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Adlers Absturz und der zähe Kampf des Vermieters ums Überleben

(Bloomberg) -- Cevdet Caner hatte ein klares Ziel vor Augen, als er im November 2021 eine Gruppe prominenter Hedgefonds-Manager in ein Townhouse in Londons noblem Stadtteil Mayfair einlud.

Weitere Artikel von Bloomberg auf Deutsch:

Die Dinge richtig stellen. Seinen Ruf wiederherstellen.

Nur wenige Wochen zuvor waren der österreichische Geschäftsmann und die Adler Group SA, ein milliardenschweres deutsches Wohnungsunternehmen, an dessen Aufbau er beteiligt war, von einem anonymen Whistleblower und einem Leerverkäufer des Betrugs bezichtigt worden.

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Und deshalb brauchte er von der versammelten Gruppe noch etwas: frisches Geld. Die Investoren, allesamt spekulativen Geschäften nicht abhold, sollten die Wette gegen den Leerverkäufer auf seiner Seite antreten.

Es hat nicht geklappt. Und über ein turbulentes Jahr später, nach dem von Adlers Börsenwert — der einmal bei 3,4 Milliarden Euro stand — nur noch gute 100 Millionen Euro übrig sind, hat Caner erneut über Geld gesprochen. Diesmal mit Adlers Gläubigern. Das Resultat war im November eine komplexe Finanzierungsvereinbarung im Umfang von 938 Millionen Euro, die Adler genug Zeit verschaffen soll, sich selbst aus der Misere zu retten. In trockenen Tüchern ist der Deal noch nicht.

Die Vereinbarung zeigt, wie eng das Schicksal von Adler mit Caner verknüpft ist, der seit Jahren jede direkte Beteiligung an der Firma bestreitet. Ob die Gläubiger in vollem Umfang bedient werden, hängt vom Wert von Adlers Immobilien ab und davon, wie sie verkauft werden. Die mangelnde Transparenz in Bezug auf die Liegenschaften und sein Wissen über Grundstücke, Immobilien und Entwicklungsflächen sind für Caner in den Gesprächen ein Vorteil.

“Ohne Caners Mitwirkung kann man Adler nicht umstrukturieren”, sagt Marc Liebscher, Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, die Adler-Aktionäre vertritt. “Er ist der Einzige, der die Kreditvereinbarungen, die Dokumentation und die Kreuzverzugsklauseln kennt. Er ist der Einzige, der den wahren Wert der Vermögenswerte kennt.”

Die Frage ist, ob dieser zweite Rettungsanlauf gelingt. Billig wird er jedenfalls nicht. Die Finanzierungsvereinbarung — unterstützt von wichtigen Gläubigern wie den angloamerikanischen Fondsriesen BlackRock, Pimco und Schroders — kostet Zinsen von 12,5% und gibt den Gläubigern die Option, 25% der Firma zu übernehmen.

Und noch ist unklar, ob der Plan überhaupt durchgeht. Das wird derzeit vor dem Londoner High Court verhandelt, nachdem andere Fonds die Umschuldung mit der Begründung abgelehnt hatten, dass sie bei der Rückzahlung an letzter Stelle stehen würden. Kurzfristig benötigt Adler Mittel für Schulden in Höhe von 500 Millionen Euro, die am 27. April fällig werden. Sollte sich der Finanzierungsdeal verzögern, könnte das Adler “umbringen”, sagte ein Anwalt David Allison bei einer Verhandlung Ende Februar. Adler erklärte dem Gericht, dass die Insolvenz und ein brutaler Ausverkauf drohe, wenn die Finanzierung nicht besiegelt werde. Dann würden nur 57% seiner Schulden gezahlt werden können.

Adlers Implosion vollzieht sich in Zeitlupe vor dem Hintergrund von Energiekrise, Inflation und massiver Zinserhöhungen, die weit über die schlingernde Firma hinaus die ganze Branche beuteln und die Grundfesten des jahrelangen Immobilienbooms in Deutschland erschüttern.

Wirtschaftsprüfer

Zunächst muss Adler dringend einen neuen Wirtschaftsprüfer finden. Der alte, KPMG, hat letztes Jahr wegen Bedenken hinsichtlich der Unternehmensführung bei Adler sein Mandat niedergelegt. Teil der Finanzierungsvereinbarung ist daher das Zugeständnis der Gläubiger, bis September 2024 auf einen testierten Geschäftsbericht für die Jahre 2022 und 2023 zu verzichten. Diese ungewöhnlich lange Verzögerung — für das Jahr 2022 gäbe es endgültige Zahlen erst 21 Monate nach Jahresende — wäre sonst ein Verstoß gegen die Kreditbedingungen, der die sofortige Fälligkeit des größten Teils der unbesicherten Verbindlichkeiten in Höhe von 4,4 Milliarden Euro auslösen würde.

“Mehr als ein Jahr nach den ersten Vorwürfen gibt es immer noch einen solchen Mangel an Transparenz”, sagte Tobias Moser, ein Anwalt von DMR Legal, der Adler-Gläubiger vertritt. “Es gibt so viele offene Fragen, die das Management immer noch nicht beantwortet hat, das ist einzigartig und das sieht man nicht oft.”

Die Bafin hat bei ihrer Prüfung der Bücher der Adler-Tochter Adler Real Estate AG Ungereimtheiten gefunden. Nach Ansicht der Finanzaufseher hat Adler damals in unzulässiger Weise die verbundene Immobilienfirma Ado Properties SA konsolidiert und dadurch die Bilanzsumme um 3,9 Milliarden Euro und das Gesamtergebnis um 543 Millionen Euro zu hoch ausgewiesen. Adler teilt diese Ansicht allerdings nicht und hat Rechtsmittel gegen die Bafin-Entscheidung eingelegt.

“Adler ist hauptsächlich von seinen Gläubigern abhängig, um Geld zu leihen, und damit die Gläubiger das tun können, brauchen sie die Zustimmung ihrer Ausschüsse”, fügte Moser hinzu. “Das wird schwierig, vor allem, wenn Adler immer noch keinen Wirtschaftsprüfer hat.”

Das Treffen im Jahr 2021 in Mayfair, einen Steinwurf vom Londoner Fünfsternehotel Connaught entfernt, hatte Caners langjähriger Geschäftspartner Günther Walcher mitveranstaltet, der Eigentümer von Aggregate Holdings — einem der größten Aktionäre von Adler. Ein Teilnehmer beschrieb das Anwesen als eine Mischung aus Geschäfts- und Privathaus, mit wertvollen Kunstwerken an den Wänden, einem Billardtisch und einer Lounge. Im Obergeschoss arbeitete ein Team von Aggregate. Bis vergangenen Juli, als er CEO von Aggregate wurde, hatte Caner seine Rolle bei Adler und Aggregate stets heruntergespielt, obwohl seine Familie, etwa seine Frau Gerda, eine Beteiligung an Adler hält. Diese Beteiligung hat in den letzten 12 Monaten fast 100 Millionen Euro an Wert verloren, wie aus von Bloomberg eingesehenen Unterlagen hervorgeht.

Ein Sprecher von Caner bestritt auf Anfrage von Bloomberg, dass das Treffen abgehalten wurde. Ein Vertreter von Aggregate Holdings bestätigte, dass es im Londoner Büro des Unternehmens stattfand. Ein Sprecher von Adler teilte mit: “Ich möchte klarstellen, dass Herr Caner in keiner Weise an der laufenden Umstrukturierung teilgenommen hat und auch nicht von der Adler-Gruppe damit beauftragt wurde.”

Laut Grundbuch und anderen Unterlagen ist das Townhouse in Mayfair als Geschäftsadresse von Aggregate Holdings eingetragen. Die Design-Firmen von Caners Ehefrau sind ebenfalls unter derselben Adresse registriert. Als wirtschaftlicher Eigentümer des Hauses wird Caners Schwager Josef Schrattbauer genannt.

Anwesenden zufolge sagte Walcher bei dem Treffen in Mayfair wenig. Das Gespräch führte Caner. Und seine Argumentation war ganz einfach: Dass er nicht das böse Genie sei, als das er dargestellt werde.

Renovierungsarbeiten

Die schlechte Nachrede hatte schon während der Finanzkrise 2008 begonnen. Berühmt wurde ein Bild von Caner, das ihn stolz vor seinem 20-Millionen-Pfund-Haus zeigt, ebenfalls in Mayfair. Es wurde im Zuge des Konkurses seiner ersten Immobilienfirma Level One gepfändet, die mit Schulden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro zusammenbrach. Caner verteidigte sich über ein Jahrzehnt lang gegen eine Anklage wegen Verschwörung, Betrug und Geldwäsche in Wien, die 2020 mit einem Freispruch in allen Punkten endete.

Parallel fing Caner still und leise an, ein neues Immobilienimperium aufzubauen. Das Townhouse, in dem Aggregate jetzt seinen Sitz hat, wurde laut Grundbuch 2010 für 5 Millionen Pfund von einer Gesellschaft namens Raine Holdings Ltd. gekauft. Der einzige wirtschaftliche Eigentümer von Raine, der identifiziert wird, ist Caners Schwager Schrattbauer mit einem Anteil von mehr als 25%. Gelegen zwischen Berkeley und Grosvenor Square, befindet es sich um die Ecke von Caners früherem, gepfändeten Haus.

Und schließlich stieg er – über seine Familie – bei Adler ein, einer damals relativ unbedeutenden deutschen Immobilienfirma, die 2013 Liegenschaften von gerade mal 50 Millionen Euro hatte.

Ab Juni 2014 war Adler auf dem Vormarsch und schloss größere Geschäfte ab, die die Aufmerksamkeit von Branchenkollegen auf sich zogen. Caner übernahm eine beratende Funktion und kassierte mindestens 12,6 Millionen Euro an Honoraren, von denen laut einer forensischen Analyse von KPMG aus dem Jahr 2022 mehr als 10 Millionen im Jahr 2019 anfielen.

Die Beschaffung von Eigenkapital ist für Immobilienunternehmen generell nicht einfach. Für Caner dürfte es nach dem Konkurs von Level One besonders schwierig gewesen sein, berichten mit der Angelegenheit vertraute Personen. Caner wandte sich an eine Gruppe von Personen, die zu einer zentralen Stütze beim Aufbaus seines Immobilienimperiums wurden.

Zu ihnen gehörte der aserbaidschanische Staatsbürger Natig Ganijew. Die erste Welle von Geschäften mit dem Harvard-Absolventen Ganijew ließ Adlers Bilanz um fast 400 Millionen Euro anschwellen. Langfristig haben sich die Geschäfte jedoch als teuer für die Adler-Aktionäre erwiesen. In den letzten fünf Jahren mussten mehr als 200 Millionen Euro aus Immobiliendeals mit Ganijew-Unternehmen abgeschrieben werden, nachdem die Transaktionen nicht vollständig bezahlt worden waren.

Ein Vertreter von Adler lehnte es ab, sich zu den Zahlungen zu äußern. Ein Vertreter von Ganijew reagierte nicht auf Bitten um Stellungnahme. Ein Sprecher von Caner lehnte es ab, sich zu konkreten Fragen zu diesem Artikel zu äußern.

Freunde und Familie

Der Leerverkäufer Viceroy Research behauptete in seinem Bericht aus dem Jahr 2021, dass Caner und einige seiner Geschäftspartner Adler benutzt hätten, um sich selbst zum Nachteil der Anleihegläubiger und der Aktionäre zu bereichern. Dazu hätten sie den Wert der Immobilien übertrieben, um die Bilanz künstlich zu vergrößern. Laut Viceroy geschah dies durch den Verkauf von Immobilien an verbundene Parteien ohne dies offenzulegen, und durch die Entnahme von Gebühren ohne deren Offenlegung.

Die Prüfung von Adlers Immobiliengeschäften wird immer intensiver. Die Bafin untersuchte einen Deal aus dem Jahr 2019, bei dem eine Mehrheitsbeteiligung an dem Entwicklungsprojekt Gerresheim in Düsseldorf an Schrattbauer verkauft wurde. Nach den Berechnungen der Bafin wurde das Portfolio um 233 Millionen Euro überbewertet.

Dasselbe Geschäft wurde auch von Viceroy als Beispiel dafür angeführt, wie eine kleine Anzahl von Investoren sich durch Geschäfte mit Adler bereichert hat. Laut Viceroy wurde der Deal dazu benutzt, “falsche Papiergewinne” in der Bilanz einer Adler-Tochtergesellschaft namens Brack Capital Properties zu buchen, was Adler ermöglichte, sich mehr Geld zu leihen.

Schrattbauer reagierte nicht auf Versuche, mit ihm Kontakt aufzunehmen.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat ebenfalls eine Untersuchung des Gerresheim-Verkaufs eingeleitet, wobei der Gegenstand der Ermittlungen noch nicht bekannt gegeben wurde.

Die Beteiligung von Schrattbauer an Adler-Geschäften zeigt die Rolle, die Caners Familie und Freunde beim Wiederaufbau seines Imperiums gespielt haben. Kritiker stellen fest, dass es oft um komplexe Netzwerke ging, die darauf ausgerichtet waren, die Eigentumsverhältnisse zu verschleiern.

Am 3. April werden Adler und seine Gläubiger wieder an den Londoner High Court zurückkehren. Das Schicksal von Adler hängt davon ab, ob der Richter die dringend benötigte Finanzierung für das Unternehmen bewilligt.

Caner sagte im vergangenen Sommer vor Journalisten: “In schwierigen Zeiten an der Front zu sein, den Helm aufsetzen und zu kämpfen, das macht mir Spaß.” Das Leben bei Adler beginnt allerdings, einem Grabenkrieg zu ähneln.

Überschrift des Artikels im Original:Inside Adler’s Fight for Survival After Its 97% Stock Plunge

(Wiederholung vom Wochenende)

©2023 Bloomberg L.P.