Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    17.737,36
    -100,04 (-0,56%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.918,09
    -18,48 (-0,37%)
     
  • Dow Jones 30

    37.986,40
    +211,02 (+0,56%)
     
  • Gold

    2.402,90
    +4,90 (+0,20%)
     
  • EUR/USD

    1,0658
    +0,0011 (+0,11%)
     
  • Bitcoin EUR

    60.185,59
    +614,73 (+1,03%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.379,99
    +67,37 (+5,13%)
     
  • Öl (Brent)

    83,25
    +0,52 (+0,63%)
     
  • MDAX

    25.989,86
    -199,58 (-0,76%)
     
  • TecDAX

    3.187,20
    -23,64 (-0,74%)
     
  • SDAX

    13.932,74
    -99,63 (-0,71%)
     
  • Nikkei 225

    37.068,35
    -1.011,35 (-2,66%)
     
  • FTSE 100

    7.895,85
    +18,80 (+0,24%)
     
  • CAC 40

    8.022,41
    -0,85 (-0,01%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.282,01
    -319,49 (-2,05%)
     

PR-Berater zu „Made in Germany“: „Das Vertrauen in die deutsche Verlässlichkeit wurde zerstört“

„Made in Germany“ leidet unter den Skandalen von VW, Deutsche Bank und Co. Der Chef der PR-Beratung Edelman erklärt, was CEOs daran ändern können.

Deutschlands Ruf als Wirtschaftsnation hat im vergangenen Jahr schweren Schaden genommen. „Nach Dieselgate, den Deutsche-Bank-Skandalen und den Klagen gegen Bayer und Monsanto hat das Vertrauen in deutsche Unternehmen stark abgenommen“, sagte Richard Edelman, Chef der US-Kommunikationsagentur Edelman, im Handelsblatt-Interview.

In dem renommierten „Trust Barometer“ analysiert Edelman schon seit 20 Jahren, wie sich das Image von Ländern wie Deutschland und die USA verändert. Der Vertrauensverlust in die deutsche Wirtschaft sei gerade bei entwickelten Volkswirtschaften besonders hoch. Er fiel gegenüber dem Vorjahr um 15 Prozentpunkte auf 44 Prozent – so stark wie noch nie. „In Großbritannien vertrauen die Menschen einem deutschen Unternehmenslenker nur noch so viel wie einem chinesischen CEO. Das hat mich schockiert“, sagte Edelman.

Die Skandale würden Deutschlands Image zu einem besonders schlechten Zeitpunkt treffen, glaubt der PR-Experte. Schließlich würden Verbraucher zunehmend erwarten, dass sich Unternehmen um mehr als nur Profite kümmern.

WERBUNG

Edelman rät Unternehmenschefs dringend dazu, gerade jetzt stärker in der Öffentlichkeit sichtbar zu werden, um „Made in Germany“ zurück zu altem Glanz zu verhelfen. Schließlich würden viele Firmen sich schon längst für Nachhaltigkeit und andere Themen einsetzen, was jedoch von den Skandalen der vergangenen Jahre überschattet wurde. „Die Deutschen neigen dazu, Dinge zu tun und nicht darüber zu sprechen. Sie wollen lieber die Ergebnisse für sich selbst sprechen lassen“, sagte Edelman. „Doch sie müssen raus und ihre Geschichte erzählen.“

Lesen Sie hier das komplette Interview mir Richard Edelman

Herr Edelman, „Made in Germany“ ließ sich lange leicht verkaufen. Wie steht es heute um die Marke?
Die Marke Deutschland war in den zwanzig Jahren, in denen wir unser Vertrauensbarometer herausgebracht haben, immer die, die das meiste Vertrauen genoss. Jeder wollte bei einer Fußball-Weltmeisterschaft das deutsche Trikot tragen. Während das Vertrauen in andere Länder mal höher und mal niedriger war, war das Vertrauen in die Marke Deutschland immer hoch und stabil.

Warum?
Hohe Umweltstandards, eine gute Behandlung der Mitarbeiter, hohe Verlässlichkeit der Produkte. So hat man Deutschland sowohl in Industrienationen als auch in Schwellenländern wahrgenommen. Aber nach Dieselgate, den Deutsche-Bank-Skandalen und den Klagen gegen Bayer und Monsanto hat das Vertrauen in deutsche Unternehmen stark abgenommen. Interessanterweise hat sich der Wert nach Dieselgate zunächst etwas erholt, bis vor etwa sechs Monaten. Jetzt sehen wir wieder einen starken Einbruch. Vor allem in Industrienationen. Dort gaben nur 44 Prozent der Befragten an, dass sie deutsche Unternehmen vertrauenswürdig finden. Wir reden hier von den USA, Großbritannien, Frankreich – Schlüsselmärkte für Deutschland. Das ist ein Weckruf!

Warum gab es diesen erneuten Einbruch?
In den vergangenen Monaten waren es Bayer-Monsanto, die Deutsche Bank und ein paar Nachrichten aus der Autoindustrie, die dem Vertrauen geschadet haben. Wenn Sie einmal ein Problem haben, dann können Sie sich entschuldigen und es wieder gut machen, und die Menschen akzeptieren das. Aber wenn sie es zweimal oder dreimal machen, dann geht das nicht.

Diese Skandale kommen zu einer Zeit, in der Verbraucher zunehmend erwarten, dass sich Unternehmen um mehr als nur Profite kümmern.
Das stimmt. Gerade in Ländern mit populistischen Regierungen wird erwartet, dass Unternehmen heute die Lücke füllen, die die Politik hinterlässt. Das ist in Deutschland nicht so sehr der Fall wie in den USA oder anderen Ländern. Aber viele Unternehmen gehen stärker in die Öffentlichkeit, sprechen über LGBT…

Also die Rechte von Homo-, Bisexuellen und Transgender-Personen...
Sie fordern strengere Waffenkontrollen und mehr Nachhaltigkeit. Die Erwartungen haben sich geändert. Mittlerweile ist der eigene Arbeitgeber die Institution, der die Menschen am meisten vertrauen. Es ist also exakt der falsche Zeitpunkt für Skandale.

In den USA sagen nur noch 40 Prozent der Befragten Ihrer Studie, dass Deutschland ein guter Weltbürger ist. Das sind zwölf Prozent weniger als zuvor. Hat das auch mit Trumps Kritik an Deutschland zu tun?
Unter Republikanern hat das auf jeden Fall eine Wirkung gehabt. Lange Zeit galt Deutschland als eine faire Handelsnation. Doch dann wird betont, dass amerikanische Autos nicht so leicht in Deutschland verkauft werden können, dass es Zölle gibt, von denen der normale Amerikaner gar nichts wusste. Viele haben bei unfairem Handel nie an Deutschland gedacht, sondern höchstens an China. Vor allem unter Republikanern hat das das Vertrauen beeinflusst.

Verbraucher fordern zunehmend Transparenz von Unternehmen. Warum ist das heute so wichtig?
Weil die Menschen heute nicht nur verstehen wollen, was Sie als Unternehmen machen, sondern wie Sie es machen. Das sind die neuen Erwartungen. Da reicht ein Report über unternehmerische Sozialverantwortung oder Corporate Social Responsibility nicht aus. Die Menschen wollen die Lieferkette verstehen. Und sie richten ihren Konsum danach und ihre Entscheidung, ob sie für ein Unternehmen arbeiten wollen oder nicht. Das gilt gerade jetzt, in einer Wirtschaft mit Vollbeschäftigung.

In China und Schwellenländern wird Deutschland positiver wahrgenommen als in Industrienationen, auch was ihr Engagement vor Ort angeht. Benehmen sie sich dort besser oder sind die Erwartungen niedriger?
Vor allem in China und Indien sind Unternehmen wie Siemens und Bayer schon seit vielen Jahren. Sie sind dort Teil des lokalen Gefüges. Aber in China und Indien ist auch generell das Vertrauen in Institutionen viel höher. Ich nenne sie die Sonnenscheinstaaten. Die Menschen hinterfragen nicht so viel, auch weil die Unternehmen ihnen höhere Lebensstandards gebracht haben.

Deutschland muss nun gleich mehrere Skandale überwinden. Wie kann sich der Ruf wieder verbessern – wenn überhaupt?
Ich bin 100 Prozent überzeugt, dass es möglich ist, das Ruder herumzureißen. Die Unternehmen müssen sich auf ihre Stärken konzentrieren. Sie müssen das Vertrauen in deutsche Qualität wieder stärken. Dabei darf es nicht mehr nur um hohe Ingenieurskunst und qualitative Produkte gehen. Auch das Vertrauen, dass wissenschaftliche Studien korrekt sind, muss wiederhergestellt werden. Die Unternehmen müssen transparent sein. Verbraucher müssen ihnen vertrauen, dass die Aussagen etwa zum Spritverbrauch auch wirklich stimmen. Das ist das Wichtigste. Aber auch die CEOs müssen anführen und dabei gesehen werden.

Wie steht es um den Ruf der Vorstandschefs?
Ich finde es erschreckend, dass das Vertrauen in sie so niedrig ist. In den befragten Industrienationen liegt es bei nur 22 Prozent. In Deutschland sind es sogar nur 17 Prozent. Deutsche CEOs müssen führend dabei sein, das Vertrauen zurückzugewinnen. Sie dürfen nicht nur die Aktionäre im Blick haben, sondern auch andere Stakeholder. Und sie müssen bekannter werden. Wenn wir unsere Umfragen machen, sind wir schockiert, wie wenige Leute deutsche Unternehmenschefs kennen.

Sich so in den Vordergrund zu stellen ist nicht sehr deutsch…
Nein, das ist es nicht Aber die Zeiten für CEOs haben sich geändert. 75 Prozent der Befragten erwarten von Unternehmenschefs, dass sie eine Meinung äußern und nicht auf die Regierung warten, Entscheidungen zu fällen.

Sind deutsche CEOs denn bereit für diesen Wandel ?
Ja, ich glaube, es gibt eine neue Generation. Ich denke da zum Beispiel an die Chefs von Adidas, der Allianz und der Deutschen Bank.

Deutsche Unternehmen haben historisch schon lange Stakeholder-Werte hochgehalten und nicht nur Profite. Haben sie das verloren?
Nur 29 Prozent der Amerikaner sagen, dass die Werte deutscher Unternehmen ihren Werten entsprechen – neun Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Skandale haben das Vertrauen in die deutsche Verlässlichkeit zerstört.
Wie sieht es mit dem Vertrauen in die Verlässlichkeit der Produkte aus?
Das ist immer noch hoch. Das Vertrauen in die Werte nicht.

Wie stehen denn die deutschen CEOs in den Umfragen im Vergleich zu anderen Unternehmenslenkern da?
In Großbritannien vertrauen die Menschen einem deutschen Unternehmenslenker nur so viel wie einem chinesischen CEO. Das hat mich schockiert.

Wem vertrauen sie denn mehr?
Amerikanischen Chefs. Auch wenn hier natürlich nach den Skandalen von Boeing und Facebook auch nicht alles perfekt ist.

Engagieren die sich tatsächlich mehr für ihre Mitarbeiter und Kommunen, oder verkaufen sie sich nur besser?
Sie sind sehr aktiv. Der Chef von Starbucks engagiert sich sehr für die Umwelt, er war es auch, der die Plastik-Strohhalme abgeschafft hat. Der Chef von Levis engagiert sich gegen Waffengewalt und setzt sich für Hintergrundchecks ein. Der Chef von Walmart hat sich dafür eingesetzt, elektrische Zigaretten schnell aus dem Sortiment zu nehmen. Der Paypal-Chef engagiert sich für LGBT und suchte einen neuen Standort für das Büro in North Carolina, nachdem dort diskriminierende Gesetze verabschiedet worden waren.

Andererseits hatte Walmart lange Zeit einen schlechten Ruf als Arbeitgeber, weil es Mitarbeiter schlecht bezahlt und sie oft nicht krankenversichert. Dagegen stehen deutsche Unternehmen doch viel besser da. Auch vermeiden die Deutschen schon längst viel bewusster Plastik, wo es geht..
Deutsche Unternehmen müssen besser kommunizieren. Die Deutschen neigen dazu, Dinge zu tun und nicht darüber zu sprechen. Sie wollen lieber die Ergebnisse für sich selbst sprechen lassen. Aber in einer Zeit, in der sich Informationen über soziale Medien sehr schnell verbreiten, muss man rausgehen und seine Geschichte erzählen.

Wie lange dauert es, um Deutschlands Image zu verbessern?
Im Moment ist die Stimmung sehr volatil. Wenn man zum zweiten Mal unter Wasser gerät, wird es eine Weile dauern. Es braucht harte Arbeit und deutlich mehr Transparenz und Engagement der Chefs. Ich würde sagen zwei bis drei Jahre.

Wie hat sich die Marke Amerika unter Präsident Trump entwickelt?
Das Image der USA ist nun auf einem Niveau mit Spanien und Italien. Das ist keine gute Platzierung. Deutschland steht im Vergleich dazu noch besser da.

Und wer führt das Ranking an?
Kanada, die Schweiz und die Niederlande. Das sind Länder, die sich ironischerweise an Deutschlands Strategie orientiert haben: für die Umwelt, gute Arbeitsstandards, gute Qualität. Deutschland hat den Weg geebnet und muss nun die Führung zurückerobern.

Was für einen Tipp haben Sie für deutsche Unternehmenslenker?
Der „Business Roundtable“ hat sich vor ein paar Wochen deutlich für die Abkehr vom Shareholder-Value ausgesprochen. Auf Initiative von Frankreichs Präsident Macron haben sich Unternehmen zu einer Initiative gegen soziale Ungleichheit zusammengeschlossen. Die deutschen Unternehmen sollten sich bis Weihnachten auf neue Standards in Bezug auf Transparenz, die Rolle des Chefs und ihre Werte einigen, damit sie 2020 ihr Image wieder zurückbekommen. Aber es kommt auch auf die Performance an: Wenn die Deutsche Bank den Turnaround schaffen sollte, Bayer seine Probleme mit Monsanto löst und die Autoindustrie wächst, dann wird das sicher helfen.

Herr Edelman, vielen Dank für das Interview.