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Airbus und Boeing produzieren fleißig Jets – für den Parkplatz

Bei Airbus reihen sich wieder weit mehr als hundert Maschinen aneinander, die von Airlines einfach nicht abgenommen werden. Beim Erzrivalen Boeing sind es sogar deutlich mehr. Wie dramatisch die Lage wirklich ist.

Wenn Airbus-Chef Guillaume Faury dieser Tage aus der Hauptverwaltung des Luftfahrtkonzerns über den nahen Flughafen Toulouse blickt, erlebt er ein ungewohntes Bild. Obwohl auf dem Landeplatz der südfranzösischen Stadt nur wenige Flüge starten, ist das Areal voller Flugzeuge – die meisten lackiert in den Farben nicht-europäischer Gesellschaften. So standen da vorige Woche A320 für Flynas aus Saudi-Arabien oder Viva Air aus Kolumbien. Die meisten der bis zu 50 Maschinen sind fabrikneu und bewegen sich seit Wochen nicht mehr. Auch in der Außenstelle im Hamburger Stadtteil Finkenwerder stehen derzeit bis zu 40 Jets.

Das Gros der Maschinen ist unfreiwillig am Boden. Die Jets sind für Fluglinien oder Finanzierungsgesellschaften bestimmt, die das teure Gerät zwar bestellt und zu einem großen Teil bezahlt haben. Doch weil der Flugverkehr in der Coronakrise weltweit mit wenigen Ausnahmen auf bestenfalls ein Viertel eingebrochen ist, können sie die Jets gerade nicht brauchen und es sich angesichts der leeren Kassen auch nicht leisten. So hat etwa allein die Lufthansa derzeit rund 120 offene Bestellungen für Flugzeuge bis zur Mitte des Jahrzehnts bei Faury. „Aber streng genommen brauchen wir in der jetzigen Situation erst mal kein einziges davon“, so Konzernchef Carsten Spohr.

Für die Halde sorgt, dass die Annahmeverweigerung im Frühjahr überraschend kam und Airbus die Produktion nicht schnell genug anpassen konnte. „Bis Februar wollten wir wegen der gewaltigen Nachfrage unsere Produktion noch steigern“, sagt der 52-jährige Faury. „Da fällt eine Kehrtwende rein technisch nicht ganz leicht.“ Also spuckten die Hallen monatelang weiterhin bis zu drei Jets pro Arbeitstag aus.

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Die vollen Stellplätze in Norddeutschland und Südfrankreich zeigen noch nicht einmal die ganze Misere. Denn insgesamt hat Airbus nicht 90, sondern eine spürbar dreistellige Zahl Maschinen der Kategorie „bestellt und nicht abgeholt“ geparkt. Laut einer Übersicht des britischen Datenspezialisten Cirium waren es zuletzt 144 Exemplare (siehe Tabelle). Besonders alarmierend daran: Ein Drittel der auf Halde stehenden Maschinen sind teure Langstreckenflugzeuge. Dabei haben die Großflieger an der Produktion nur einen Anteil von einem Sechstel.

Airbus bestätigt gegenüber der WirtschaftsWoche die Größenordnung, sieht die Zahl jedoch niedriger. Am Freitag will der Konzern die genaue Zahl nennen, mit Daten über die Auslieferungen und Bestellungen bis Ende September.

Ob nun 130 oder 144 – damit steht Airbus sogar noch verhältnismäßig gut da. Denn Erzrivale Boeing muss laut Cirium 478 Maschinen unterbringen, für die sich derzeit kein Abnehmer findet. Darunter sind nicht nur 423 Flieger des Modells 737 Max, das nach zwei Abstürzen nicht starten darf und seit März 2019 auf eine Wiederzulassung wartet. Es warten auch 55 Großraumflieger darauf, abgeholt zu werden. Darunter sind sogar 44 nagelneue Dreamliner 787, die viele angeschlagene Fluglinien angesichts der niedrigen Betriebskosten eigentlich gut gebrauchen könnten.

Bei Airbus weckt die hohe Zahl unschöne Erinnerungen an eine Zeit vor zwei Jahren. Bereits damals liefen die Stellplätze der Werksflughäfen mit bis zu gut 100 Jets über. Grund waren Probleme mit den Triebwerken des neuen und besonders effizienten Mittelstreckenjets A320neo. Um die Motoren besonders leicht und sparsam zu machen, waren einige Teile etwas schwach konstruiert und mussten ersetzt werden. Doch das dauerte angesichts der schnellen Produktion und der langsamen Zulassung weit länger als ein Jahr. „Dank der Corona-Probleme haben wir das Thema aber gelöst“, so ein Airbus-Insider.

Auch wenn bei Airbus heute mehr Maschinen geparkt sind als damals, ist die Lage aus drei Gründen entspannter. Zum einen droht diesmal nicht der Platz auszugehen. Weil weniger Flüge stattfinden, gibt es mehr Platz in Hamburg und Toulouse. Dazu könnten die Landeplätze heute gar nicht überlaufen. Denn anders als bei der Triebwerkskrise haben die geparkten Maschinen funktionsfähige Motoren und können notfalls anderswo zu günstigeren Bedingungen abgestellt werden. Das ist besonders dann ein Vorteil, wenn die vorgesehene Fluglinie ihre bestellte Maschine erst viel später oder auch gar nicht abnehmen kann. „Mitteleuropa im Herbst bietet ja nicht das ideale Klima, um die Fluggeräte ohne das Risiko von Korrosion längere Zeit abzustellen“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.

Dazu sorgen die Jets nur in einem geringen Umfang für Mehrkosten. Weil bei den Motorenproblemen am Ende Airbus in der Verantwortung war, musste der Konzern die Fluglinien entschädigen, wenn die ihre bestellten Flieger später bekamen als vereinbart.

Diesmal jedoch sind es die Airlines und Flugzeugfinanzierer, die eine Auslieferung verhindern: Da sie für die Maschinen nach einer Anzahlung von in der Regel zehn Prozent des Kaufpreises weiteres Geld nach Baufortschritt zahlen müssen, hat Airbus bis zur Auslieferung mindestens die Hälfte der vereinbarten Summe auf dem Konto. Airbus hat bereits einigen Linien gegenüber mit Klagen oder Zwangsmaßnahmen gedroht – und schreckte dabei sogar vor einem Rechtsstreit mit Großabnehmer Qatar Airways nicht zurück. „Die finanzielle Last ist darum kein entscheidendes Problem für uns“, so ein Airbus-Mitarbeiter.

Am meisten Mut dürfte Airbus-Chef Faury jedoch machen, dass die Zahl der nicht übergebenen Jets in den vergangenen Wochen wider Erwarten gesunken ist. Obwohl die Fluglinien wegen der zunehmenden Reisebeschränkungen seit Juli insgesamt fast 50 Prozent weniger Flüge anbieten, hat Airbus statt damals 166 verschmähten Geräten nun 22 weniger auf dem Hof. „Der Berg schmilzt“, freut sich ein Sprecher über das erfolgreiche Halden-Management.

Anders ist die Lage bei Boeing. Hier stieg die Zahl seit Juli um 16 Exemplare. Darunter sind auch 13 weitere Dreamliner 787, die dem Hersteller den größten finanziellen Überschuss bringen.

Dass bei Airbus weniger Jets warten als noch im Hochsommer, liegt zum einen daran, dass der Konzern die Produktion inzwischen runtergefahren hat. Lag die Produktionskapazität etwa beim Bestseller A320 zur Jahreswende noch bei bis zu 65 Exemplaren pro Monat, sind es nun weniger als 40.

Entscheidend ist jedoch, dass die Europäer ihre Kunden dazu bringen konnten, mehr Jets abzunehmen. Und darunter befanden sich auch Maschinen, die mal für Wettbewerber bestimmt waren. Ein Blick auf die jüngsten Auslieferungen zeigt, dass sich vor allem Billigflieger wie Wizz Air, Viva Jet oder die US-Preisbrecher Jetblue, Spirit und Allegiant Air mit neuem und sparsamerem Gerät für den kommenden Verdrängungswettbewerb rüsten. „Das ging über gute Worte und bessere Konditionen“, so ein Airbus-Insider. „Eine zusätzliche Auslieferung mit einem mehr oder weniger versteckten Extra-Rabatt ist angesichts der klammen Kassen für uns derzeit besser als einen halb bezahlten Flieger zu parken.“ Zumal sich Airbus durch die stramme Automatisierung der Produktion der vergangenen Jahre besonders bei den A320 einen Nachlass eher leisten könne.

Darum rechnet Airbus auch damit, dass der Produktionsberg weiter schmilzt. „Wir hoffen, dass wir in dem Jahr noch auf unter 100 Jets kommen und uns im nächsten Jahr der Null-Linie nähern“, so ein Insider.

Mehr zum Thema: Eine exklusive Übersicht zeigt: Unter den Flugzeugen, die wegen Corona am Boden bleiben, sind auch viele neue und umweltfreundliche Jets.