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Eine Airline stirbt den Tod auf Raten

Air Berlin auf Schrumpfkurs - Eine Airline stirbt den Tod auf Raten

Schlanker, fokussierter und dazu noch ab 2018 operativ profitabel: Was Air-Berlin-Chef Stefan Pichler verspricht, dürfte ihm vom arabischen Großaktionär Etihad souffliert worden sein. Als Märchen aus 1001 Nacht.

Denn das Konzept ist randvoll mit Ungereimtheiten. So will Pichler sein Linienfluggeschäft auf 75 Maschinen verkleinern, indem er 40 Airbus-Flieger an den Rivalen Lufthansa per Chartervertrag abgibt. Dass Air Berlin dadurch profitabler wird, ist heftig zu bezweifeln. Denn die Overheadkosten, also fixe Kosten etwa für Vertrieb, Verwaltung und Marketing, wird Pichler kaum im selben Maße zurückschrauben können.

Was der Schrumpfkurs tatsächlich bedeuten wird, kann der Airline-Chef schon jetzt in seinen eigenen Bilanzen nachlesen. Seit 2013 trennt sich immer wieder von unrentablen Strecken und streicht das Angebot zusammen. Die Kosten pro Sitzkilometer (ohne Kerosin) trieb das dennoch um sieben Prozent nach oben. Der Profit pro Sitzkilometer sank um ein Prozent, was am Ende dann auch den Betriebsgewinn belastete.

Das Minus vergrößerte sich innerhalb von zwei Jahren von 232 auf 307 Millionen Euro. Zur Mitte des Jahres 2016 war der Konzern mit fast einer Milliarde Euro überschuldet. Die Nettoverschuldung stieg fast auf dieselbe Höhe.

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Billigwettbewerber wie Ryanair oder Easyjet kennen das Risiko, das ein schrumpfendes Geschäft mit sich bringt. Sie expandieren deshalb selbst dann, wenn die zusätzlichen Routen nur noch geringe Erträge versprechen. Dass Pichler nun gegen die industrielle Logik ankämpft, könnte seiner Airline jetzt einen Tod auf Raten bescheren.

Ebenso fragwürdig erscheint sein Plan, den Schwerpunkt des Geschäfts auf den Transatlantikverkehr zu legen. 60 Prozent des Umsatzes sollen künftig von dort kommen. 2017 will Pichler dazu sogar neue 330-Maschinen in Betrieb nehmen.


Restrukturierung bringt erhebliche Kosten

Doch ausgerechnet hier droht zunehmende Konkurrenz der Billigflieger. Die isländische Wow Air bietet schon jetzt mit A320-Mittelstreckenjets günstige Verbindungen zwischen Europa und Nordamerika, jeweils mit Zwischenstopp im isländischen Keflavik. Auch die amerikanische Jetblue denkt darüber nach, Billigflüge über den Atlantik anzubieten. Der Preisdruck wird damit auch für Air Berlin größer.

Zudem kommen auf die hoch verschuldete Airline erhebliche Kosten durch die geplante Restrukturierung zu. Der verkündete Abbau von bis zu 1200 Stellen wird laut Pichler einen „hohen zweistelligen Millionenbetrag“ verschlingen. Woher das Geld kommen soll, verrät er selbst auf Nachfrage nicht.

Und auch die Ausgliederung des Touristikgeschäfts, das 35 Flugzeuge umfasst, löst die Probleme nicht. Branchengerüchten zufolge sollten sie mit der Flotte des Urlaubsanbieters Tuifly vereint werden. Dass der Name des möglichen Kooperationspartners von Pichler am heutigen Mittwoch nicht einmal genannt wurde, lässt auf zähe Verhandlungen schließen.

Und in der Tat hegt Tui-Vorstandschef Fritz Joussen nur geringe Sympathien für das konzerneigene Fluggeschäft. Bei Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren hätte er es am liebsten gleich veräußert, weil zugekaufte Flugkapazitäten billiger zu haben waren. Inzwischen hat er sich entschlossen, daran festzuhalten, den Betrieb aber zu sanieren. Zudem hat Tui eine Flotte von 14 überzähligen Flugzeugen bereits jetzt verchartert – ausgerechnet an .

KONTEXT

Wer hat was von der Air-Berlin-Zerschlagung?

Die Beschäftigten

Air Berlin will bis zu 1200 Vollzeitstellen streichen. Den Mitarbeitern sollen Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung innerhalb der Etihad Airways Partners Group angeboten werden. Das fliegende Personal dürfte dagegen zunächst keine Entlassungen fürchten, weil die geplanten Flüge unter der Eurowings-Flagge ja weiter absolviert würden. Bei allen beteiligten Airlines machen sich die Gewerkschaften dennoch Sorgen um das bisherige Lohn-Niveau und die Sicherheit der Arbeitsplätze. Bei Air Berlin hieß es: "Das Unternehmen nimmt unverzüglich Gespräche mit Vertretern der Betriebsräte auf, um bis Februar 2017 freiwillige und betriebsbedingte Kündigungen zu bestätigen."

Die Passagiere

Weniger Auswahl, höhere Preise - das ist die Gleichung, die der Wettbewerbsexperte Justus Haucap für den Lufthansa-Air-Berlin-Deal aufmacht. "Die Erfahrung zeigt: Wenn man auf einer Strecke die Reduktion von zwei auf einen Anbieter hat, muss man schon sehr gutgläubig sein, wenn man denkt, dass die Preise dort nicht steigen." Konkurrenten wie Ryanair und Easyjet bräuchten Zeit, um auf den Strecken nachzuziehen. "10 bis 20 Prozent höhere Preise halte ich für realistisch. Das würde vor allem Vielflieger und Geschäftsreisende treffen." Der Experte geht davon aus, dass das Geschäft ein Fall für das Bundeskartellamt wird, das dann möglicherweise wieder für mehr Wettbewerb auf den Strecken sorgt. "In anderen Fusionsverfahren gab es beispielsweise die Auflage, einzelne Slots (Start- und Landerechte) für die Konkurrenz freizugeben."

Air Berlin selbst sieht den Schritt dagegen als Voraussetzung für mehr Effizienz. "Eine schlankere, dynamische und stärkere Air Berlin ist zukunftsfähig", betonte Vorstandschef Stefan Pichler. Im Langstrecken-Geschäft sei sogar der Aufbau neuer Verbindungen vor allem in die USA geplant.

Lufthansa

Europas größter Luftverkehrskonzern ist im Billigsegment auf Aufholjagd und will dringend wachsen. Die Europaflotte der Eurowings von derzeit 90 Jets würde mit dem Leasing-Deal schnell und ohne großes wirtschaftliches Risiko um bis 35 Maschinen wachsen und das vorhandene Netz aus Hamburg und Stuttgart ergänzen. Mit einer schnellen Übernahme der touristischen Air-Berlin-Flüge vermeidet Lufthansa zudem, dass die Start- und Landeslots neu vergeben werden.

Weitere 29 Mittelstreckenjets dürften von der bisherigen Minderheitsbeteiligung Brussels Airlines kommen, die Lufthansa Anfang 2017 ganz unter ihre Fittiche nehmen will. Mit dann mehr als 150 Maschinen wäre Eurowings hinter Ryanair (aktuell 357 Jets) und Easyjet (256) die klare Nummer drei in Europa. Brussels hat auch Regionalflugzeuge in der Flotte sowie neun Langstreckenjets vom Typ Airbus A330 - dem gleichen Modell, das auch Eurowings schon auf Billig-Langstreckenflügen einsetzt.

Etihad

Für die arabische Fluglinie ist Air Berlin bisher ein Fass ohne Boden. Seit die Araber Anfang 2012 als Großaktionär und Kooperationspartner bei den Berlinern eingestiegen sind, haben sie schon mehr als eine Milliarde Euro zugeschossen. Mehrere Sanierungsprogramme konnten nicht verhindern, dass Air Berlin immer mehr Geld verschlang, ohne welches zu verdienen. Nur Geldspritzen vom Persischen Golf hielten die Gesellschaft in der Luft. Durch die Deals mit Lufthansa kann Etihad zumindest einen Teil des Lochs stopfen - und Etihad-Chef James Hogan hätte in der Heimat weniger Erklärungsbedarf. Die verbleibende Air Berlin mit 75 Flugzeugen dürfte weiterhin die gewünschte Rolle als Zubringer für Etihads Langstrecken-Drehkreuz Abu Dhabi spielen.

Tui

Für die Mitte 2007 aus dem Billigflieger HLX und Hapagfly entstandene Tuifly könnte die Aufteilung von Air Berlin eine Neuordnung ihres Fluggeschäfts bedeuten. Tuifly als Saison-Airline bietet bislang ohne Drehkreuze vor allem Direktflüge zu den angebotenen Urlaubszielen an. Der Mutterkonzern Tui aus Hannover hat schon heute das Problem, in der Hauptsaison zu wenige und in der Nebensaison zu viele Flugzeuge zu haben. Die langfristig samt Besatzung an Air Berlin vercharterten 14 Boeing-737-Jets müssten nach den bisherigen Spekulationen künftig wieder in Eigenregie profitabel in die Luft gebracht werden. Insidern zufolge kämen noch 17 Maschinen der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki hinzu, so dass auch eine komplette Ausgliederung der Flugsparte möglich scheint.