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Dieser Adlige will Deutschlands Bäume vor der Hitze retten

Hans-Georg von der Marwitz ist neuer Waldpräsident. Er will die Forstwirtschaft rentabel erhalten – und für Deutschlands Buchen, Kiefern und Eichen kämpfen.

Wenn Hans-Georg von der Marwitz über den deutschen Wald und die nachgelagerte Wertschöpfung spricht, dann verwendet er gern ein weitverbreitetes Synonym für unternehmerische Extraklasse: „Hidden Champion“. Und liefert zur argumentativen Unterfütterung dieser Spitzenbegrifflichkeit die passenden Zahlen gleich mit: 1,1 Millionen Beschäftigte sorgen für einen Jahresumsatz von 180 Milliarden Euro.

Ein Erlöswert, bei dem selbst die Vorstandsvorsitzenden großer deutscher Konzerne wie Siemens, Bayer oder SAP nur andächtig in den Himmel blicken können. Dorthin schaut auch von der Marwitz, 58, qua Amt immer öfter und wünscht sich meist nichts sehnlicher als – Regen.

Denn der groß gewachsene und schlanke Adlige, der auf einem landwirtschaftlichen Gut in Brandenburg lebt und wirkt, ist seit Januar ehrenamtlicher Präsident des Verbands der Waldeigentümer in Deutschland (AGDW). In dieser Funktion fühlt er sich dem Wohlergehen der hierzulande rund zwei Millionen privaten Waldbesitzer verpflichtet. Der Waldpräsident sagt: „Wir müssen jetzt handeln – sonst stirbt der Wald.“

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Von der Marwitz, der an diesem schönen Sommermorgen in seinem kleinen Berliner Verbandsbüro mit seinen zehn Mitarbeitern ein hellblaues Hemd zu grüner Krawatte, beigefarbener Hose und braunem Janker trägt, bewertet den Hidden Champion als akut bedroht – und zwar nicht durch Handelskonflikte oder Managementfehler, sondern durch den Klimawandel im Allgemeinen und Dürre, Hitze und Stürme im Speziellen.

Der gebürtige Heidelberger, der aus einem der ältesten brandenburgischen Adelsgeschlechter stammt, sagt: „Der Wald ist eine Generationenidee, als Sehnsuchtsort für Erholungsuchende und als ökonomische Basis für die vielen Hunderttausend Klein- und Kleinstwaldbesitzer, die inzwischen um ihre Existenz fürchten.“

Allein aus diesen Worten lässt sich leicht ableiten, dass die forstwirtschaftliche Branche nicht nach den bekannten Regeln der Marktwirtschaft funktioniert. Mythisch seit jeher aufgeladen durch die Erzählungen der klassischen Literatur, wird der heimische Wald mit seinen 90 Milliarden Bäumen – wie dies der Waldinventurbericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ausweist – in Zeiten zunehmender weltweiter Spannungen als Symbol für Stille und Achtsamkeit wiederentdeckt.

Mehr noch: Die Menschen lieben ihren Wald derart, dass immer mehr Bürger ihn vollständig dem Wirtschaftskreislauf entziehen möchten – was im Sinne romantischer Verklärung nachvollziehbar ist, aber „ökonomisch keineswegs sinnvoll wäre“, wie von der Marwitz sagt.

Der Klimawandel bedroht den Wald

Tatsächlich produziert Deutschland, ohne dass der heimische Wald an Quantität verlieren würde, annähernd Jahr für Jahr so viel Holz, wie die Industrie zur Befriedigung der Nachfrage benötigt: rund 60 Millionen Kubikmeter. Würde dieses Potenzial nicht mehr geerntet, sondern zur Entstehung eines deutschen Urwalds umgewidmet, müsste der Rohstoff aus anderen Regionen importiert werden – womöglich aus Brasilien und Indonesien mit ökologisch besonders schützenswertem Tropenholz.

Als wäre der Transport dieser komplexen Botschaft inmitten einer landesweit aufgeheizten Debatte über politisch korrekte, weil klimafreundliche Lebensführung nicht schon schwierig genug, kommt für Lobbyist von der Marwitz noch eine zweite, wie er es ausdrückt, „gefahrengeneigte Komponente“ hinzu: Er beurteilt den Wald durch die Folgen des Klimawandels als extrem bedroht, gibt die Existenz der Fichte in Teilen Deutschlands schon nahezu auf. Und auch für „Buche, Kiefer und Eiche sehe ich die Lage kritisch“, sagt er.

„Die Böden sind zu trocken, die Bäume verlieren an Halt und bekommen nicht mehr genug Wasser. Aber irgendwie will das keiner hören“ – mit womöglich „dramatischen Folgen“, berichtet der Waldpräsident. Er zitiert das BMEL, wonach sich das „durch Wetterereignisse initiierte Schadholzaufkommen auf gegenwärtig 70 Millionen Festmeter summiert“.

Was wiederum geschätzte 2,1 Milliarden Euro kosten würde, um dieses schadhafte Holz für die Produktion aufzuarbeiten und abzutransportieren. Und da niemand dieses Geld derzeit aufbringen will, fault das Holz in den Wäldern vor sich hin und führt zu einem immer stärkeren Befall der Bäume durch Borkenkäfer.

Einen Teufelskreislauf würde das der Volksmund wohl nennen, und von der Marwitz hat sich bei der Aufzählung der Missstände in eine gewisse Erregung argumentiert. Wobei der Waldpräsident, der das Amt zu Beginn des Jahres von Philipp zu Guttenberg übernommen hat, welcher nach dem Tode seines Vaters den elterlichen Forstbetrieb in Franken übernehmen wollte und musste, ansonsten mit Bedacht und politischer Umsicht agiert.

Ökologie und Ökonomie

Gelernt ist gelernt, könnte man meinen, immerhin sitzt von der Marwitz seit 2009 für die CDU im Bundestag und kennt sich mit den Gepflogenheiten der parlamentarischen Willensbildung entsprechend bestens aus.

Aufgefallen war er in seiner Anfangszeit im Bundestag vor allem, als er 2010 als einer von vier CDU-Abgeordneten in der namentlichen Abstimmung gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken votierte. Ein Parlamentarier der FDP sagt: „Der Kollege weiß sich Gehör zu verschaffen, insbesondere auch bei seiner zuständigen Ministerin Julia Klöckner.“

Ob das tatsächlich so ist und sich dies auch in der Realpolitik der CDU-Ministerin im Sinne der Waldbesitzer niederschlägt, wird sich erst noch zeigen. Dabei sind von der Marwitz“ primäre politische Forderungen groß, sehr groß formuliert: Eingrenzung des Klimawandels und Einhaltung der Klimaziele.

Er erinnert in diesem Zusammenhang an die jährliche CO2-Speicherleistung des deutschen Waldes von rund 127 Millionen Tonnen, was in etwa der vom Verkehr verursachten Emissionsmenge entsprechen würde. Neben diesen weitläufigen Gedanken fordert er zudem sehr gezielte Änderungen am sogenannten Forstschädenausgleichsgesetz sowie in Anlehnung daran steuerliche Erleichterungen bei der Schadholztaxierung.

Dass er als forstwirtschaftlicher Unternehmer mit diesen Forderungen auch in eigener Sache argumentiert, daraus macht er kein Geheimnis. Seine Biografie weist 1000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche sowie 110 Hektar Wald aus. Erworben hat von der Marwitz die Ländereien gleich nach der politischen Wende.

Damals lebte seine Familie, vertrieben von den einstigen Besitzungen im Osten, vorwiegend im Allgäu. Als er die Möglichkeit sah, einen Teil des früheren Familiengrunds zurückzuerlangen, handelte er rasch und siedelte von Bayern nach Brandenburg um.

Seit Beginn des Jahres und seiner Wahl zum (Schirm-)Herrn der deutschen Wälder predigt er nun von der Philosophie der Nachhaltigkeit, vom Zusammenspiel aus Ökologie und Ökonomie. Und zitiert dabei gern Hans Carl von Carlowitz und dessen Schrift „Sylvicultura oeconomica“, in der es sinngemäß heißt: Für jeden Baum, der entnommen wird, muss ein neuer nachgepflanzt werden.

Eine Aufgabe von Generationen für Generationen. Heute, so von der Marwitz, besteht die Gefahr des Holzverlusts allerdings durch den Klimawandel und nicht durch eine Übernutzung wie vor 300 Jahren.