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Air Berlin wird filetiert

el

Druck aushalten – das kennt man am Saatwinkler Damm in der Nähe des Flughafens Berlin-Tegel. Seit Jahren ächzt Air Berlin unter diversen Schwerlasten. Mehr als eine Milliarde Euro Schulden, ein negatives Eigenkapital, immer stärker werdende Konkurrenz selbst auf den viele Jahre lukrativen Mallorca-Verbindungen – in der schmucklosen Zentrale von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft weiß man nur zu gut, wie schwer das Geschäft mit dem Fliegen ist.

Mittlerweile, gut zehn Jahre nach dem Börsengang, ist aber klar: hat diesen Kampf endgültig verloren. Die Airline mit den rot-weißen Flugzeugen steht vor der Zerschlagung. Die kommenden Monate werden für Air Berlin zu einem Schicksalsjahr. Die beliebten Schokoherzen, die jeder Passagier nach dem Flug bekommt und die trotz aller Krisen niemals abgeschafft wurden, könnten bald Vergangenheit sein. Wie schnell das gehen wird, ist allerdings unklar.

Fest steht bis jetzt: Lufthansa wird 38 Flugzeuge von Air Berlin mieten. Den entsprechenden Vertrag haben die beiden Unternehmen kurz vor Weihnachten unterzeichnet. Er hat eine Laufzeit von sechs Jahren. Danach werden 33 Maschinen vom Typ A319 und A320 ab Februar sukzessive in die -Billigtochter Eurowings integriert. Sie sollen außen wie innen im Design von Eurowings umgestaltet werden. Weitere fünf Flugzeuge gehen zur österreichischen Lufthansa-Tochter AUA.

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Ein zweiter Teil, der Touristikverkehr mitsamt Flugzeugen und Crews, wird in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Ferienfluggesellschaft Tuifly eingebracht. An der neuen Gesellschaft mit dem Arbeitsnamen Blue Sky soll der Air Berlin-Großaktionär Etihad mit rund 25 Prozent beteiligt sein. Auch dieser Vertrag steht mittlerweile.

Offen ist hingegen, was mit der verbleibenden Air Berlin geschehen wird. Geplant ist, die auf dann 75 Flugzeuge geschrumpfte Fluggesellschaft auf Langstrecken etwa nach Nordamerika zu konzentrieren. Air Berlin wäre damit ein so genannter Netzwerk-Carrier, der seine Verkehre über Drehkreuze – in diesem Fall Düsseldorf und Berlin – steuert. Damit würde die Airline noch stärker als bisher gegen eine Lufthansa antreten. Luftfahrt-Experten halten das deshalb für einen kaum zu realisierenden Plan. „Deutschland braucht einfach keinen zweiten Netzwerkcarrier. Zudem hat Air Berlin nicht die erforderlichen finanziellen Mittel, um in diesem Wettbewerb bestehen zu können", sagt Gerald Wissel vom Beratungsunternehmen Airborne Consulting in Hamburg.

Wahrscheinlicher ist deshalb ein anderes Szenario: Auch der verbleibende Teil von Air Berlin landet bei Lufthansa. Schon länger wird in Lufthansa-Kreisen berichtet, dass Konzern-Chef Gefallen auch an der Langstreckenflotte von Air Berlin hat. Flugzeuge wie etwa der A330 würden zum Beispiel gut zu Eurowings passen. Spätestens seit der Berufung des Lufthansa-Managers Thomas Winkelmann an die Spitze von Air Berlin ist klar, dass die Beteiligten bereits emsig an der Realisation des Szenarios arbeiten. Lufthansa-Chef Spohr soll, so wird berichtet, die Personalie mit James Hogan, Chef der Etihad-Airline-Gruppe, ausgehandelt haben.


Neue Etihad-Strategie könnte Verkauf an Lufthansa beschleunigen

Vordergründig soll Winkelmann dafür sorgen, dass die von Eurowings gemieteten Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge auch tatsächlich fliegen. In Wirklichkeit soll der erfahrene Luftfahrt-Manager aber die Integration der Rest-Air Berlin in Lufthansa vorbereiten.

Wie schnell es dazu kommen wird, ist allerdings unklar – denn einige Fragen sind noch offen. Zum einen hängt eine solche Transaktion nicht zuletzt von den Plänen des Air Berlin-Großaktionärs Etihad ab. Dort ist die Unruhe derzeit groß. Unternehmenschef Hogan steht Informationen aus Abu Dhabi zu Folge vor der Ablösung. Gleichzeitig überprüft Etihad sein gesamtes Engagement in Europa, darunter auch die ebenfalls defizitäre Alitalia.

Anfang dieses Jahres soll die neue Strategie stehen, zu der unter Umständen auch ein Verkauf der Beteiligungen gehören könnte. In dem Fall könnte die restliche recht schnell unter das Dach von schlüpfen. Beschleunigend könnte zudem wirken, dass Air Berlin schon bald wieder frisches Geld braucht, weil Anleger ab März eine Wandelanleihe zurückgeben können. Wenn Etihad diese Mittel nicht mehr bereitstellen sollte, müsste rasch eine alternative Lösung gefunden werden.

Doch es gibt in der Branche Stimmen, die sagen, es werde versucht, zunächst ein wenig das Tempo aus der Konsolidierung zu nehmen. Die neue Air Berlin werde deshalb wohl wie geplant im April 2017 an den Start gehen, heißt es im Umfeld von Air Berlin und Lufthansa. Denn es gebe noch Hürden, die bewältigt werden müssten. So werden die Langstreckenflugzeuge von Air Berlin zu einem großen Teil von früheren LTU-Piloten geflogen, die noch Tarifverträge zu sehr komfortablen Bedingungen besitzen. An einer Übernahme dieser Konditionen dürfte Lufthansa-Chef kaum Interesse haben. Sowieso ist es für die Lufthansa-Spitze heikel, den streikwilligen Spartengewerkschaften im eigenen Haus eine so massive Aufstockung des fliegenden Personals mit ganz anderen Tarifverträgen als die bei Lufthansa und Eurowings schmackhaft zu machen.

Zudem bedeutet der Plan eine gewaltige Integrationsaufgabe für Eurowings. Dort steht bereits die Eingliederung der Lufthansa-Tochter Brussels sowie der 33 Air Berlin-Flugzeuge auf dem Programm. Nun auch noch die Langstreckenflugzeuge von Air Berlin aufzunehmen, halten Lufthansa-Kenner zumindest kurzfristig für kaum machbar. Zumal mit dem früheren Telefonica-Deutschland-Chef Thorsten Dirks im Mai 2017 auch noch ein Manager die Geschäfte von Eurowings übernehmen wird, der bislang keine Erfahrung im Management einer Airline vorweisen kann.

Gut möglich also, dass sich die Passagiere auf der Langstrecke vorerst weiter auf die Schokoherzen zum Abschied freuen dürfen.

KONTEXT

Die Baustellen bei Eurowings

Große Herausforderungen für den neuen Chef

Lufthansa hat die Latte für sein neues Vorstandsmitglied Thorsten Dirks ordentlich hoch gelegt. Der frühere Chef der Telekommunikationsanbieter E-Plus und O2 muss ab Mai das Billigkonzept Eurowings zum Erfolg führen, nicht weniger erwarten Aufsichtsrat und Konzernchef Carsten Spohr von dem 53-Jährigen. Neben seiner Rolle als Ideengeber für neue Digitalstrategien muss der frühere Luftwaffen-Pilot handfeste Airline-Probleme lösen, denn die aktuell in der Verlustzone operierende Eurowings ist kompliziert aufgebaut und teurer als die Konkurrenz.

Komplizierte Integration

Die Billig-Plattform Eurowings soll eigentlich auch externen Fluggesellschaften offenstehen. Bislang sind aber nur Gesellschaften der Lufthansa-Familie unter Wings-Flagge unterwegs: Eurowings, Germanwings, die Wiener Eurowings Europe und SunExpress. 2017 kommen die kürzlich komplett übernommene Brussels Airlines und bis zu 35 Jets der Air Berlin dazu, die im so genannten "Wet Lease" zugemietet werden sollen - die niedrigste vorgesehene Kooperationsstufe mit einem Externen. Lufthansa hat ein detailliertes Regelwerk für die neu zu gewinnenden Partner aufgestellt. "Alles, womit der Kunde in Berührung kommt, soll gleich sein", sagt der scheidende Vorstand Karl Ulrich Garnadt. Bei der Integration könnten Dirks Erfahrungen aus der Fusion der Mobilfunker E-Plus und O2 sehr nützlich sein.

Wackelkandidat Air Berlin

Wenn alles klappt, gehen die 35 Jets der Air Berlin samt Personal ab Ende März 2017 für Eurowings an den Start. Der mehrjährige Mietvertrag gehört zum Rettungspaket, das AB-Großaktionär Etihad für seine deutsche Beteiligung geschnürt hat, die aber erst einmal über den einnahmeschwachen Winter gebracht werden muss. Helfen soll dabei die 300-Millionen-Euro-Spritze, die Etihad offiziell für den Verkauf der AB-Tochter Niki lockergemacht hat. Doch auch damit ist Air Berlin nicht aus dem Schneider. Dem Vernehmen nach zahlt Eurowings für die Flieger so wenig Miete, dass Air Berlin auch 2017 Geld drauflegt. Seit Jahren hält sich die Gesellschaft nur dank der arabischen Finanzspritzen in der Luft. Ein Aus würde künftig auch Eurowings treffen. Lufthansa-Insider behaupten aber, das Problem einer möglichen Insolvenz im Griff zu haben und den Flugbetrieb auch in diesem Fall schnell weiterführen zu können.

Kein Frieden mit den Gewerkschaften

In den zersplitterten Fluggesellschaften, die Flüge der Marke Eurowings anbieten, haben unterschiedliche Gewerkschaften das Sagen, die zudem nach Berufsgruppen aufgeteilt sind. Die Piloten der Vereinigung Cockpit bekämpfen das Wings-Konzept ohnehin nach Kräften, legten in der Vergangenheit auch immer wieder die größte Teilgesellschaft Germanwings lahm. Beim Kabinenpersonal der kleineren Eurowings GmbH bekämpfen sich die Gewerkschaften Verdi und Ufo mit wechselnden Streikszenarien, wobei eine Klarstellung durch das Tarifeinheitsgesetz noch in weiter Ferne liegt. Bei den Passagieren kann sich der Eindruck festsetzen, dass bei Eurowings und Lufthansa immer irgendwo gestreikt werde.

Kaum noch Nischen

Lufthansa bietet im Eurowings-Plattformkonzept auch Fernflüge an. In den wenigen, ebenfalls geleasten Langstreckenjets sitzen Piloten der deutsch-türkischen Sun Express. Lowcost rechnet sich auf lange Entfernungen aber deutlich schlechter, weil Crews übernachten müssen und komplizierte Umläufe entstehen. Technische Probleme können schnell zu massiven Verspätungen führen, wie die Lufthansa-Tochter bereits mehrfach schmerzhaft erfahren hat. Außerdem drängen andere Gesellschaften wie Norwegian und WOW Air (über Island) in das Nordatlantikgeschäft. Aus den asiatischen Massenmärkten will unter anderem der malaysische Billigriese Air Asia künftig nach Europa und zurück fliegen.

Brexit macht Billig-Konkurrenz aggressiver

Eigentlich könnte der Brexit der Lufthansa fast schnuppe sein. Das Großbritannien-Geschäft ist für den Konzern nicht bedeutend, und das billige britische Pfund lockt zusätzliche Urlauber auf die Insel. Doch der erwartete EU-Austritt des Landes treibt Europas größten Billigflieger Ryanair aus Irland noch stärker auf den Kontinent. Ryanair-Chef Michael O'Leary will seine für das nächste Geschäftsjahr erwarteten 50 neuen Flugzeuge nur außerhalb Großbritanniens einsetzen. Die britische Rivalin Easyjet fürchtet um ihre Verkehrsrechte - und plant den Aufbau eines Flugbetriebs innerhalb der Europäischen Union. Für Lufthansa und ihre Tochter Eurowings droht der Wettbewerb noch härter zu werden, weil sie trotz aller Anstrengungen das Kostenniveau der Herausforderer nicht erreicht. Schon heute macht der Ansturm der Konkurrenz dem Konzern an vielen deutschen Flughäfen zu schaffen. Ab März landet Ryanair auch am größten Lufthansa-Drehkreuz in Frankfurt.