AfD-Spitze hält trotz offenkundiger Falschangaben an Kandidaten für Europawahl fest
Die AfD-Spitze will trotz offenkundiger biografischer Falschangaben von Bewerbern an ihrer Kandidatenliste für die Europawahl festhalten. Bei zwei der 35 Europakandidaten habe sich in einer internen Untersuchung der Verdacht der Falschangabe zu Berufs- und Studienabschlüssen bestätigt, erklärten die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla am Dienstag. Dennoch verständigte sich der AfD-Bundesvorstand nach AFP-Informationen darauf, die Kandidatenaufstellung nicht zu wiederholen.
Weidel und Chrupalla kündigten an, dass der Bundesvorstand in den kommenden Tagen über Maßnahmen beraten werde, "um dem erschütterten Vertrauen innerparteilich angemessen zu begegnen". Bei den Kandidaten, bei denen der Vorstand den Verdacht belegt sieht, handelt es sich um Mary Khan-Hohloch, die auf Platz 14 der Kandidatenliste für die Europawahl steht, und um Arno Bausemer, der auf Platz zehn steht.
Die interne Untersuchung habe ergeben, dass bei beiden zum Zeitpunkt ihrer Bewerbungsreden auf dem Europaparteitag im Sommer in Magdeburg "keine berufs- oder studienqualifizierenden Abschlüsse" vorgelegen hätten, erklärten Weidel und Chrupalla.
Nach Medienberichten über Zweifel an den Angaben der Kandidaten über ihren Lebenslauf hatte der AfD-Bundesvorstand Ende August allen 35 nominierten Europa-Kandidaten eine Frist gesetzt, bis zum 11. September überprüfbare Nachweise zu ihren Angaben zu Berufsausbildung und Studienabschlüssen vorlegen.
Bausemer hatte bei seiner Bewerbung um einen Platz auf der Europa-Kandidatenliste unter anderem angegeben, ein journalistisches Volontariat absolviert zu haben und Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebs gewesen zu sein. Dies konnte er nach Angaben aus Vorstandskreisen nicht durch Dokumente belegen. "Herr Bausemer hat keinen Berufs- oder Studienabschluss", sagte Chrupalla am Dienstag am Rande einer Sitzung der AfD-Fraktion.
Khan-Hohloch hatte bei ihrer Bewerbung behauptet, ein Studium der Religionswissenschaft und des öffentlichen Rechts absolviert zu haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie aber keinen derartigen Studienabschluss, erklärten Weidel und Chrupalla - allerdings habe Khan-Hohloch zwischenzeitlich einen solchen Nachweis vorlegen können.
Nach AFP-Informationen reichte Khan-Hohloch eine Studienbescheinigung ein, die erst im September diesen Jahres ausgestellt wurde. Im Vorstand gebe es Zweifel, ob die AfD-Politikerin damit tatsächlich den Abschluss eines Studiums belegen konnte, hieß es aus Parteikreisen. Parteichef Chrupalla ließ bei einer Pressekonferenz am Dienstag die Frage eines Journalisten unbeantwortet, welche Art von Abschluss Khan-Hohloch vorgelegt habe.
In einer mehr als vierstündigen Sitzung hatte sich der AfD-Vorstand nach AFP-Informationen am Montagabend darauf verständigt, trotz des nicht ausgeräumten Hochstapelei-Verdachts an der Kandidatenliste festzuhalten. Andernfalls hätte die gesamte Aufstellung der Kandidaten für die Europawahl im kommenden Jahr wiederholt werden müssen. Diesen aufwändigen und kostspieligen Prozess, der einen neuerlichen Nominierungsparteitag erfordert hätte, habe der Vorstand vermeiden wollen, hieß es in den Kreisen.
Für die AfD ist die Angelegenheit unangenehm: Sie hatte bei dem Nominierungsparteitag Ende Juli und Anfang August in Magdeburg großen Wert darauf gelegt, Kandidaten mit praktischer Berufserfahrung von außerhalb der Politik aufzustellen. Die AfD wollte sich dadurch erklärtermaßen von Berufspolitikern der etablierteren Parteien absetzen.
Als positiv hob Parteichef Chrupalla am Dienstag hervor, dass es nur bei zwei von 35 AfD-Kandidaten Ungereimtheiten gebe. "Fast alle haben die Angaben richtig gegeben", sagte er.
Für Befremden in Teilen des Vorstands sorgte am Montag nach Angaben aus Parteikreisen, dass Ko-Parteichefin Weidel ihre Teilnahme an der abendlichen Sitzung absagen ließ. Dies sei von Kritikern als Versuch gewertet worden, auf größtmögliche Distanz zu der Affäre zu gehen. Ihr Ko-Parteichef Chrupalla nahm an der Sitzung teil.
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