5 Prozent gerutscht und lag damit erstmals hinter der AfD.

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Der offenkundige Niedergang der SPD sorgt für regelrechte Alarmstimmung in der Partei. „Was die Parteimitglieder und die Wähler umtreibt, ist das Fehlen von Perspektiven“, sagte der Chef des SPD-Arbeitnehmerflügels, Klaus Barthel, dem Handelsblatt. „Sie wissen, weder wofür eine SPD in der Regierung noch in der Opposition steht. Das ist, zusammen mit dem Koalitions-Zickzack, die Ursache für die Situation in den Umfragen.“ Barthel forderte eine „andere Themensetzung und lange Linien für die Gestaltung der Arbeitswelt“. Nötig sei zudem eine Perspektive für den „politisch flankierten Umbau der Volkswirtschaft, der die Menschen nicht in Angst und Schrecken versetzt, und glaubwürdige soziale Sicherung, die mehr ist als Armutsbekämpfung“.

Ähnlich äußerte sich Frank Schwabe, Sprecher der „Denkfabrik“, eines Zirkels junger, linker Sozialdemokraten in der SPD-Bundestagsfraktion. Die Große Koalition sei im Moment zwar „die beste aller schlechten Alternativen“, sagte Schwabe dem Handelsblatt. „Die Aufgabe der SPD ist es aber, in der Großen Koalition mit den eigenen politischen Positionen sichtbarer zu sein und gleichzeitig ganz neue politische Konzepte aus einer fortschrittlichen linken Perspektive zu entwickeln.“ Schwabe plädierte vor diesem Hintergrund für eine „schnelle Normalisierung“ des Verhältnisses von SPD und der Linkspartei. Dies sei „grundlegend für jedes fortschrittliche Mehrheitsbündnis in Deutschland“.

Der SPD-Bundesvize Ralf Stegner rief indes seine Partei zur Geschlossenheit auf. „Für die kommenden Monate gilt jetzt: zusammenrücken, seriös arbeiten und weiterkämpfen“, sagte Stegner dem Handelsblatt. Die SPD habe nach einem historisch schlechten Wahlergebnis „schwere Monate“ hinter sich. „Aber Sozialdemokraten stehen wieder auf - auch wenn es mal eine schwierige Phase zu überstehen gibt, geben wir nicht auf“, betonte Stegner. „Denn der Koalitionsvertrag zeigt, dass wir immer noch sehr viel erreichen können für die Menschen in unserem Land.“ Allein die Erfolge bei Bildung, Arbeit und Europa sprächen für sich.


„Weniger Panik und mehr Selbstbewusstsein“

Auch der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, verwies darauf, dass seine Partei die Ministerien erkämpft habe, mit denen sie ihre inhaltlichen Forderungen um- und durchsetzen könne. „Die SPD wird deutlich an Zustimmung gewinnen, wenn die Vorhaben in den Bereichen Pflege, Bildung, Wohnen, Miete und Arbeitsmarkt umgesetzt werden“, sagte Kahrs dem Handelsblatt. „Die Menschen in Deutschland haben gewählt, und nachdem Merkel Jamaika gegen die Wand gesetzt hat, braucht es jetzt eine stabile Regierung“, fügte Kahrs hinzu. „Man kann ja nicht so lange wählen lassen, bis einem das Ergebnis passt.“

Die Parteiführung trommelt derzeit bei einer Reihe von Regionalkonferenzen für ein Ja der Mitglieder zu Schwarz-Rot. Parallel dazu werben die GroKo-Gegner um Juso-Chef Kevin Kühnert auf eigenen Veranstaltungen für ein Nein. Am 4. März soll das Ergebnis des parteiinternen Mitgliederentscheids bekanntgegeben werden.

Nahles ist sich bewusst, dass der Widerstand gegen eine weitere Große Koalition in Teilen der Partei groß ist. In einem Live-Video auf Facebook verteidigte die SPD-Fraktionschefin den Koalitionsvertrag. Ihre Bewerbung um den Parteivorsitz nannte sie dabei einen Weg, die SPD auch in einer erneuten Großen Koalition mit CDU und CSU erkennbar zu halten. Wenn man Fraktions- und Parteivorsitz zusammenlege, aber von Regierungsämtern trenne, schaffe das Raum für Themen und Zukunftsdebatten „jenseits der Regierung“.

Den Juso-Chef Kühnert überzeugt das wenig. Den SPD-Befürwortern einer neuen Großen Koalition warf er vor, nicht mit Inhalten, sondern mit Ängsten zu werben. „Entscheidet nach Inhalten, macht es euch nicht leicht. Aber lasst euch nicht von Angst treiben in eurer Entscheidung“, sagte er am Freitag in München. Obwohl die GroKo-Befürworter behaupteten, der Koalitionsvertrag sei „so wahnsinnig gut“, würden sie nicht inhaltlich argumentieren, sondern mit dem, was man verhindern müsse.

Es gebe aber weder einen Automatismus für Neuwahlen noch für eine politische Instabilität in Deutschland und Europa durch eine mögliche Minderheitsregierung. Auch die Furcht vor einem bei Neuwahlen drohenden katastrophalen SPD-Ergebnis dürfe nicht als Argument gelten. „Eine Partei, noch dazu eine wie die SPD, die sich vor Neuwahlen, zu welchem Zeitpunkt auch immer, ob in drei Monaten oder drei Jahren, scheut, die kann den Laden gleich zumachen.“

Das sieht der Parteilinke Barthel nicht ganz so dramatisch. „Das Scheitern von Jamaika und die Schwäche der Kanzlerin zeigen, dass der SPD eine zentrale Rolle in der deutschen Politik zukommt“, sagte er. Daran änderten die Umfragen nichts. „Diese zentrale Rolle kann sie sowohl in der Regierung wie in der Opposition spielen - oder sie kann in beiden Fällen versagen.“ Barthel rät hier daher seinen Parteifreunden zu „weniger Panik und mehr Selbstbewusstsein“.