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Ab sofort sind Briten und Europäer Konkurrenten

Freihandel statt EU-Mitgliedschaft. Mit diesem Kompromissvorschlag will Theresa May die Scheidungsgespräche zwischen Großbritannien und EU führen. Und sie droht Europa. Fünf Fragen und Antworten zum harten Brexit.

Raus aus dem gemeinsamen Binnenmarkt, mehr Deregulierung und mehr globaler Freihandel. Die britische Premierministerin hat in ihrer Brexit-Rede klar gemacht, wie Großbritannien die Europäische Union verlassen will und wie sich ihr Land neu erfinden soll. May plant den vollständigen Bruch mit den Europäern. Die Hoffnung, die Briten könnten eine Art Mitglied zweiter Klasse bleiben, erfüllt sich nicht. Der sogenannte harte Brexit kommt – die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

1. Wie läuft der harte Brexit ab?

Im März will die britische Premierministerin den EU-Austritt einleiten. Dafür muss sie den Artikel 50 der EU-Verträge aktivieren. Danach bleiben zwei Jahre Zeit, um die Details zu verhandeln. Zwar können die Verhandlungen verlängert werden, wenn alle 28 EU-Staaten zustimmen. Angesichts der anstehenden Europawahl im Frühjahr 2019 dürften die Europäer aber darauf drängen, innerhalb der regulären Frist fertig zu werden. Die Briten wären dann nicht mehr im Europäischen Parlament und nicht in der Kommission vertreten.

Den wichtigsten Punkt hat Theresa May in ihrer Rede klargestellt: Ihr Land verlässt die EU vollständig – „keine teilweise Mitgliedschaft, keine assoziierte Mitgliedschaft Union, oder irgendwas, durch das wir halb drinnen und halb draußen sind“. Auf ein solches Modell hätten sich die Briten wohl nur eingelassen, wenn die sogenannten vier Freiheiten aufgeweicht worden wären, also die Freiheit des Warenverkehrs, der Arbeitskräfte, der Dienstleistungen und des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Die Europäer schließen das aber kategorisch aus.

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Dies bedeutet zwar auch, dass die Briten den gemeinsamen Binnenmarkt verlassen. May will aber auch künftig den „bestmöglichen Zugang“ haben. „Wir suchen eine neue strategische Partnerschaft mit der EU“, sagte die Premierministerin.

2. Wie soll diese strategische Partnerschaft funktionieren?

Wenn es nach Theresa May geht, schließen Briten und EU ein Freihandelsabkommen, wodurch Handel weiterhin ohne große Barrieren möglich wäre. Doch das dürfte länger dauern als die Premierministerin hofft. Die Verhandlungen zwischen EU und Kanada zum Ceta-Vertrag haben sich fast zehn Jahre hingezogen. Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin hält ein Abkommen innerhalb von zwei Jahren für „so gut wie unmöglich“. Bis 2019 gehe es wohl am ehesten darum, neue Zölle zwischen EU und Großbritannien zu verhindern.

Christian Odendahl vom „Centre for European Reform“ in London befürchtet ein Dilemma, das man kaum auflösen kann. „Je komplexer ein Freihandelsabkommen zwischen Briten und Europäern wird, desto mehr Regeln muss London akzeptieren. Gegen diese Regeln haben sie mit dem Brexit aber gestimmt.“


3. Was geschieht, wenn die Verhandlungen scheitern?

Schon vor der Brexit-Abstimmung gab es Berechnungen diverser Institute und Ökonomen, wonach schwere wirtschaftliche Verwerfungen zu erwarten sind, wenn die Briten für den Ausstieg stimmen. Der Pfund hatte in der Folge zwar nachgegeben, schwere Turbulenzen blieben aber aus – zumindest kurzfristig.

Sollten die Verhandlungen scheitern, würde Großbritannien auf einen Drittlandstatus zurückfallen. „Das dürfte die britische Wirtschaft schwer treffen – in geringerem Maße auch die europäische“, sagt Ökonom Odendahl. Genaue Prognosen zu den Folgen eines Brexit seien zwar nur schwer möglich. „Wir haben ja keine historischen Erfahrungen. Aber das potentielle Wachstum ist für Länder innerhalb der EU definitiv höher als außerhalb.“ Die Briten exportieren immerhin 47 Prozent ihrer Waren in europäische Nachbarländer. Auch wenn May ihr Land zu einer „globalen Handelsmacht“ machen will, dürfte ihr eine Kompensation mit anderen Handelspartnern nur schwer gelingen, sollten die Exporte in die EU einbrechen.

4. Wie gehen EU und Großbritannien künftig miteinander um?

In ihrer Rede signalisierte May Versöhnung und Konfrontation zugleich. „Wir wollen, dass die EU ein Erfolg bleibt“, sagte sie. Sie warnte die EU aber auch davor, die Briten zu demütigen. Ein „bestrafender Brexit-Deal“ wäre ein „katastrophaler Akt der Selbstverletzung“. Und: „Kein Abkommen ist besser als ein schlechtes Abkommen für Großbritannien.“

Politikwissenschaftler von Ondarza erwartet nun harte Verhandlungen: „Briten und Europäer sind künftig Konkurrenten.“ May erwägt ihrem Land ein neues Wirtschaftsmodell zu verpassen. Die Briten könnten Steuern senken, um Unternehmen anzulocken und europäische Standards für Arbeitnehmer und Freihandel unterbieten. „Das bedeutet eher Konfrontation statt Kooperation.“

5. Die Briten verlassen die EU, Donald Trump will Freihandel begrenzen. Was bedeutet das?

Der künftige US-Präsident Donald Trump hat deutschen Autobauern Strafzölle angedroht, sollten sie außerhalb der USA produzieren, die sie dann in Amerika verkaufen wollen. „Anders als Trump setzt May nicht auf weniger Globalisierung und weniger Freihandel, sondern auf mehr“, sagt von Ondarza. Die Briten lehnten die westliche Weltfinanzordnung nicht ab. Sollte sich das Land aber tatsächlich zu eine Art Steuerparadies innerhalb Europas machen, dürfte die Europäer das Affront betrachten.

Christian Odendahl geht davon aus, dass dieser „Wirtschaftspopulismus – ob in Amerika oder Großbritannien – kurzfristig sogar funktionieren kann“. Die amerikanische und britische Wirtschaft könnte für einige Zeit besser laufen. „Langfristig aber sind die Folgen verheerend. Die Staatsverschuldung dürfte deutlich steigen, es drohen Inflation und Abwertung, worunter die Bürger leiden werden“, sagt der Ökonom.

KONTEXT

Was der Abschied der Briten bedeutet

Was ist der EU-Binnenmarkt?

Er gilt als das Herzstück der Europäischen Union seit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1957 und der Europäischen Zollunion 1968. Großbritannien trat 1973 bei. Vollendet wurde der Binnenmarkt mit dem Vertrag von Maastricht 1992. Als Eckpfeiler gelten die „vier Freiheiten“: Freiheit des Warenverkehrs, der Arbeitskräfte, der Dienstleistungen und des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Das heißt, die gut 500 Millionen EU-Bürger können in den 28 EU-Staaten kaufen, arbeiten und investieren, wo sie wollen.

Wie funktioniert der Binnenmarkt?

Die EU-Länder erkennen gegenseitig ihre Regeln an und alle gemeinsam die EU-Richtlinien und Verordnungen. Die EU-Kommission ist die Überwachungsinstanz. Sie maßregelt Länder, die den Wettbewerb verzerren, ob nun mit Subventionen oder unfairen Steuervorteilen. Auch Kartelle nimmt Brüssel regelmäßig ins Visier. Üblich sind millionenschwere Bußgelder. Die EU-Gerichte bieten einen Rechtsweg.

Was bringt der Binnenmarkt den EU-Mitgliedern?

Die 28 EU-Staaten machen dank gemeinsamer Regeln und Zollfreiheit untereinander weit mehr Geschäfte als mit Partnern außerhalb der Gemeinschaft. So hatte allein der Warenverkehr untereinander 2015 laut der Statistikbehörde Eurostat ein Volumen von 3,07 Billionen Euro - 71 Prozent mehr als mit dem Rest der Welt. Deutschland hat einen Anteil von gut einem Fünftel: 22,6 Prozent aller Warensendungen innerhalb der EU kommen aus Deutschland, 20,9 Prozent aller in der EU verschifften Güter enden dort.

Welche Rolle spielt Großbritannien?

Der Handel in der EU ist für Großbritannien weniger wichtig als für die Bundesrepublik. Sein Anteil an den innerhalb der EU versendeten Güter lag laut Eurostat 2015 bei 10,2 Prozent. Es ist auch das einzige Mitgliedsland, das innerhalb der EU weniger Handel treibt als mit Drittstaaten - gemessen jeweils an Aus- und Einfuhren zusammen.

Welche Vorteile haben die Briten dann?

Großbritannien bezieht trotzdem rund die Hälfte seiner importierten Waren aus der EU und liefert auch etwa die Hälfte seiner Exporte dorthin, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) 2015 analysierte. Noch bedeutender sind britische Dienstleistungen: Hier erwirtschaftete das Königreich 2014 laut IW in der EU einen Überschuss von 19,1 Milliarden Euro, vor allem mit Finanzdienstleistungen. Eng verwoben sind beide Seiten auch in Wertschöpfungsketten. Es werden eben nicht nur fertige Produkte gehandelt, sondern auch Teile und sogenannte Vorleistungen. Hier könnte sich ein Austritt Großbritanniens aus dem Binnenmarkt besonders negativ auswirken, schließt das IW.

Warum geben die Briten das auf?

Die britische Regierung sieht die wirtschaftlichen Vorteile und würde sie gerne weiter nutzen. Eine der vier Freiheiten macht ihr jedoch politisch zu schaffen: die Zuwanderung von Arbeitskräften aus anderen EU-Ländern. Allein aus Polen kamen insgesamt 870 000 Menschen. Die Brexit-Befürworter beklagen den Druck auf Arbeits- und Wohnungsmarkt und wollen die Freizügigkeit stoppen. Die übrigen EU-Länder geben sich aber lhart: Zugang zum Binnenmarkt gebe es nur mit allen vier Freiheiten, „Rosinenpicken“ komme nicht in Frage.

Was bedeutet ein Abschied der Briten aus Binnenmarkt und Zollunion?

Großbritannien ginge der ungehinderte Zugang zu einem Markt mit knapp 450 Millionen Menschen verloren. London hätte dafür bei Subventionen und Steuervorteilen freie Hand und könnte Kapital anlocken. Bei einem Ausscheiden aus der Zollunion wären wieder Zölle zwischen Großbritannien und dem Kontinent denkbar. Das Königreich könnte auch mit eigenen Handelsbündnissen, etwa mit den USA, der EU eins auswischen. Wahrscheinlich ist jedoch eine Verhandlungslösung. Premierministerin May sagte am Dienstag, sie wolle den weiteren Zugang zum Binnenmarkt mit einem „umfassenden Handelsabkommen“ sichern. Ein Zollabkommen wolle sie ebenfalls. IW-Brexit-Experte Jürgen Matthes erwartet ein Geben und Nehmen, das heißt, je mehr EU-Einfluss Großbritannien zulässt, desto mehr Marktzugang kann es erwarten. Kommen beide Seiten nicht überein, wären sie immerhin noch über die Welthandelsorganisation WTO verbunden.