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ADAC fordert für VW-Kunden Entschädigung nach US-Vorbild

Der ADAC registriert bei seinen Mitgliedern einen wachsenden Unmut über den Umgang des VW-Konzerns mit geschädigten Dieselkunden. Wie eine Lösung aussehen könnte, skizziert der Vize-Präsident des Autoclubs.

Der Vize-Präsident des Automobilclubs ADAC, Ulrich Klaus Becker, hat den Volkswagenkonzern aufgefordert, Betroffenen des VW-Abgasskandals eine Entschädigung nach US-Vorbild anzubieten. Zwar sehe das deutsche Recht eine Pauschalentschädigung wie in den USA nicht vor, es sei aus Sicht des ADAC aber „höchste Zeit, eine vergleichbare, verbraucherfreundliche Wiedergutmachung auch für deutsche Kunden anzubieten“, heißt es in einer Mitteilung des ADAC, die bei der Automesse IAA in Frankfurt veröffentlicht werden soll. Die Erklärung lag dem Handelsblatt vorab vor.

Auch wenn für eine Regelung nach US-Vorbild in Deutschland keine gesetzliche Verpflichtung bestehe, so zeige der Vergleich von VW in den USA mit einer Entschädigungszahlung von bis zu 5000 US-Dollar, dass eine Einigung im Sinne der Verbraucher möglich sei, so Becker. „Das sollte auch für Deutschland der Rahmen sein.“ Zudem könne es VW helfen, das Vertrauen seiner Kunden wieder zurückzugewinnen.

Seinen Vorstoß begründet der Autoclub mit der großen Verärgerung betroffener Autofahrer. „Der ADAC sieht bei seiner Rechtsberatung seit Monaten eine stetig steigende Unzufriedenheit von VW-Besitzern“, sagte Becker. Club-Mitglieder fürchteten einen Wertverlust ihrer Fahrzeuge. Rasche Klarheit sei aber nicht in Sicht, da zahlreiche Gerichtsverfahren anhängig seien und gleichzeitig Gewährleistungsfristen ausliefen. So sei auch nicht geklärt, „ob sich aus der Umrüstung Langzeitschäden ergeben, auch das ist zusätzlicher Unsicherheitsfaktor für die Verbraucher“.

In den USA hat VW Milliarden an Entschädigung an die Kunden gezahlt. In Europa lehnt er das aber ab, weil es sich nach Ansicht des Konzerns nach europäischem Recht nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. VW-Chef Matthias Müller hatte überdies schon im vergangenen Jahr vor drastischen Konsequenzen gewarnt, falls der Autobauer im Abgas-Skandal die Kunden in Europa nach US-Vorbild entschädigen müsste.

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Seinerzeit hatte Müller von einer zweistelligen Milliarden-Rückstellung zur Lösung der Probleme gesprochen. Mit Blick auf die europäischen Kunden fügte er hinzu: „Aber man muss kein Mathematiker sein um zu erkennen, dass eine Entschädigungszahlung in beliebiger Höhe auch Volkswagen überfordern würde.“

Der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Klaus Müller, ging hart mit VW ins Gericht. „Volkswagen kann mit der Ankündigung einer Elektrifizierungsoffensive auf der IAA nicht davon ablenken, dass das Unternehmen die betrogenen Dieselkunden im Stich gelassen hat“, sagte Müller dem Handelsblatt. „Auf eine eindeutige Entschuldigung und Entschädigungen warten die Geschädigten weiterhin vergeblich.“

Auch habe Volkswagen die sogenannte Einrede der Verjährung nicht verlängert, in der Hoffnung weiteren Klagen zu entkommen. Gemeint ist damit eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist. „Damit drohen weiterhin Millionen von Diesel-Geschädigten ihre Ansprüche zu verlieren“, kritisierte Müller. „Wer versucht, sich so aus einer Krise zu winden, wird kein Vertrauen in die Zukunft aufbauen.“

Der Bundesregierung warf der VZBV-Chef vor, die VW-Geschädigten allein gelassen und den Anwälten das Feld überlassen zu haben. „Eine kollektive Klagemöglichkeit wie die Musterfeststellungsklage wäre für die betroffenen Dieselfahrer hilfreich gewesen, um Schaden wieder gut zu machen“, sagte Müller.

Das Landgericht Braunschweig stärkte indes zuletzt die VW-Position. Käufer von manipulierten VW-Dieselautos haben demnach keinen Anspruch auf die Rückerstattung des Kaufpreises. Das Gericht wies eine Musterklage des Rechtedienstleisters MyRight auf Schadenersatz ab. Zwar sei die von Volkswagen verwendete Software zur Abgasregulierung unzulässig. Daraus resultiere aber kein Einspruch auf Schadenersatz, die Zulassung der Fahrzeuge habe weiter Bestand, begründete das Gericht sein Urteil.

Das Gericht lehnte auch den Antrag MyRights ab, den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Damit muss der Kläger den Weg über eine Berufung beim Oberlandesgericht und gegebenenfalls eine Revision beim Bundesgerichtshof gehen, bevor das EuGH zum Zuge kommen kann. Eine Entschädigung von Betroffenen des Dieselskandals verzögere sich damit weiter, erklärte damals MyRight-Gründer Jan-Eike Andresen. Er nannte die Entscheidung des Landgerichts „grotesk“. Den Schaden hätten die Verbraucher. „Die Menschen in Deutschland verstehen solche Urteile nicht.“

MyRight vertritt nach eigenen Angaben mehr als 100.000 VW-Kunden und argumentiert, dass die Betriebserlaubnis für einen VW durch den Einbau einer verbotenen Abschalteinrichtung erloschen sei. Im Namen der Käufer fordert der Dienstleister die Rücknahme des Fahrzeuges und die volle Erstattung des Kaufpreises. Die Wolfsburger hatten die Manipulation der Abgase von weltweit elf Millionen Dieselautos zugegeben.

KONTEXT

Die wichtigsten juristischen Baustellen für VW

Aktionärsklagen

Zahlreiche Anleger verlangen von Volkswagen Schadenersatz, weil sie nach dem Bekanntwerden von "Dieselgate" im September 2015 zunächst hohe Wertverluste bei Aktien und Anleihen hinnehmen mussten. Diese solle ihnen VW erstatten. Ihr Argument: Das Management hätte den Kapitalmarkt deutlich früher über die Probleme informieren müssen, die Ad-hoc-Mitteilung dazu sei zu spät gekommen.

Entsprechende Vorwürfe der Marktmanipulation haben nun auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf den Plan gerufen, sie ermittelt gegen VW-Konzernchef Matthias Müller. Dabei geht es um dessen Amt im Vorstand der Porsche SE, dem Haupteigner von Volkswagen. Auch Müllers Vorgänger Martin Winterkorn sowie der Ex-VW-Finanzvorstand und heutige VW-Chefaufseher Hans Dieter Pötsch sind im Visier. Zuvor hatten schon die Braunschweiger Strafverfolger solche Untersuchungen gestartet - dort außerdem gegen den VW-Kernmarken-Chef Herbert Diess. Volkswagen ist der Überzeugung, alle Regeln eingehalten zu haben.

Das Volumen der bisherigen Anlegerklagen geht bereits in die Milliarden. Am Landgericht Braunschweig soll hierzu ein sogenanntes Kapitalanleger-Musterverfahren laufen, in dem ähnliche Ansprüche aus inzwischen gut 1500 Einzelklagen stellvertretend gebündelt verhandelt werden können. Die Sparkassen-Fondstochter Deka Investment wird dabei Musterklägerin. Das Verfahren könnte sich über Jahre hinziehen.

Zivilklagen

Auch viele Autobesitzer wollen Entschädigung. In den USA erreichte der Konzern für Hunderttausende betroffene Dieselautos einen Vergleich - allein für die 2,0-Liter-Wagen kostet VW das 14,7 Milliarden Dollar. Händler und US-Bundesstaaten klagten ebenfalls. Zum Vergleich für die größeren 3,0-Liter-Motoren (1,2 Milliarden Dollar) kündigte der zuständige US-Richter seine Zustimmung an.

In Deutschland entschieden verschiedene Gerichte: Die Manipulationen bedeuten keine Pflicht zur Kaufpreis-Erstattung. Doch es gibt auch andere Urteile. Hintergrund ist die Frage, ob die Fälschungs-Software ein so großer Mangel ist, dass Kunden vom Kauf zurücktreten können. Berichten zufolge gibt es landesweit weit über 1000 Einzelklagen.

In zahlreichen Fällen kann es laut Verbraucherschützern problematisch werden, einen konkreten Schaden zu beziffern und ihn zu beweisen. Unabhängig davon gibt es Forderungen, dass VW den Kunden auch in Europa stärker entgegenkommen müsse, etwa aus der EU-Kommission.

Weitere Ermittlungen

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt außerdem wegen des Verdachts auf Betrug, allein hier geht es - einschließlich eines Verfahrens gegen Winterkorn - um 37 Beschuldigte. Gegen 6 weitere laufen Untersuchungen im Zusammenhang mit falschen CO2-Angaben. Hinzu kommen Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter, der zum Löschen von Daten aufgerufen haben soll. Anklagen gibt es bisher nicht.

In den USA bot ein vom FBI erarbeitetes "statement of facts" im Januar die Grundlage für einen 4,3 Milliarden Dollar schweren Vergleich in strafrechtlichen Fragen. Unabhängig davon geht es dort aber weiter auch um die Schuld oder Unschuld einzelner Personen. Ein VW-Manager sitzt in Haft, ein langjähriger Ingenieur hat sich in einem Verfahren schuldig bekannt, fünf weitere Mitarbeiter sind angeklagt - darunter der Ex-Entwicklungschef der Marke VW, Heinz-Jakob Neußer. Auch in anderen Ländern laufen Untersuchungen.

KONTEXT

Die Kosten des Dieselskandals für Volkswagen

Teure Folgen

Für die jüngste Einigung mit US-Klägern in Sachen Dieselskandal muss der Volkswagen -Konzern eine weitere milliardenschwere Last schultern. Mindestens 1,2 Milliarden Dollar (umgerechnet 1,1 Milliarden Euro) muss der Konzern rund 80.000 Besitzern großer Dieselautos in den USA mit umweltbelastenden Drei-Liter-Motoren an Schadenersatz und für den Rückkauf eines Teils der Fahrzeuge bezahlen. Die Kosten könnten nach Gerichtsangaben auf umgerechnet bis zu 3,7 Milliarden Euro steigen, sollten die US-Umweltbehörden die Reparatur eines Großteils der Wagen nicht abnehmen. VW selbst geht davon aus, dass die Reparaturen genehmigt werden.

Knapp vier Milliarden Euro müssen die Wolfsburger bereits für Strafen und Bußen in den USA hinblättern. VW hat mitgeteilt, dass dies die bisherigen Rückstellungen übersteigt und die Ergebnisse 2016 belasten könne. Bisher hat der Konzern 18,2 Milliarden Euro für den Skandal um weltweit millionenfach manipulierte Abgaswerte bei Dieselautos zur Seite gelegt. Doch abschließend sind die Kosten noch nicht zu beurteilen. Analysten schätzen, dass der Skandal am Ende zwischen 25 und 35 Milliarden Euro kosten könnte. Die größte Unsicherheit geht von den vielen Anlegern aus, die VW vorwerfen, sie zu spät über Dieselgate informiert zu haben und deshalb Schadenersatz fordern.

Vergleich mit US-Kunden zu größeren Motoren

Kurz vor Weihnachten klopfte VW mit den US-Umweltbehörden einen Kompromiss über die Schadenersatzansprüche für etwa 80.000 Diesel-Wagen mit 3,0-Liter-Motoren fest. Ein Viertel der Geländewagen von Audi, VW und Porsche soll zurückgekauft und weitere knapp 60.000 umgerüstet werden, sobald die Behörden die Freigabe für die technische Lösung erteilen. Die Höhe der Kosten bezifferte Volkswagen nun mit etwa 1,2 Milliarden Dollar. Zuvor waren sie auf eine Milliarde Dollar geschätzt worden. Schultern muss die Kosten die Tochter Audi, weil sie die 3-Liter-Motoren entwickelt hat. Der nächste Gerichtstermin zur vorläufigen Genehmigung ist für den 14. Februar angesetzt.

Strafzahlung in den USA

Mit dem US-Justizministerium einigte sich Volkswagen Anfang Januar auf eine Strafzahlung von 4,3 Milliarden Dollar. Das ist deutlich mehr, als andere Autobauer für Verfehlungen in den USA hinlegen mussten, und auch mehr, als Analysten erwartet hatten.

Vergleich mit US-Kunden zu kleineren Motoren

Im Oktober einigte sich VW mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten über die Höhe der Entschädigung für Käufer von Autos mit den kleineren 2,0-Liter-Dieselmotoren. Das kostet den Konzern bis zu 15,3 Milliarden Dollar (14,5 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf der bis zu 475.000 Fahrzeuge, für den gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen aber davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben. Bis vor Weihnachten hatten 104.000 Besitzer in den Rückkauf eingewilligt. Eine Alternative ist die Reparatur der Fahrzeuge. Bisher hat VW die Genehmigung für die Umrüstung von rund 70.000 Autos mit 2,0-Liter-Motor.

Zahlreiche US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Entschädigung für US-Händler

Seinen rund 650 US-Händlern zahlt VW insgesamt 1,21 Milliarden Dollar Entschädigung, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Der Vereinbarung zufolge kauft VW unverkäufliche Diesel-Autos von den Händlern zurück, hält an Bonuszahlungen fest und verzichtet für zwei Jahre auf geforderte Umbauten.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Kostenschätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro.

Entschädigung auch in Europa?

Bundesweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind knapp 226 solcher Klagen anhängig. Die auf Verbraucherschutzverfahren spezialisierte Onlineplattform MyRight, die mit der US-Kanzlei Hausfeld zusammenarbeitet, reichte zu Jahresbeginn die erste Musterklage ein. Eine finanzielle Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen wegen der viel größeren Zahl betroffener Kunden im Vergleich zu den USA finanziell ruinieren, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus.

Vergleich in Kanada

Kanadischen Kunden zahlt VW 2,1 Milliarden kanadische Dollar an Schadenersatz für Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Auch die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen klagen wegen Kursverlusten von Pensionsfonds. Beim Landgericht Braunschweig liegen mehr als 1500 Klagen über insgesamt 8,8 Milliarden Euro vor. Dazu soll es ein Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig geben. Anlegerklagen muss sich VW auch in den USA stellen.

Teure Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, kosten ebenfalls viel Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen. Auch gegnerische Anwälte muss VW bezahlen - zum Beispiel 175 Millionen Dollar an Juristen, die in den USA die 475.000 Auto-Besitzer mit manipulierten 2,0-Liter-Motoren vertreten hatten.

Quelle: Reuters