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Investoren erteilen Munich Re einen Rüffel

An seiner Position zum umstrittenen Vergütungsplan machte Nikolaus von Bomhard keinen Hehl. „Es handelt sich um ein nachhaltiges System“, beteuerte der scheidende Vorstandschef des weltgrößten Rückversicherers Munich Re am Mittwoch vor den Aktionären. „Aber wir können unsere Vergütungskriterien nicht alle offenlegen, sonst erhalten Wettbewerber sensible Informationen über unsere Pläne.“

Doch das wortreiche Werben des 60-Jährigen Vorstandschefs, der in der Nacht zum Donnerstag das Ruder an seinen Nachfolger Joachim Wenning übergibt, konnte die rund 3000 Aktionäre auf der Hauptversammlung in München nicht mehr umstimmen. Das System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder findet bei den Anlegern keine Mehrheit. Nur 34 Prozent stimmen zu – zu wenig, um akzeptiert zu werden.

Es ist ein Paukenschlag zum Abschied, der den Stabswechsel von von Bomhard zu Wenning trübt. Doch das Management musste sich bereits in den letzten Tagen darauf einstellen, dass das geplante Vorstands-Vergütungssystem in der Abstimmung durchfiel. Der einflussreiche Aktionärsberater ISS hatte empfohlen, das System abzulehnen, da die Kriterien für die Bemessung der Vorstandsboni den Aktionären nicht erläutert würden. Auch werde dem Aufsichtsrat zu viel Spielraum in der Festlegung der Boni eingeräumt. Bei der Deutschen Bank waren die Gehalts- und Bonus-Richtlinien bereits im vergangenen Jahr auf der Hauptversammlung durchgefallen – ebenfalls auf Betreiben von ISS.

Auch die Beschwörungen von Aufsichtsratschef Bernd Pischetsrieder auf der Hauptversammlung können die Anleger nicht zu einem Ja für den Vergütungsbericht mehr umstimmen. „Die Vorstandsmitglieder werden damit nicht motiviert, unverhältnismäßige Risiken einzugehen“, erklärte er mit den Anlegern mit einer Stimme, die seine bayerische Herkunft deutlich verrät. Doch es hilft nichts.

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Auf Vorschlag der Stimmrechtsberater stimmten mehr als 65 Prozent der anwesenden Aktien gegen den Vorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand, das bisherige System ohne Offenlegung fortzusetzen. Pischetsrieder reagiert am Ende leicht verärgert, weil die Stimmrechtsberater vorher nicht das Wort ergriffen hatten. „Eigentlich halte ich das für eine Missachtung des Gremiums“, sagte der frühere BMW-Chef. Trotzdem will der Aufsichtsrat nun über Konsequenzen beraten. Die Aktionärsvoten zur Vergütung sind in Deutschland zwar rechtlich nicht bindend, aber Firmen können sich kaum erlauben, ein Nein der Anteilseigner zu ignorieren.

Der Dämpfer für das Munich-Re-Kontrollgremium wirft einen leichten Schatten über einen Tag, an dem eigentlich der Führungswechsel sowie die Verabschiedung des scheidenden Vorstandschefs im Mittelpunkt stehen sollte. Von Bomhard selbst geht zuvor in seiner Abschiedsrede nur mit wenigen Worten auf den Streit ein.

Stattdessen nutzt er seine letzte Rede zu einem persönlich gefärbten Lebewohl nach 13 Jahren an der Spitze des weltgrößten Rückversicherers und einen Rückblick auf das abgelaufene Geschäftsjahr. „Das Wort Stolz ist mir eher suspekt“, ruft er den Aktionären zu. „Aber ich bin wirklich stolz auf das, was wir unter der Überschrift ‚Innovation‘ über die gesamte Gruppe hinweg erreicht haben.“ Die Pipeline der Ideen sei erfreulich voll. Die Munich Re habe 2016 zwar kein „Ergebnis mit Goldrand“ vorgelegt – wie von Bomhard unter Anspielung auf den Bilanzcheck des Handelsblatts betonte – aber hinter der Gruppe liege ein „ordentliches Jahr“.

Auch im laufenden Jahr liege der Konzern nach einer ersten Einschätzung des Geschäftsverlaufs in den ersten drei Monaten dieses Jahres „gut auf Kurs, um unser Gewinnziel zu erreichen“. Das liegt allerdings unter Vorjahr: Für das laufende Jahr strebt Munich Re einen Gewinn von 2,0 bis 2,4 Milliarden Euro an, nach 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2016. Am Ende seines Vortrages erlaubt sich von Bomhard dann aber auch noch einige persönliche Worte. „Es ist ein Privileg, für dieses Unternehmen gearbeitet haben zu dürfen, sagt er mit leiser, aber bestimmter Stimme in München. Die Munich Re habe sich immer die Freiheit genommen, auch gegen den Strom zu schwimmen und den Mut zum Widerspruch bewiesen, wenn etwas in ihren Augen schief lief – und dabei nicht nur „eng pro domo“ gesprochen.


Aktionäre stellen gutes Zeugnis aus

Es sind Abschiedsworte, die zu dem studierten Juristen passen. Von Bomhard scheut keine pointierten Worte. Aber er fasst sie stets in wohlgesetzte Formulierungen. Im Gespräch ist er weltgewandt und freundlich. Der Angehörige eines mehr als 200 Jahre alten Adelgeschlechts, der vier Fremdsprachen spricht, verkörpert auf einzigartige Weise unter den deutschen Dax-30-Chefs eine Mischung aus Intellektualität und Bodenständigkeit. Er ist kein Mann, der den großen Auftritt sucht. Auf einer Branchenveranstaltung mischt sich das Munich-Re-Eigengewächs auch schon mal einfach unter das Publikum und lauscht andächtig den Vorträgen auf dem Podium. Dennoch gilt er als Querdenker und eine der wichtigsten Stimmen der Branche.

So fällt das Zeugnis, das die Großinvestoren ihm ausstellen, sehr wohlwollend aus. Für die langjährigen Aktionäre von Munich Re sei „die 13 eine Glückszahl“, ruft Ingo Speich, Fondsmanager von Union Investment den Anlegern in der Halle zu. „Seit 13 Jahren steht Herr von Bomhard an der Spitze des Unternehmens und ist dabei erst der achte Chef in 137 Jahren.“ Die Aktionäre würden „die Ära von Bomhard in guter Erinnerung behalten und die Latte für den Nachfolger“ liege hoch. Doch es gibt auch Kritik. „Wo ist das Wachstumspotenzial der Munich Re?„ fragt sich Anlegerschützerin Daniela Bergdolt, die auf dem Treffen für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz spricht. Von Bomhard hinterlasse zwar ein wohlbestelltes Haus. Aber angesichts der Schwäche der Erstversicherungstochter Ergo verliere sie „allmählich die Geduld“.

Doch ungeachtet der milden Schelte, die größte Leistung des scheidenden Chefs besteht wohl darin, dass es die Munich Re in ihrer heutigen Form so noch gibt. Denn dies ist keineswegs ausgemachte Sache, als er Anfang 2004 den Chefsessel übernimmt. Der Konzern hat sich mit Aktieninvestitionen verhoben, vor allem der hohe Anteil an der Hypo-Vereinsbank drückt in den Büchern. Doch von Bomhard und sein Finanzchef Jörg Schneider stabilisieren den wankenden Konzern. Für den promovierten Steuerrechtler eine Lektion, die er nie vergisst: Eine vorsichtige Geschäftspolitik wird sein Markenzeichen. Im März scherzte von Bomhard noch öffentlich: „Ich kenne kein Unternehmen, das so wenig optimistisch ist wie wir.“

Das „Wir“ ist mehr als eine Floskel. Wie sein Nachfolger Wenning ist auch von Bomhard ein Eigengewächs aus der geschlossenen Welt der Assekuranzen. Nach Jurastudium und Doktorarbeit fing er bereits mit 29 Jahren bereits bei der Münchener Rück an, baute eine Filiale in Brasilien auf, wurde Vorstand und 2004 Konzernchef. Ein schweres Erbe: Er musste gleich den ersten Jahresverlust der Münchener Rück seit 1906 präsentieren. Und konnte danach vier Jahre in Folge mit Rekordgewinnen glänzen. Die Finanzkrise 2009 und die schlimmsten Naturkatastrophen-Schäden 2011 überstand die Munich Re ohne rote Zahlen. Doch bei den Problemen der Erstversicherungstochter Ergo sah er lange zu und auch den Sexskandal der Erstversicherungstochter überging er zunächst mit aristokratischem Schweigen. Seine schwierigste Aufgabe bei der Munich Re sei zu entscheiden, wer welche Verantwortung übernehmen soll, sagte er.

Für sich selbst hat der drahtige Mann mit der schmalen Brille, der zwei Töchter hat und mit einer Amerikanerin verheiratet ist, dies bereits entschieden. Nach dem Stabswechsel will er durch Europa reisen, sich um die Familie kümmern und mehr ehrenamtliche Aufgaben wahrnehmen. Ganz lösen wird er sich aber auch nach dem Rückzug nicht von der Munich Re. Ob er 2019 in den Aufsichtsrat einrückt, wenn der bisherige Vorsitzende, Ex-BMW-Chef Bernd Pischetsrieder, ausscheidet?, wird er gefragt. „Ich weiss nicht, wie meine Lebensplanung in einem Jahr sein wird“, lautet von Bomhards vielsagende Antwort. „Aber die Wahrscheinlichkeit liegt über 50 Prozent.“ Den Dämpfer zum Ende auf der Hauptversammlung hätte die Munich Re allerdings ihrem scheidenden Chef als auch dem Konzern selbst wohl lieber erspart.