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Abschied von der alten Welt

Wenn Allianz-Chef Oliver Bäte über sein Unternehmen spricht, dann gehören Superlative dazu. So auch am Freitagvormittag, als eigentlich laut offizieller Ankündigung nur die Zahlen für das ersten Halbjahr verkündet werden sollten. Bäte sprach also vom Lebensversicherungsgeschäft, bei dem er sehr froh sei, dass die Allianz wieder auf Angriff gehe. Er bezeichnete die Leistung des einstigen Sorgenkindes Pimco als „Spitzenklasse“, hatten doch Anleger dort zuletzt so viel Geld investiert wie noch nie. Und das hauseigene, „Renewal Agenda“ getaufte, Umbau-Programm sei ohnehin „konsequent gut für alle, Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre.“

All das ist lange bekannt, die wesentlichen Zahlen sind es seit gut einer Woche auch. Gut, dass da am Donnerstag schon durchsickerte, dass sich Europas größter Versicherer am Sachversicherungsgeschäft der britischen Liverpool Victoria Friendly Society (LV=)beteiligen wird. Für Gesprächsstoff abseits des Zahlenwerks war somit reichlich gesorgt. Bäte nutzte das für einen größeren Abriss zur Zukunft der gesamten Versicherungsbranche. Dass die in einigen Jahren so völlig anders aussehen wird als heute, ist zwar kein Geheimnis. Überall in der Branche ist derzeit die Rede davon. Bäte jedoch verpackte sie in deutliche Worte, gepaart mit Beispielen und Konsequenzen für das eigene Unternehmen.

Die künftige Zusammenarbeit mit der britischen LV= ist so ein Beispiel, wie eine Partnerschaft abseits des bisher geltenden Mottos „Groß schluckt Klein“ aussehen könnte. 500 Millionen britische Pfund überweisen die Münchener in einem ersten Schritt und sichern sich damit 49 Prozent am Sachversicherungsgeschäft der britischen Nummer drei. In einem weiteren Schritt sollen dann im Jahr 2019 weitere 213 Millionen Pfund für einen Anteil in Höhe von 20,9 Prozent fließen. Der Allianz gehörten dann knappe 70 Prozent an den Briten. Anschließend besitzt LV= Put-Optionen, um so den verbleibenden Rest oder Teile davon an die Allianz abzugeben. Insgesamt ist der Wert des britischen Versicherers auf 1,02 Milliarden Pfund taxiert.

„Das ist eine sehr innovative Form der Zusammenarbeit“, lobte Bäte sein eigenes Modell, das die jeweiligen Gremien beider Häuser plus die begleitenden Investmentbanken und Juristen seit gut einem Jahr ausgehandelt hatten. LV= bleibt demnach als Marke im Endkundengeschäft auf der Insel erhalten. Nur bei den auch in Großbritannien sehr starken Maklern läuft das Geschäft künftig unter der Marke Allianz. Auch bleibt die Führung der LV= weiter beim bisherigen Vorstandschef Richard Rowney. Vorsichtig sprechen beide Partner demnach von einem Joint Venture. Nur nicht die Kunden des Traditionshauses mit einem ausländischen Großkonzern verschrecken, lautete wohl das Motto.

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LV= ist schließlich auf der Insel ein hoch angesehenes Unternehmen. Die Kundenzufriedenheit dort ist extrem, ebenso die Bekanntheit der Marke. Beides Attribute, auf die auch Bäte im eigenen Haus höchsten Wert legt. Damit kommt den Briten gleichzeitig aber noch eine ganz andere Rolle zu. Europas größter Versicherer arbeitet damit schließlich zum ersten Mal mit einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ganz eng zusammen. Bisher galten die auch in Deutschland sehr geläufige Gesellschaftsform und die der börsennotierten Versicherer als kaum vereinbar.


Kleine statt große Übernahmen

Einerseits die traditionell eher an den Kunden orientierten Vereine mit großer Historie, andererseits die gewinnorientierten Aktiengesellschaften. „Die alte Welt wird in Zukunft nicht mehr gelten“, ist sich Oliver Bäte deshalb sicher. Die Allianz könne deswegen künftig verstärkt Partner für Versicherungsvereine sein. „Unsere Telefonnummer ist bekannt“, gab er sich schon mal offen für potenzielle Interessenten.

Die Gründe dafür sind naheliegend. Zum einen ist da der hohe Kostendruck durch Regulierung. Zum anderen sind es die gleichzeitig geringen Zinserträge, die den Wandel besonders treiben. Seit nunmehr sieben Jahren hält die Niedrigzinspolitik der großen Notenbanken rund um die Welt schon an.

Deswegen gibt es jetzt auch nicht die von vielen erwartete große Übernahme, sondern eben die kleinere, aber in Bätes Augen intelligentere Lösung. „Einfach nur Geld auf den Tisch legen, um etwas zu tun, das werden wir nicht machen“, so Bäte wörtlich. Eine solche Einstellung erfordere aber Disziplin. Die will er weiter halten, auch wenn im ersten Halbjahr schon wieder zwei Milliarden Euro in die Kasse flossen, die eingesetzt werden könnten.

Bäte sieht den im eigenen Haus ebenso wie in der gesamten Branche. Die Zeiten, in denen alle alles machen, seien ohnehin vorbei. In der digitalen Welt werden sich die heute noch branchenüblichen Formen der Geschäftsmodelle auflösen. Kundenservice und Vertrieb, Produktentwicklung, Kapitalanlage und Callcenter werden künftig in verstärkter Zusammenarbeit erledigt, ohne dass der Kunde nach außen davon groß etwas mitbekommen wird, so Bätes Vorstellung. „Die Grenzen werden sich auflösen, ist er sich sicher“. Gewinner werde der sein, der dabei kreativer ist als der Rest.

Dass solch ein Szenario generell mit weniger Mitarbeitern bei den Versicherern auskommen wird, ist branchenweit unumstritten. Kein Versicherer beantwortet heute noch die Frage, ob er in zehn Jahren mehr oder weniger Mitarbeiter haben wird, mit ersterem. „Wir wollen aber keine Blutbäder schaffen, das gibt es bei uns nicht“, schließt er Massenentlassungen aus. Gleichwohl müsse jeder immerzu die Produktivität verbessern. „Das geht nicht weg“, tritt er all denen entgegen, die hoffen, solche Phasen aussitzen zu können. Aus dem „Schweinezyklus von einst mit sieben mageren und sieben fetten Jahren“ wolle man bewusst raus.

Die Allianz-Aktie reagierte am Freitagvormittag nur mit einem kleinen Plus auf die deutlichen Worte des Chefs. Mehr war auch nicht zu erwarten. Immerhin stieg ihr Kurs in den vergangenen Tagen bereits von einem Fünf-Jahres-Hoch zum nächsten. Sowohl im Dax als auch im Vergleich zu den anderen europäischen Versicherungswerten ist die Allianz-Aktie in diesem Jahr mit einem Plus von rund 15 Prozent ohnehin bereits ganz oben.