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Das 9-Euro-Experiment: Macht Deutschland Urlaub im Regio?

Berlin (dpa) - Ein Sitzplatz auf dem Fußboden im Gang war schon ein Glücksfall - andere schafften es erst gar nicht in die überfüllten Züge. Hunderte musste die Bahn manchmal auf den Bahnsteigen zurücklassen.

1995 war das, als das Wochenendticket kam: für 15 D-Mark mit bis zu fünf Leuten deutschlandweit fahren im Regio. Jens Schwarz hat den Ansturm erlebt - und erinnert heute an das Chaos. Denn aus Sicht des obersten Bahn-Betriebsrats könnte das geplante 9-Euro-Ticket bald ähnliche Probleme bringen.

Zwischen Sorge und «Riesenchance»

«Wir befürchten überlastete Bahnhöfe, insbesondere an kleinen Bahnhöfen», warnte Schwarz. Menschen, die sich auf Bahnsteigen drängen, Züge, die nicht rechtzeitig abfahren können, Rangeleien - mit solchen Bildern würde der Schuss nach hinten losgehen, fürchten Arbeitnehmervertreter der Bahn. Der große Feldversuch für mehr Zug- statt Autofahrten wäre womöglich gescheitert.

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«Wir sehen das 9-Euro-Ticket als eine Riesenchance, dass wir den umweltfreundlichen ÖPNV nach vorne bringen», beteuert Schwarz für die Mitarbeiter. «Wir werden alles dafür tun, dass es ein Erfolg wird.» Doch Züge, Gleise, Personal - alles sei knapp. Und es sind nur vier Wochen bis zum Start. Pfingsten gilt als Generalprobe.

ADAC: «Super Sache»

Für 9 Euro je Monat kann man im Juni, Juli und August unbegrenzt Bahnfahren im Nah- und Regionalverkehr, sofern die politischen Beschlüsse rechtzeitig fallen. Mit dem Projekt will die Koalition Pendler von den hohen Spritkosten entlasten. Gleichzeitig soll das Schnupperangebot sie auf den Geschmack bringen, das Auto dauerhaft stehen zu lassen. Selbst der ADAC spricht in den Zeitungen der Funke Mediengruppe von einer «super Sache».

Das 9-Euro-Ticket sorgt auch in deutschen Urlaubs- und Ausflugsregionen für gute Laune: «Das Angebot ist besonders attraktiv für Tagestouristen und eine gute Möglichkeit, die eigene Umgebung umweltfreundlich mit Bus und Regionalbahn zu erkunden», teilte Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands, mit. «Wir gehen davon aus, dass vor allem zahlreiche Tagesreisende ihr Auto stehenlassen und umsteigen.»

Verspätungen und Konflikte programmiert

Ob Bodensee, Sauerland oder Rügen - überall, wo Züge in die Berge oder ans Meer fahren, erwarten Bahn-Arbeitnehmervertreter Probleme. Bahnsteige seien zu kurz für längere Züge, eingleisige Verbindungen duldeten oft keine zusätzlichen Fahrten, an kleinen Bahnhöfen fehle Personal, um die Menschen zu lenken. Zwänge sich dann noch eine Radfahrergruppe in den Zug, sei die Verspätung programmiert.

Und die Konflikte: «Es könnte ein erhöhtes Sicherheitsrisiko werden, wenn erhöhtes Reisendenaufkommen auf Probleme bei Ressourcen trifft», erklärte Gerd Galdirs, Betriebsratschef bei der DB Sicherheit. Kürzere Züge, Ausfälle, fehlende Toiletten, Hitze, Gewitter und «Menschen mit einer sehr kurzen Zündschnur» - für diese Gemengelage brauche es mehr professionelles Sicherheitspersonal.

Die Verkehrsverbünde, die für Länder und Kommunen Regionalzugfahrten bei der DB und anderen bestellen, sehen die Herausforderung. «Die Aufgabenträger bereiten derzeit gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen Aktionspläne vor, um personelle Verstärkungen und zusätzliche Fahrzeugkapazitäten im Aktionszeitraum zu ermöglichen - mit besonderem Fokus auf Wochenenden und touristische Regionen», heißt es beim Bundesverband Schienennahverkehr.

Aktion kostet den Bund 2,5 Milliarden Euro - mindestens

Der Bund finanziert die Aktion mit 2,5 Milliarden Euro. Wichtig sei, dass das Geld für das 9-Euro-Ticket rechtzeitig vor Ort ankomme, machte Hauptgeschäftsführer Frank Zerban deutlich. Und dass darüber hinaus gehende Mehrkosten, etwa für Personal, gegen Nachweis erstattet werden. Solche Details des Tickets werden ein Thema bei der Verkehrsministerkonferenz an diesem Mittwoch und Donnerstag sein.

Mit dem Feldversuch ist es aus Sicht von Umweltverbänden nicht getan, wie sie mitteilten. Schon heute gerate der ÖPNV im Berufsverkehr der Großstädte ebenso wie im Ausflugsverkehr am Wochenende an seine Kapazitätsgrenzen. Für eine Verdopplung des ÖPNV-Angebots bis 2030 seien jährlich zehn bis zwölf Milliarden Euro notwendig, insgesamt 100 Milliarden Euro. «Das 9-Euro-Ticket ist ein erster Schritt in diese Richtung.»

Die Nordsee-Insel Sylt sieht den erwarteten Ansturm auf die ausgelastete Bahnstrecke mit einiger Sorge. Die Verantwortlichen appellieren an Reisende, möglichst auf Randzeiten auszuweichen. Hätte man nicht besser auf die Zeit nach den Sommerferien gewartet? «Nein. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger schnell entlasten», heißt es in einer Handreichung des Bundesverkehrsministeriums. Bei der Frage nach einer Überlasung verweist es auf die Länder. Sie hätten gefordert, dass das Ticket bundesweit gelte. «Der Bund geht davon aus, dass die Verkehre entsprechend organisiert werden.»