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VW braucht Monate für Aufarbeitung des Abgas-Skandals

Neuwagen stehen auf dem Autoterminal neben dem VW-Werk in Emden zur Verschiffung bereit. Das Terminal bildet die Drehscheibe für den Export aller Modelle des VW-Konzerns. Foto: Ingo Wagner

Angesichts der riesigen Dimension rechnet Volkswagen mit einer langen Aufarbeitung des Abgas-Skandals. Eine für den 9. November geplante außerordentliche Hauptversammlung wurde deswegen abgesagt.

Trotz Bedenken soll nun doch wie geplant der bisherige Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch neuer Aufsichtsratsvorsitzender werden und damit eine zentrale Rolle übernehmen. Nachfolger von Pötsch wird der Vorstandsvorsitzende der VW-Finanztochter, Frank Witter, wie VW nach einer Sitzung des mächtigen Aufsichtsrats-Präsidiums mitteilte.

Die Untersuchungen zum Abgasskandal würden «mindestens mehrere Monate» in Anspruch nehmen, teilte der Konzern weiter mit. Es sei nicht realistisch, «binnen weniger Wochen zu fundierten Antworten zu kommen, die den berechtigten Erwartungen der Aktionäre entsprechen». Daher wurde die Sonder-Hauptversammlung abgesagt.

Vor zwei Wochen war in den USA herausgekommen, dass VW mit einem Computerprogramm die Abgaswerte bei Dieselwagen manipuliert hat. Weltweit sind nach Konzernangaben rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen, davon rund 2,8 Millionen in Deutschland. Konzernchef Martin Winterkorn trat Mittwoch vergangener Woche zurück.

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Das Präsidium des Aufsichtsrats hatte am Mittwochabend mehrere Stunden lang bis in die Nacht getagt. Zum Präsidium zählen Interims-Aufsichtsratschef Berthold Huber, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Aufsichtsrat Wolfgang Porsche, Betriebsratschef Bernd Osterloh und dessen Vize Stephan Wolf.

Der innerste VW-Machtzirkel bestätigte am Donnerstag eine bereits vor Wochen getroffene Entscheidung, dass der bisherige Finanzchef Pötsch an die Spitze des Kontrollgremiums rücken soll. Der 64-Jährige soll nun von einem Registergericht als Aufsichtsrat bestellt werden, anschließend soll ihn das Gremium zum Vorsitzenden wählen.

In Konzernkreisen war zuvor Kritik laut geworden, weil Pötsch in seiner neuen Rolle die Aufklärung des Dieselskandals beaufsichtigen soll - für den er in seiner Zeit als VW-Vorstand aber möglicherweise eine Mitschuld tragen könnte, wie es in den Kreisen hieß.

Nach dpa-Informationen gab es etwa seitens des Landes Niedersachsen Klärungsbedarf wegen der möglichen Verwicklungen von Pötsch in die aktuelle Abgas-Krise. Die Familien Porsche und Piëch als VW-Miteigentümer dagegen ließen mitteilen, sie stünden unverändert hinter Pötsch als künftigen Chef des Kontrollgremiums.

Den Posten an der Spitze des Aufsichtsrates hat seit dem Rücktritt des langjährigen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch kommissarisch der frühere IG-Metall-Chef Huber inne. Piëch war Ende April nach einem verlorenen Machtkampf mit Winterkorn zurückgetreten.

Huber ist auch Mitglied in einem Ausschuss des Aufsichtsrats, der die Aufarbeitung des Skandals überwachen soll. Diesem Gremium gehören daneben Osterloh, die Betriebsrätin Babette Fröhlich, Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies sowie als Vertreter der Familien Oliver Porsche an. Der Ausschuss soll dem Aufsichtsrat regelmäßig berichten und kann sich für seine Aufklärungsarbeit auf die US-Anwaltskanzlei Jones Day sowie externe Experten stützen.

Der neue Konzernchef Matthias Müller bat in einem Schreiben an die Aktionäre um Zeit für die Aufarbeitung des Skandals. «Ich versichere Ihnen, dass ich Ihnen Antworten geben werde. Dafür bitte ich Sie jedoch, mir Zeit zu geben, um die Hintergründe genau zu erfassen.» Die konzerninternen Untersuchungen liefen auf Hochtouren.

VW hat bereits 6,5 Milliarden Euro für Kosten aus dem Abgas-Skandal zurückgelegt. Das Geld ist aber wohl in erster Linie für eine technische Umrüstung der Autos mit Manipulations-Software bestimmt, wie Pötsch laut «Automobilwoche» kürzlich vor VW-Managern erklärte. Dazu könnten Milliardenkosten etwa aus möglichen Schadenersatzfordrungen von Kunden und Aktionären kommen.

Eine ungewöhnliche Volte vollzog die Braunschweiger Staatsanwaltschaft. Sie führt entgegen früheren Angaben derzeit kein formelles Ermittlungsverfahren gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn pesönlich.

Zugleich bedauerte die Behörde die «Irritationen» über ihre Angaben zu dem Verfahren und betonte, dass gegen Winterkorn aktuell kein Anfangsverdacht bestehe. Es werde aber natürlich weiterhin geprüft, ob ein solcher möglicher Anfangsverdacht gegen Winterkorn oder andere - nicht namentlich genannte - VW-Manager besteht, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage.

Unterdessen warnte der Deutschland-Chef von Ford, Bernhard Mattes, davor, den Diesel nach dem Abgas-Skandal als Antrieb infrage zu stellen. «Der Diesel bleibt ein wesentlicher Bestandteil einer guten CO2-Strategie», sagte er am Donnerstag auf einem Kongress der «Automobilwoche» in Berlin.

Vom Skandal um manipulierte Abgaswerte ist nach Aussage von EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska bisher nur Volkswagen betroffen. «Ich habe keine Belege, dass ein anderes Unternehmen davon berührt ist», sagte sie am Donnerstag in Luxemburg. Bienkowska pochte erneut auf Aufklärung. «Wir brauchen ein sehr gutes Bild davon, was im europäischen Automobilsektor vor sich geht.»

Schreiben Müller

Erklärung Aufsichtsratspräsidium