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Abschied vom Einzelbüro: Adidas setzt in seiner Zentrale auf neue Konzepte

Der Sportkonzern hat seinen Campus in Herzogenaurach im großen Stil erweitert. Die Adidas-Mitarbeiter müssen sich gewaltig umstellen.

Jeden Morgen, wenn die Mitarbeiter von Adidas in die neue Zentrale strömen, kommen sie an der lebensgroßen Statue von Adi Dassler vorbei. So wie die 2100 Beschäftigten, die inzwischen in dem Gebäude tätig sind, so musste auch das Ebenbild des legendären Firmengründers in den letzten Wochen umziehen. Denn Europas größter Sportkonzern hat seinen Campus in Herzogenaurach massiv erweitert.

Der Neubau des Architekturbüros Behnisch ist spektakulär. Er steht auf Stelzen, die wabenförmige Hülle ist einem Stadion nachempfunden. Nicht minder bemerkenswert aber ist, wie sich der Arbeitsalltag der Beschäftigten verändert hat.

Eigene Büros sind in dem „Arena“ genannten Bau Geschichte. Und nicht nur das. „Keiner hat einen eigenen Schreibtisch, keiner hat einen Telefonanschluss“, sagt Karen Parkin. Die Engländerin ist im Vorstand fürs Personal zuständig.

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Das heißt: Aus Stubenhockern wurden bei Adidas Büro-Nomaden. Die Mitarbeiter suchen sich im Großraum jeden Tag aufs Neue einen Arbeitsplatz. Persönliche Gegenstände verstauen sie in ihrem Spind – er ist das letzte Refugium des Einzelnen bei der Marke. Erreichbar sind die Leute per Mobiltelefon, wichtigstes Arbeitsmittel ist das Notebook.

Das neue Gebäude ist das markanteste Zeichen eines langen Aufschwungs bei dem Dax-Konzern. In den vergangenen zehn Jahren seien weltweit 18.000 Mitarbeiter dazu gekommen, meint Parkin. Der Umsatz hat sich im selben Zeitraum auf inzwischen 22 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Adidas sei in der attraktiven Sportartikelbranche der Superstar, schrieb Analyst Graham Renwick von der Berenberg Bank in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie.

Vor allem aber ist Adidas so profitabel wie nie und kann sich die Expansion am fränkischen Stammsitz problemlos leisten. 350 Millionen Euro haben die beiden Neubauten gekostet, neben „Arena“ hat Adidas auch noch „Halftime“ gebaut, einen futuristischen Komplex aus Kantine und Besprechungsräumen.

Vor genau 20 Jahren ist Adidas aus dem Zentrum von Herzogenaurach an den Stadtrand gezogen, auf ein früheres Militärgelände. Bis zum jetzigen Umzug war auch der Vorstand in einer ehemaligen Kaserne untergebracht. Zudem unterhielt Adidas noch einige Standorte über die Kleinstadt verteilt.

Mit den Jahren hat das Unternehmen nun einen richtigen Campus aufgebaut. Die bislang größte Investition war vor acht Jahren das Bürogebäude „Laces“ (deutsch: Schnürsenkel), wo auch Archiv und Forschung beheimatet sind. Es kamen Kindergärten, ein Stadion und das firmeneigene Fitness-Studio dazu.

Rund eine Milliarde Euro hat Adidas eigenen Angaben zufolge insgesamt für seine sogenannte „World of Sports“ ausgegeben. 5600 Beschäftigte sind inzwischen auf dem Areal tätig, knapp zehn Prozent der weltweiten Belegschaft.

Die Bauarbeiter hatten in den vergangenen Jahren auch ein paar Hundert Meter weiter gut zu tun. Lokalrivale Puma hat erst 2018 die Erweiterung seines modernen Hauptquartiers eröffnet. Die Marke mit dem Raubtierlogo leistete sich zwar keine so spektakuläre Architektur wie Adidas. Schließlich ist das Label deutlich kleiner und lange nicht so profitabel. Markant aber ist eine Fußgängerbrücke aus Glas, die beide Teile der Zentrale über eine vierspurige Umgehungsstraße hinweg verbindet.

Längst nicht alle Büros belegt

Personalchefin Parkin testete mit ausgewähltem Teams drei Jahre lang unterschiedliche Arbeitskonzepte. Dafür baute Adidas extra ein Gebäude auf dem Campus. Das Ergebnis der Experimente ist jetzt in der „Arena“ zu sehen. „Man muss heute mehr tun als früher für die Mitarbeiter“, meint Christian Dzieia, Chef der konzerneigenen Immobilienverwaltung.

So habe die Leute zwar keine festen Plätze mehr. Dafür aber viel Raum, um sich überall im Gebäude zu treffen. Offene Teeküchen, Adidas nennt sie „Kitchen Hubs“ und Sitzecken sind über den gesamten, ausgesprochen luftigen Bau verteilt.

Ein Blick in die neuen Büros zeigt zudem: Es sind längst nicht alle Schreibtische belegt, obwohl nur für 80 Prozent der Angestellten Platz geschaffen wurde. Die fehlenden Kollegen müssen nicht unbedingt auf Dienstreise sein, oder krank. Einen Tag die Woche dürfen die Beschäftigten des Turnschuhherstellers generell von zuhause aus arbeiten.

Die Mitarbeiter seien sehr zufrieden mit der neuen Zentrale, beteuert Parkin. Womöglich liegt das auch daran, dass Adidas die jüngste Belegschaft aller Dax-Konzerne hat. Im Schnitt sind die Beschäftigten 31 Jahre alt. Einer der Gründe dafür: Rund um den Globus betreibt Adidas Hunderte Läden mit meist jugendlichem Personal. Am Stammsitz in Herzogenaurach selbst liegt der Schnitt bei 38 Jahren.

Um Personal aus der ganzen Welt für die fränkische Provinz zu begeistern, sei der innovative Neubau ganz sicher hilfreich, findet Parkin. Andererseits: Mehr als eine Million Bewerbungen erhält Adidas eigenen Angaben zufolge jedes Jahr. Die Sportfirma hat also die Qual der Wahl. Dennoch sei es oberstes Ziel, „die eigenen Leute zu halten“, meint Parkin. Sie selbst ist seit 22 Jahren im Unternehmen.

Wer partout nicht in Herzogenaurach arbeiten möchte, der hat sowieso die Wahl. Dasselbe Arbeitskonzept wie in der „Arena“ setzt Adidas auch in Schanghai und Amsterdam ein. Am US-Sitz in Portland investiert der Konzern derzeit ebenfalls in neue Gebäude.

Nur eins passt nicht so recht zum sportlichen und grünen Image, mit dem Vorstandschef Kasper Rorsted so gerne hausieren geht: das gewaltige neue Parkhaus. 3500 Parkplätze stehen jetzt zur Verfügung – und 500 Fahrradständer. Immobilienmanager Dzieia hofft allerdings, dass sich eine Tramverbindung aus dem benachbarten Erlangen und Nürnberg eines Tages doch noch verwirklichen lässt.

Zwischen den Gebäuden sei genügend Platz, damit die Straßenbahnzüge mitten durch die „World of Sports“ fahren könnten. Damit könnte sich die Fahrzeugflut in Herzogenaurach deutlich verringern. Schließlich sitzen hier nicht nur Adidas und Puma, sondern auch noch der Autozulieferer Schaeffler.

Offiziell eröffnet werden die neuen Gebäude bei einem großen Mitarbeiterfest am 9. August. Das Datum hat Parkin bewusst gewählt: Am 18. August 1949 gründete Adi Dassler sein Unternehmen, Adidas wird im Sommer also 70 Jahre alt. Den sportbegeisterten Schuster freilich vergisst auch von den jungen Mitarbeitern garantiert keiner mehr, seit Parkin seine Statue prominent vor den Eingangstüren platzieren ließ.

Mehr: Adidas-Chef Kasper Rorsted versteht nicht, warum manche Konzernlenker erst jetzt das Thema Klimawandel erkennen. Der Sportkonzern macht mit nachhaltigeren Shirts, Shorts und Turnschuhen Profit. Lesen Sie hier das Interview.