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Aktienbörsen boomen weltweit – Vertrauen die Anleger zu sehr auf die Notenbanken?

Die Märkte scheinen sich von der Realwirtschaft zu entkoppeln. Obwohl sich die Konjunkturaussichten verdüstern, steigen die Kurse. Experten warnen vor einem „irrationalen Überschwang“.

Fast 23 Jahre ist es her, dass Alan Greenspan den Begriff vom „irrationalen Überschwang“ prägte. Der damalige Notenbankchef warnte im Dezember 1996, dass eine unangemessene Euphorie der Anleger der Treiber für den damaligen Börsenboom war.

Eine noch klarere Warnung kam von Robert Shiller. Sein im März 2000 erschienenes Buch „Irrationaler Überschwang“ machte den Verhaltensökonomen weltberühmt – nicht zuletzt deshalb, weil die Dotcom-Blase kurze Zeit später tatsächlich platzte.

Wiederholt sich die Geschichte? Auch heute machen sich Ökonomen und Investoren Sorgen, dass die Hausse vor allem an der Wall Street übertrieben sein könnte. Die Börsen steigen, und das obwohl die Wirtschafts- und Unternehmensdaten schlechter werden. Luca Paolini, Chefstratege bei der Schweizer Vermögensverwaltung Pictet, warnt in seinem monatlichen Marktausblick explizit vor einem „irrationalen Überschwang“.

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Andere Investoren drücken sich vorsichtiger aus, aber der Tenor geht in dieselbe Richtung. „Die Aktienmärkte stehen im Widerspruch zum Konjunkturzyklus“, meint Axel Botte, Marktstratege bei der französischen Ostrum Management. „Die Märkte haben sich seit Jahresanfang tendenziell von den Fundamentaldaten abgekoppelt“, pflichtet Ulrich Urbahn bei, der bei der Berenberg Bank die Multi-Asset-Strategie leitet.

Auch Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege beim US-Vermögensverwalter Blackrock in Frankfurt, betont: „In gewisser Weise haben sich die Märkte von der wirtschaftlichen Entwicklung losgelöst“.

Zu Dotcom-Zeiten war es die Hoffnung auf künftige Gewinne, die die Bewertungen von verlustreichen Internet-Start-ups in die Höhe schießen ließ. Heute treibt vor allem die Hoffnung auf frisches Geld von den Notenbanken die Kurse immer weiter nach oben. „Die Zentralbanken betreiben aktiv eine Loslösung der Märkte von den Fundamentaldaten“, warnt Benjamin Melman, Chefanlagestratege bei Edmond de Rothschild Asset Management.

Von der Geldpolitik getrieben

Die Parallelen zwischen den Kursschüben an Börsen und den Äußerungen der US-Notenbank (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) sind tatsächlich auffällig. Den ersten Schub für die Märkte gab es gleich am dritten Handelstag des laufenden Jahres.

Damals nahm Fed-Chef Jerome Powell den Investoren die Angst, dass die US-Währungshüter die Zinsen zu schnell erhöhen und damit die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich bremsen könnten. Nach und nach läutete Powell dann die Zinswende nach unten ein. Heute gilt eine erste Zinssenkung der Fed Ende Juli als gesetzt.

Auch die EZB hat eine Kehrtwende vollzogen. Erste Andeutungen in Richtung einer noch lockereren Geldpolitik machte EZB-Chef Mario Draghi drei Wochen nach Powell. Auch Draghi wurde zunehmend konkreter. Zuletzt hat er in Aussicht gestellt, dass die Euro-Währungshüter ihren Zinssatz für Einlagen der Banken noch tiefer ins Minus senken und ihre Anleihekäufe wieder aufnehmen könnten.

An den Märkten geht es seither rasant nach oben. Der Kurseinbruch im vierten Quartal 2018 scheint vergessen. In den vergangenen Tagen legten die Börsen zwar erst einmal den Rückwärtsgang ein, aber die großen Indizes in den USA hatten zuvor neue Rekorde markiert.

Der breite US-Börsenindex S & P 500 hat seit Jahresanfang 19 Prozent zugelegt und zwischenzeitlich die Marke von 3000 Punkten geknackt, der Dow notiert über 27.000 Zählern. Hierzulande ist der Dax zwar von seinem Allzeithoch von fast 13.600 Punkten noch ein gutes Stück entfernt, aber seit Januar hat der deutsche Leitindex mehr als 16 Prozent gewonnen.

Mit der wirtschaftlichen Entwicklung hat das wenig zu tun. Im Gegenteil: „Die Wirtschaftsdaten enttäuschen, und das im Gegensatz zum vergangenen Jahr auch in den USA“, sagt Berenberg-Stratege Urbahn. Die ISM-Indizes – Messlatte der Stimmung der nationalen US-Einkaufsmanager – sinken seit Monaten.

Gleiches gilt für weltweite Einkaufsmanagerindizes, die für die Industrie mit einem Stand unter 50 eine schrumpfende Wirtschaft signalisieren. In Deutschland gehört der Ifo-Geschäftsklimaindex zu den Indikatoren, die auf eine schwächere Wirtschaft hindeuten.

Aber nicht nur die Stimmungsindikatoren, auch die harten Konjunkturdaten zeigen nach unten. In den USA sinken Industrieproduktion und Baugenehmigungen. Ökonomen rechnen für 2019 im Schnitt mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von nur noch 2,5 Prozent, nach 2,9 Prozent im vergangenen Jahr.

In Deutschland erschreckte zuletzt der Einbruch der Auftragseingänge die Anleger. Für Deutschland erwarten die Ökonomen für dieses Jahr ein BIP-Wachstum von mageren 0,8 Prozent, für die Euro-Zone liegt die Prognose bei 1,2 Prozent.

Die schlechtere Konjunktur spiegelt sich in den niedrigeren Unternehmensgewinnen wider. Analysten schätzen, dass die Gewinne der Konzerne im S & P 500 im zweiten Quartal im Schnitt um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal sinken werden. Vor einem Jahr hatten die Analysten für das zweite Quartal 2019 noch mit einem Gewinnanstieg von 10,6 Prozent gerechnet.

Am späten Mittwoch enttäuschte bereits der Streamingdienst Netflix mit einem Minus beim Quartalsgewinn und vor allem mit dem langsameren Wachstum der Abonnentenzahlen. Die Aktie brach am Donnerstag im frühen Handel um mehr als elf Prozent ein.

Die Gewinne sinken

Für die Firmen im Euro Stoxx 600 sind die Gewinnerwartungen der Analysten ähnlich mau wie für die Konzerne an der Wall Street. Und gerade in Deutschland schrecken viele Unternehmen die Investoren mit nach unten revidierten Gewinnprognosen auf. Allein aus dem Dax haben acht Konzerne vor sinkenden Erträgen gewarnt.

Einen Einblick in die aktuelle Geschäftsentwicklung hat am Donnerstag als erster Dax-Konzern SAP gegeben. Das Softwareunternehmen hält zwar an seiner Gewinnprognose für das laufende Jahr fest, im ersten Halbjahr sackte das Ergebnis aber um gut ein Fünftel auf 580 Millionen Euro ab. Die in diesem Jahr sehr gut gelaufene Aktie brach um bis zu zehn Prozent ein. Als wesentlicher Grund für sinkende Firmengewinne und die nachlassende Konjunktur gilt der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelsstreit mit China.

Über die globalen Lieferketten trifft der Zank auch Unternehmen in Europa. Dazu kommt die Trump’sche Drohung, für europäische Autos die Einfuhrzölle zu erhöhen. Außerdem belastet der immer noch nicht geklärte Ausstieg der Briten aus der EU.

Skeptische Investoren zweifeln, dass die Notenbanken mit dem Öffnen ihrer Geldschleusen diese Probleme lösen und die Konjunktur ankurbeln können. „Wenn die politische Unsicherheit bleibt, könnte die Wirkung der Zentralbanken schnell verpuffen“, meint Berenberg-Banker Urbahn.

Hinzu kommt, dass die Märkte gerade von der US-Notenbank schon zu viel erwarten. An den Terminmärkten sind bis Jahresende drei Zinssenkungen der Fed eingepreist. So weit dürften die Währungshüter um Powell nach Meinung vieler Strategen angesichts der immer noch wachsenden US-Wirtschaft aber nicht gehen.

Dass die Märkte zu überschwänglich auf die angekündigte Öffnung der Geldschleusen reagieren, ist auch vielen Investoren schmerzlich bewusst. Deshalb reduzieren sie die Risiken in ihren Portfolios. Die US-Bank Morgan Stanley zum Beispiel rät seit Kurzem dazu, Aktien im globalen Portfolio unterzugewichten.

Columbia Threadneedle Asset Management hat die Aktienquote auf neutral gesenkt, ebenso wie NN Investment Partners. Auch Blackrock wird vorsichtiger: „Durch die Notenbanken bekommen die Investoren noch etwas Zeit, aber die sollten sie nutzen, um ihre Portfolios widerstandsfähiger zu machen“, sagt Kapitalmarktstratege Herrmann. Klar ist: Die Abkopplung der Börsen von der Realwirtschaft könnte die Börsen bald schmerzhaft einholen.