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Airbus schrammte nur knapp an der Pleite vorbei

Ein Gerichtsverfahren hätte Airbus Kopf und Kragen kosten können. Der Flugzeugbauer hätte seine wichtigsten Märkte in Übersee verloren.

Der Konzern muss sich die kommenden drei Jahre an neue Compliance-Vorschriften halten. Foto: dpa
Der Konzern muss sich die kommenden drei Jahre an neue Compliance-Vorschriften halten. Foto: dpa

Die Behörden in Frankreich, Großbritannien und den USA haben ihre Ermittlungen gegen Airbus ausgesetzt. Nun wird deutlich, in welcher Gefahr der Flugzeugbauer geschwebt hat: Eine Verurteilung hätte der deutsch-französische Hersteller wohl kaum überlebt, jedenfalls nicht in seiner heutigen Form.

Die britische Richterin Victoria Sharp schreibt in ihrem Urteil vom vergangenen Freitag, dass das Unternehmen im Falle einer Verurteilung den Zugang zu seinen wichtigsten Märkten in Europa und Übersee verloren hätte. Den finanziellen Schaden dabei schätzt sie auf bis zu 200 Milliarden Euro, mehr als das Dreifache des Jahresumsatzes. Tausende Mitarbeiter bei Airbus selber und bei Zulieferern hätten ihren Arbeitsplatz verloren, die jährliche Wirtschaftsleistung in mehreren europäischen Ländern wäre um rund 100 Milliarden Euro niedriger ausgefallen.

Kein Gerichtsverfahren

Für die Richterin ist das ein relevantes Argument dafür, auf ein Gerichtsverfahren zu verzichten. Da Airbus sich über Jahre hinweg „schwere Kriminalität“, ja ein „ungeheuerliches Verhalten“ zuschulden kommen ließ, „auf allen Kontinenten“, auf denen das Unternehmen aktiv ist, bestand an einer Verurteilung kein Zweifel. Das Top-Management sei an den kriminellen Handlungen beteiligt gewesen: „senior and very senior“ Entscheider hätten mitgemacht.

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Die Schwere der Folgen einer Verurteilung müsse aber abgewogen werden, gegen das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung. Da Airbus vollumfänglich kooperiert und einen großen Teil seines Managements ausgetauscht habe, und weil die Strafe mit 3,6 Milliarden Euro eine empfindliche Größenordnung habe, sei eine außergerichtliche Einigung (defered prosecution agreement) zu rechtfertigen. Verstößt Airbus in den nächsten drei Jahren gegen die beschlossenen Auflagen im Hinblick auf seine Governance, lebt das Verfahren wieder auf. Das Unternehmen steht nun unter der Aufsicht der französischen Antikorruptionsbehörde AFA. In den USA muss es einen externen Überwacher zulassen.

Markt für Zivilflugzeuge verzerrt

Die Richterin schätzt den Gewinn aus fünf Korruptionsfällen, die allein detailliert herangezogen wurden, auf 500 Millionen bis eine Milliarde Euro. Airbus, das in einem Duopol mit Boeing agiere, habe durch seine Korruption den Markt für Zivilflugzeuge verzerrt. In Malaysia habe Airbus durch die Zahlung von 50 Millionen Euro an Bestechungsgeldern an „die Direktion und Mitarbeiter“ von AirAsia und AirAsiaX mindestens 180 Flugzeuge zusätzlich abgesetzt.

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Die Unterlagen der britischen Betrugsbekämpfungsbehörde SFO zeigen, in welchem Ton der Konzern und die Geschmierten miteinander verkehrten: „Ich habe die Nase voll, ihr schuldet mir schon vier Millionen und insgesamt 16 Millionen, die hätten schon längst gezahlt werden müssen, als ich die ersten 60 Flugzeuge gekauft habe,“ schrieb im Juli 2010 ein wütender Air Asia-Mitarbeiter.

Die Auseinandersetzung zog sich hin. Um das Geld fließen zu lassen, sponsorte Airbus in diesem Fall ein „Sports team“, bei dem sich die AirAsia-Leute bedienten. Ein „senior“ Mitarbeiter von Airbus antwortete dem reproduzierten Mailverkehr zufolge: „Ich stehe zu meiner Verpflichtung von 50 Millionen und lege noch was drauf, bis 55 Millionen.“

Intern verständigten sich die Airbus-Manager darauf, mit welchen Tricks und Schlichen die eigene Compliance-Abteilung und die Auditors ausgetrickst werden konnten: „Ich muss den Rechnungsprüfern nur irgendwas Ernsthaftes vorlegen können, mir ist egal, was es ist,“ schreibt ein Verantwortlicher.

Ein anderer informierte das Top-Management: „Ich glaube X hat einen sehr guten Job gemacht, wir haben jetzt eine Struktur, die sich mit unseren internen Regeln vereinbaren lässt.“ Gericht und SFO kennen die Verantwortlichen, nennen sie aber nicht beim Namen, um ihre Rechte in noch bevorstehenden Gerichtsverfahren gegen einzelne Personen nicht zu beeinträchtigen. Die Einigung vom Freitag schützt nur das Unternehmen, nicht aber Individuen vor Strafverfolgung.

Vollumfängliche Kooperation mit den Behörden

In den vergangenen vier Jahren haben die französischen, britischen und amerikanischen Behörden in enger Zusammenarbeit mehr als 30 Millionen Dokumente untersucht. Airbus wird zugutegehalten, anfangs nur zögerlich, dann aber vollumfänglich kooperiert zu haben. Airbus habe die Ermittler sogar auf Korruptionsfälle hingewiesen, von denen sie keine Ahnung hatten. Zu verdanken ist das Chefjustitiar John Harrison, der intern die Zusammenarbeit mit den Korruptionsjägern durchsetzte.

Die mögliche Schmiergeldzahlung für den Verkauf von Eurofighter-Kampfflugzeugen an Österreich haben die Richter außen vorgelassen. Sie nehmen lediglich zur Kenntnis, dass Airbus sich in Deutschland mit den Justizbehörden verständigt und 82 Millionen Euro gezahlt hat. Die deutsche Staatsanwaltschaft habe keine Beweise für Bestechung gefunden.

Insgesamt fünf Fälle

Die fünf Fälle, die Grundlage für das am Freitag beschlossene Bußgeld von 3,6 Milliarden Euro sind, betreffen Malaysia, Sri Lanka, Taiwan, Indonesien und Ghana. Die Richterin hebt hervor, dass die Kanäle für den Fluss der Schmiergelder meist von der „Strategy and Marketing Organisation“ ausgehoben wurden. Die habe aber nicht auf eigene Faust gehandelt, sondern in enger Abstimmung mit dem Company Development and Selection Committee (CDSC), in dem auch das Top-Management vertreten war. „Einige der CDSC-Mitglieder kannten die Gesetzesverstöße oder waren daran beteiligt“, schreibt die Britin.

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„Die Anzahl der Länder, der Maßstab und Umfang der Gesetzesverstöße zeigen, dass Bestechung in zwei Kernaktivitäten von Airbus endemisch war“, heißt es im Urteil. An dem kriminellen Vorgehen seien „eine Anzahl sehr hochrangiger, hochrangiger und anderer Mitarbeiter beteiligt gewesen, auch solche mit Compliance-Verantwortung“. Acht von 12 Mitgliedern des Vorstands seine mittlerweile ausgeschieden. Das wertet das Gericht als Zeichen dafür, dass Airbus sich um einen ehrlichen Neuanfang bemüht. Darüber hinaus sei 63 beteiligten Personen gekündigt worden, oder sie hätten freiwillig das Unternehmen verlassen.

Der Neuanfang wird für Airbus noch steinig: Geschädigte Marktteilnehmer können zivilrechtlich gegen das Unternehmen vorgehen. Außerdem ist Airbus laut der Einigung dazu verpflichtet, den Ermittlern in den noch anhängigen Verfahren gegen Einzelpersonen innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu helfen. Das kann das Unternehmen noch über Jahre hinweg in Atem halten.

VIDEO: Airbus einigt sich mit Justiz