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Adcada meldet Insolvenz an – und gibt der Bafin die Schuld daran

Die Adcada-Gruppe versprach zwölf Prozent Zinsen auf eine Anleihe, mit der sie Schutzmasken produzieren wollte. Nun ist die zentrale Gesellschaft zahlungsunfähig.

Die Adcada-Gruppe wollte mit Atemschutzmasken stattliche Renditen erwirtschaften. Foto: dpa
Die Adcada-Gruppe wollte mit Atemschutzmasken stattliche Renditen erwirtschaften. Foto: dpa

Die Coronakrise sollte für die Adcada-Gruppe aus Bentwisch eine große Chance sein. Mit der Produktion von Nasen-Mundschutz-Masken wollte der Geschäftsführer Benjamin Kühn (24) Millionen verdienen. Seit April warb er Geld von Kleinanlegern ein und kaufte Maschinen in China. Nun ist klar, dass die hochfliegenden Pläne gescheitert sind. Die Adcada GmbH im Zentrum der Gruppe hat am Dienstag einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Rostock gestellt.

Die Corona-Pandemie habe in einigen Sparten zu starken Umsatzrückgängen geführt und die wirtschaftliche Situation „drastisch verschärft“, teilte das Unternehmen an diesem Donnerstag auf seiner Website mit. Der Preisdruck in den Absatzmärkten erfordere nun „eine Neuausrichtung“ der Gruppe, die eigenen Angaben zufolge 140 Mitarbeiter beschäftigt. Sie handelt unter anderem mit Immobilien, betreibt zwei Restaurants in Rostock und Warnemünde sowie ein Fotostudio am Firmensitz.

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Verantwortlich für die Insolvenz ist nicht mehr Benjamin Kühn. Im Unternehmensregister ist vermerkt, dass sein Vater Heiko Kühn (47) den Geschäftsführerposten vor einer knappen Woche übernommen hat. Kühn senior wohnt in Au in der Schweiz und gilt Branchenkennern schon länger als der starke Mann im Hintergrund.

Adcada hatte mit einem kuriosen Angebot für Aufsehen gesorgt. Die Healthcare-Anleihe sollte die Produktion von zwölf Millionen Atemschutzmasken im Monat ermöglichen. Privatanleger konnten sich ab 100 Euro beteiligen und sollten von ungewöhnlich hohen bis zu zwölf Prozent Zinsen profitieren, wie Benjamin Kühn in einem Werbefilm versprach. „Uns geht es dabei ganz klar nicht um den Profit“, sagte Kühn.

Kurz darauf schickte die Kanzlei Höcker Rechtsanwälte aus Köln dem Handelsblatt einen „Businessplan light“ des Unternehmens. Darin kalkulierte Adcada mit Monatserlösen zwischen 1,8 und 2,9 Millionen Euro. Der „Return on Investment“ würde im ersten Monat erreicht, hieß es, der Reingewinn könne nach zwölf Monaten bei etwa 63 Millionen Euro liegen.

Zwar ließ sich Kühn auch noch spektakulär im Cockpit des Großraumflugzeugs Antonow filmen, das Maschinen für die Maskenproduktion aus China lieferte. Dass die Herstellung und der Verkauf der Masken ein großer Erfolg waren, darf angesichts jüngster Entwicklungen aber bezweifelt werden.

Das Geld der neuen Investoren sollte über eine komplexe Firmenstruktur in Liechtenstein eingesammelt werden. Bald warnte die Finanzaufsicht des Fürstentums (FMA) öffentlich, dass die Adcada Investments AG PCC und die Adcada International AG über „keine aufsichtsrechtliche Bewilligung“ verfügten. Die deutsche Bafin hatte den „begründeten Verdacht“, dass Adcada in Deutschland den Healthcare-Bond ohne erforderlichen Prospekt anbiete.

Trotz der Warnungen der Behörden lief der Vertrieb angeblich gut. Der Ansturm auf die Anleihe habe sämtliche Erwartungen übertroffen, teilte Adcada mit. Ob das Zeichnungsziel von acht Millionen Euro erreicht oder übertroffen wurde, blieb jedoch ein Geheimnis. Unklar ist zurzeit auch, wie viel Fremdkapital die verästelte Gruppe insgesamt eingesammelt hat.

Heiko Kühn kündigte nun als neuer Geschäftsführer an, in enger Abstimmung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter einen Sanierungsplan prüfen und umsetzen zu wollen. Allerdings, so heißt es in der Adcada-Mitteilung weiter, würden sich die Behörden nicht interessiert daran zeigen, „eine Restrukturierung im Interesse aller Beteiligten zu ermöglichen“.

Adcada hat sich auf die Finanzaufsicht Bafin eingeschossen: Die Kontrolleure würden die Situation verschärfen, indem sie auf der sofortigen Rückabwicklung eines Finanzprodukts bestehen würden. Doch ausgerechnet mit der „Immobilien-Anlage mit einer 110 % besicherten Briefgrundschuld“ beschäftigt sich auch die Staatsanwaltschaft Rostock. Ermittler hatten im Mai die Büros der Gruppe durchsucht. Der Grund: Zwei Adcada-Manager sollen 2018 und 2019 gegen das Kreditwesengesetz verstoßen haben.

Auf der Bafin-Website heißt es: Die Adcada GmbH habe über diese Immobilienanlage Anlegergelder angenommen und ein Einlagengeschäft ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben. Adcada beteuert in der nun veröffentlichten Mitteilung erneut, „einen Formfehler stets offen kommuniziert und die betroffenen Geldgeber schadlos“ gehalten zu haben.

Bafin: Rückzahlung ist „keine Verhandlungssache“

Die Fronten sind offenbar verhärtet. Die Finanzaufsicht würde „jegliche Gesprächsbereitschaft vermissen“ lassen und sei „an einer Lösung im wirtschaftlichen Interesse aller Beteiligten“ nicht interessiert, klagt Adcada. Das zeige sich daran, „dass gar keine Frist mehr gesetzt wurde, binnen derer die Rückabwicklung durchzuführen sei.“ Die Geschäftsleitung sei deshalb zu der Überzeugung gelangt, dass „die Fortführbarkeit des Unternehmens nicht sichergestellt“ ist.

Die Bafin bezeichnete die Adcada-Vorwürfe als „nicht zutreffend“. Das Unternehmen habe „mehr als genug Zeit“ gehabt, die angenommenen Gelder an die Anleger zurückzuzahlen. Eine erste Abwicklungsanordnung sei bereits im März erteilt, das Unternehmen zuvor wie üblich angehört worden.

Adcada beantragte gegen diese sowie eine in der Folge zu einem weiteren Anlageprodukt erlassene Anordnung einstweiligen Rechtsschutz. „Das Verwaltungsgericht gab uns recht und bestätigte unsere Anordnungen“, so eine Bafin-Sprecherin. Daraufhin sei ein Abwickler eingesetzt worden, der am Unternehmenssitz bereits seine Arbeit aufgenommen habe.

Eine Alternative zur vollständigen Rückzahlung der Gelder an die Anleger sehe das Gesetz nicht vor, betonte die Bafin-Sprecherin. Die Rückzahlung sei auch keine Verhandlungssache – „sondern eine gesetzlich festgelegte Rechtsfolge“.

In Bentwisch war telefonisch am Donnerstagnachmittag niemand für Nachfragen zu erreichen. Die Nummer einer früheren Pressesprecherin ist abgeschaltet.

Unklar ist derzeit, wie die anderen Unternehmen der Gruppe eine Pleite der GmbH verkraften würden. Anleger und ihre Anwälte fürchten das Schlimmste. „Das wird Folgen haben“, sagte Rechtsanwalt Jens Reime aus Bautzen. Er prozessiere zurzeit gegen die Adcada Capital GmbH, weil sie einem Mandanten ein Nachrangdarlehen von 50.000 Euro nicht zurückzahlen wolle.

Der Jurist berät ein knappes Dutzend Adcada-Anleger. Die Nachricht von der Insolvenz erreichte ihn am Donnerstagvormittag, als er gerade eine Gerichtsverhandlung in Leipzig verfolgte. Ungläubig schaute er auf sein Handy. „Die Insolvenzanmeldung ist die unmittelbare Folge der Bafin-Verfügung, Kundengelder zurückzuzahlen“, sagte er. „Ich halte die Corona-Erklärung für vorgeschoben.“