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Acht Richter gegen Theresa May

Großbritanniens höchstes Gericht verweist Theresa May in die Schranken: Sie braucht die Zustimmung des Parlaments, um mit den Brexit-Gesprächen loszulegen. Die Frage ist nun: Wie viel Mitsprache erhalten die Abgeordneten?

Großbritanniens Oberster Richter kam schnell zur Sache: Sofort im Einstieg seiner mit Spannung erwarteten Urteilsverkündung betonte David Neuberger, dass das britische Parlament den Beitritt des Landes zur Europäischen Union (EU) beschlossen habe. Und das habe jetzt auch Folgen für die Scheidung: Großbritanniens Premierministern Theresa May brauche die Zustimmung des Parlaments, um die offiziellen Austrittsverhandlungen mit Brüssel in Gang zu setzen, sagte Neuberger. Acht der insgesamt elf Richter am britischen Supreme Court hätten sich dafür ausgesprochen.

Damit hat der Oberste Gerichtshof am Dienstag ein vorausgehendes Urteil von Anfang November bestätigt. Die Regierung hat bereits mit Vorbereitungen auf die Niederlage begonnen und arbeitet an einer Gesetzesvorlage, die den Abgeordneten zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Brexit-Minister David Davis kündigte eine Vorlage „binnen Tagen an“. Der Entwurf solle so einfach wie möglich ausfallen. Die Regierung werde sicherstellen, dass der Antrag auf Ausstieg aus der Europäischen Union wie geplant bis Ende März gestellt werden könne.

Sie will mit den offiziellen Austrittsgespräche mit der EU laut Artikel 50 des Lissabon-Vertrages bis Ende März starten. Die Verhandlungen sind auf zwei Jahre angelegt, so dass Großbritannien der Staatengemeinschaft im Frühjahr 2019 den Rücken kehren könnte.

Angesichts des Urteils hat die britische Währung gegenüber dem Dollar zunächst deutlich zugelegt. Das drückte die Hoffnung der Investoren aus, dass durch die Mitsprache der Abgeordneten der Bruch mit der EU nicht ganz so hart ausfällt wie von May geplant. Doch das Pfund gab dann wieder deutlich nach, als die Richter die Einflussmöglichkeiten auf das britische Parlament beschränkten und entschieden, dass die Regionalparlamente keine Veto-Möglichkeiten haben sollten.

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Beobachter erwarten, dass die britische Regierung möglicherweise schon diese Woche einen Gesetzesentwurf veröffentlicht, der den Abgeordneten zur Abstimmung vorgelegt werden soll und den Beginn der offiziellen Scheidungsgespräche bis Ende März ermöglicht. Doch Juristen haben die Regierung bereits gewarnt, dass die Gesetzesvorlage nicht zu knapp ausfallen sollte. Denn sollte dieses Gesetz nicht genug Details zu dem geplanten Vorgehen enthalten, würde sich die Regierung angreifbar machen und so möglicherweise weiteren juristischen Streitigkeiten Tür und Tor öffnen.

Je nachdem, wie der Gesetzesentwurf ausfällt und welche Diskussionen er im Parlament mit sich bringt, könnte dies die Brexit-Pläne der britischen Regierung verzögern. „Die Erwartung ist zwar, dass es unwahrscheinlich ist, dass etwa das House of Lords gegen das Gesetz sein wird“, kommentiert Phillip Souta von der internationalen Kanzlei Clifford Chance, aber die Erfahrung hätte gezeigt, dass solche Erwartungen auch durchaus „enttäuscht“ werden könnten. Eine Niederlage im Oberhaus würde einen Brexit zwar nicht abwenden, hätte aber das Zeug, ihn deutlich hinauszuschieben.

Charles Brasted von Hogan Lovells erwartet dagegen keine Zeitverzögerung, dafür aber weitere Zugeständnisse an die Abgeordneten: Die Regierung könnte im Zuge der Debatten dem Parlament mehr Mitwirkung einräumen müssen, wenn es um die weiteren Schritte beim Brexit-Prozess gehe, so Brasted.

Wie diese aussehen könnten, das soll Keir Starmer, Labour-Schattenminister für das Thema Brexit, bereits angedeutet haben. Starmer will mehr Mitsprache über den finalen Brexit-Deal. May hat den Abgeordneten zwar bereits vergangene Woche zugesichert, dass sie über das Verhandlungsergebnis abstimmen dürfen. Sie werden bisherigen Signalen zufolge aber nur die die Möglichkeit haben, dem Deal zuzustimmen oder ihn abzulehnen.

Starmer will Medienberichten zufolge auch für die Möglichkeit kämpfen, May am Ende zu zwingen, erneut mit der EU zu verhandeln, wenn das bis dahin vorliegende Ergebnis bei der Mehrheit der Parlamentarier durchfällt.


Weitere juristische Hürden für May

Selbst wenn die Premierministerin jetzt neue Rechtsstreitigkeiten über den Zeitpunkt, wann Artikel 50 ausgelöst wird, vermeiden sollte, May stehen noch eine Reihe anderer juristischen Hürden in Sachen Brexit bevor. Anfang Februar steht vor dem Londoner High Court, der ersten Instanz für wichtige Fälle, eine Anhörung zu der Frage an: Muss das Parlament auch zustimmen, wenn Theresa May den Austritt aus dem Europäischen Binnenmarkt anstrebt?

Dass sie genau das vorhat, hat die Premierministerin vor einer Woche in einer wichtigen Brexit-Rede bestätigt. Sie will auch der Zollunion den Rücken kehren und den Einfluss des Europäischen Gerichtshofs abschütteln.

In Irland bahnt sich ein anderer Brexit-Rechtsstreit an. Es geht um die Frage, ob man den Europäischen Gerichtshof in den Prozess einbezieht und entscheiden lässt, ob ein EU-Austrittsgesuch Großbritanniens gemäß Artikel 50 des Lissabon-Vertrages unumstößlich ist, oder widerrufen werden kann.

Vor allem die lautstarken Brexit-Befürworter kritisieren die Einschaltung der Gerichte massiv und sehen darin einen Versuch der britischen Europa-Anhänger, einen Austritt aus der Staatengemeinschaft zu verzögern. Die Richter, die in der ersten Instanz für mehr Mitsprache des Parlaments in Sachen Artikel 50 stimmten, wurden als „Feinde des Volkes“ tituliert.

David Neuberger, Großbritanniens oberster Richter, sah sich daher bei der Anhörung vor dem Supreme Court im Dezember gezwungen, eine reine Selbstverständlichkeit zu betonen: „Wir wissen um die starken Gefühle, die mit politischen Fragen um den EU-Austritt einhergehen“, sagt Neuberger. Sich damit auseinanderzusetzen sei aber nicht seine Aufgabe. „Unsere Pflicht ist es, sich unvoreingenommen mit Rechtsfragen zu befassen.“

Und bei diesen Rechtsfragen gehe es nicht darum, ob Großbritannien aus der EU austritt oder nicht, sondern um das Prozedere, wie dieser Schritt über die Bühne gehen sollte. Auch mehr Mitsprache des Parlaments wollen die Brexit-Befürworter nach Möglichkeit vermeiden. Sie fürchten, dass die Abgeordneten, die mehrheitlich als EU-freundlich gelten, eine engere Anbindung an die Staatengemeinschaft erhalten und einen harten Bruch verhindern werden.

KONTEXT

Großbritanniens Optionen nach dem Brexit

Zollunion

Großbritannien könnte es machen wie die Türkei und der Zollunion beitreten. Dadurch würden die Zölle wegfallen und die Handelsabkommen mit der EU behielten bestand. Andererseits wäre London aber dabei eingeschränkt, eine eigene Handelspolitik zu betreiben, da man sich an den gemeinsamen Zolltarif halten müsste. Ob dies den Briten gefallen würde, bleibt fraglich. Immerhin folgt die Brexit-Entscheidung dem Ruf nach völliger nationaler Souveränität.

Europäischer Wirtschaftsraum (EWR)

Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) umfasst derzeit 31 Länder. Die teilnehmenden Staaten haben gemeinsame Aufsichtsbehörden, Gerichte und Regeln. Zudem gelten die vier Binnenmarktfreiheiten beim Waren-, Personen-, Dienstleistungen- und Kapitalverkehr. Allerdings will die britische Regierung weder der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes unterliegen noch die Kontrolle über die Immigration abgeben.

Der "Schweizer Weg"

Am liebsten wäre der englischen Regierung wohl ein Modell wie der "Schweizer Weg". So könnten für die einzelnen Wirtschaftsbereiche maßgeschneiderte Abkommen ausgehandelt werden. Die EU hat allerdings schon durchblicken lassen, eine derartige Lösung abzulehnen.

Freihandelsabkommen

Die wahrscheinlichste Option ist für die Briten wohl ein gesondert ausgehandeltes Freihandelsabkommen, wie es zwischen der Europäischen Union und Kanada (Ceta) vereinbart wurde. Damit würden die Briten ihre durch den Brexit forcierte Unabhängigkeit behalten und könnten spezielle, aber umfassende Handelsbedingungen im Gespräch mit der EU festlegen.