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"Mit 75 muss ich keine Kompromisse mehr eingehen"

Als einer der wenigen hierzulande hat Wolfgang Stumph das Attribut "Volksschauspieler" verdient. Jetzt zeigt einen neuen "Stubbe"-Film mit ihm. Dass er - ganz nebenbei - am Tag danch 75 Jahre alt wird, darüber mag er eigentlich gar nicht reden.

Wolfgang Stumph wird 75 Jahre jung. Am 31. Januar. Ein schöner Anlass eigentlich, um ein bisschen zu plaudern. Über eine außergewöhnliche Karriere in Ost und West, die in dieser Form eigentlich nur er erlebt hat. Über seine Familie mit Ehefrau Christine und den beiden Kindern Thomas und Stephanie, die mit gerade einmal zehn Jahren ihre eigene Schauspielkarriere begann. Erst an der Seite ihres Vaters, längst aber schon in bemerkenswerten anderen Rollen. Man könnte reden über Stumphs Leben, seine Kindheit ohne Vater, seine Haltung zur DDR und zum Deutschland danach. Über die Art und Weise, wie man gesund älter wird. Über so vieles. Aber: Wolfgang Stumph mag nicht. "Wenn ich mich heute noch beschreiben muss, hätte ich die letzten 30, 40 Jahre etwas falsch gemacht. Und ich kann und will nicht bewerten, was ich im Verlauf meines Lebens geleistet habe."

Reden will Wolfgang Stumph eigentlich nur über diesen neuen Krimi, der am Tag vor seinem Geburtstag, am Samstag, 30. Januar, 20.15 Uhr, im ZDF läuft. "Stubbe - Tödliche Hilfe" heißt er - das zweite Special der im Januar 2014 mit der 50. Folge offiziell eingestellten Samstagabendreihe. Ende 2018 hatte es schon einen Nachfolgefilm gegeben. Nun also der zweite. "Dieser Film ist mein Geburtstagsgeschenk", sagt Stumph und fügt hinzu, es sei in gewisser Hinsicht ein Zufall, dass er am Abend vor dem Geburtstag läuft. Glauben muss man das freilich nicht. Seit jeher schon hatte Stumph ein genaues Auge auf die Sendetermine seiner geliebten "Stubbes".

Bloß kein Pipifax ...

Dabei tritt er selbst diesmal doch deutlich in den Hintergrund. Die große Bühne dieses durchaus gelungenen Samstagabendkrimis überlässt er seiner Tochter Stephanie, um die sich diesmal alles dreht. Christiane Stubbe, so will es das Drehbuch des "Stubbe"-Stammautors Peter Kahane, arbeitet mittlerweile als Journalistin. Sie kommt durch den Hinweis eines alten Freundes dubiosen Machenschaften eines lokalen Pflegedienstes auf die Spur. Es ist fraglos ein starker Auftritt von Stephanie Stumph, die das Drehbuch hier an die emotionalen Grenzen und darüber hinaus führt.

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Vater Wolfgang ist der Stolz anzumerken. Immer wieder, so sagt er, komme es nun vor, dass sie nicht mehr "die Tochter von ..." ist, sondern er "Der Vater von ..." - auch deshalb liegt ihm so viel daran, sich an diesem "Stubbe"-Wochenende trotz Geburtstag nicht in den Mittelpunkt zu stellen. "Das ist ihre Hauptrolle. Da mach' ich doch kein Pipifax drumrum ..." - Pipifax, bei Stumph auch wahlweise "Heidschibumbeidschi" - das meint in diesen Tagen, sein Leben im Gespräch mit einem Journalisten Revue passieren zu lassen.

Alles für den kleinen Mann

Um gleich mal mit einem Irrtum aufzuräumen: Wolfgang Stumph ist keineswegs gebürtiger Dresdner, sondern im schlesischen Kreis Glatz geboren - heute Polen. Seinen Vater galt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als verschollen. Mit Mutter und Großmutter wurde Stumph nach Dresden vertrieben, wo er schon während seiner Lehre als Kesselbauer seine Liebe zum Schauspiel, zum Kabarett, zum Humor entwickelte. "Bei Einzelkindern, Schlüsselkindern, wie ich eines war, entsteht der Wunsch nach Aufmerksamkeit. Möglich, dass man dann zum Klassenkasper wird. Oder sich in einer Gemeinschaft in besonderer Weise einbringt", erinnerte sich Stumph in einem Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau an diese Zeit.

Er bespielte lokale Bühnen, es folgten erste TV-Auftritte im DDR-Fernsehen. Dass der Staat stets ein Auge auf ihn hatte, war klar: "Wir konnten damals ja nie direkt sein. Es war ja nicht wie im westdeutschen Kabarett, wo Ross und Reiter mit Name und Adresse genannt wurden. Wir mussten immer mit dem Florett fechten und konnten nicht mit dem Hammer zuschlagen." Diese Methodik, sagt er, stecke bis heute in ihm. "Deshalb sind auch heute noch meine Filme nicht vordergründig in ihrem Anliegen."

Trotz aller Probleme: In den Westen zu gehen, kam für ihn nicht infrage. "Ich hatte eine enge Verbindung zu meiner Heimatstadt und Sachsen, zu meiner Familie, zu Kollegen und Freunden. Und ich hatte mir schon auch die Aufgabe als Künstler gestellt, für die Menschen hier da zu sein und auf der Bühne zu sagen, was mich ankotzt. Wäre ich gegangen, ich hätte mich wie ein Arzt gefühlt, der seine Patienten verlässt. Und letzten Endes auch sich selbst."

Heimatverbundenheit - das ist ein Thema, das ihn bis heute interessiert. Im vergangenen Jahr traf er für die MDR-Dokumentation "Heimatliebe - Warum ich blieb" Menschen, die in den 1990er-Jahren in ihrer ostdeutschen Region blieben. Nur einer von vielen Filmen war das, in denen Stumph ins Gespräch kommt mit jenen Menschen, die ihm seit jeher am nächsten sind: die ganz normalen Leute. Der kleine Mann, die kleine Frau, deren Geschichten so selten erzählt werden. In vielen seiner Filme nahm er sich diesen Menschenschlag zum Vorbild und sorgte dafür, dass der Nachname der Figuren, die er spielte, mit "St" begann - als äußeres Zeichen. "Es geht für mich darum, das Denken und Fühlen von Menschen, die keine Lobby haben, im Hier und Heute zu vertreten. Egal, ob sie aus Thüringen, Bayern oder Schleswig-Holstein kommen."

"Ich bin eben eher David und nicht Goliath."

Die große Popularität, die Wolfgang Stumph nach der Wende bald schon im Westen genoss, hat er indes einem Film zu verdanken, in dem er zwar schon "Udo Struutz" hieß, der ihn aber dennoch gefährlich nahe an den Klamauk hätte rücken können. Auch "Go Trabi Go" feiert dieser Tage ein Jubiläum, vor genau 30 Jahren kam die Komödie in die Kinos. Der Regisseur Peter Timm war auf den Kabarettisten Stumph bei einem Auftritt in München aufmerksam geworden. Als einer der ersten Filme überhaupt thematisierte "Go Trabi Go" die Wendezeit, mehr als 1,5 Millionen Menschen sahen ihn in den Kinos und viele Millionen später im TV.

Ebenfalls Pionierarbeit leistete Stumph nur drei Jahre später, als die Serie "Salto Postale" im ZDF startete. Eine der ersten deutschen Sitcoms überhaupt. Mit spitzer Zunge nahmen er als Postbeamter Wolle Stankoweit und seine Kollegen Achim Wolff und Hans-Jürgen Schatz Bürokratie, Ost-West-Vorurteile und die Politik aufs Korn. Damit, aber auch mit TV-Produktionen wie "Bis zum Horizont und weiter" (1998), "Der Job seines Lebens" (2003), "Eine Liebe in Königsberg" (2006) und "Stilles Tal" (2011) erwarb sich Stumph den vielleicht wichtigsten Titel seiner Karriere, der niemals offiziell verliehen werden kann: den des "Volksschauspielers", der bei allem, was er tut, sein Publikum in den Vordergrund rückt: "Ihm habe ich alles zu verdanken, was ich erreicht habe. Auf dessen Treue und Gunst konnte ich mich immer verlassen." Er verstehe sich, ergänzt er heute lächelnd, "eben nicht als Schauspieler. Ich bin ein Menschendarsteller. Ich bin eben eher David und nicht Goliath."

Abschied vom Jahrmarkt

Was nun noch kommt, mit 75? Was es auch sei: "Moralisch, menschlich und künstlerisch" will er sich treu bleiben. Figuren spielen, die, so nennt er das gerne, "ihren Stumphsinn drin haben". Bloß keine "Schnullibullifilme" - "mit 75 muss ich keine Kompromisse mehr eingehen." Ein weiteres Special aus der "Stubbe"-Reihe schließt er dabei keinesfalls aus, ebenso nicht die eine oder andere Dokumentation, bei denen er stets auch Koproduzent ist.

So vieles, auch Heiteres, ließe sich über diesen Stumph fraglos zu diesem Tag noch erzählen. Wie er sich 1979 einen Schnauzbart wachsen ließ, um einem Dresdner Kabarettisten nicht mehr ähnlich zu sehen. Wie er ihn nur einmal, die Schauspielerin Suzanne von Borsody überzeugte ihn, für einen Film abnahm und es sehr bereute. Wie er weiland mal Kaltwelle trug, wovon ihn der Fußballprofi Dixie Dörner überzeugte und wie schwer der Anblick mit den Lockenwicklern dann doch zu ertragen war. Wie er mit 18, also noch viel früher, bei fast der ersten Frau in seinem Leben schon hängenblieb, die bis heute an seiner Seite steht. Es gibt so viele Erlebnisse, heitere Anekdoten, ernste Momente in diesem ganz besonderen deutschen Lebenslauf. Aber: Diesmal mag er nicht. Womöglich ja nie mehr. "Ich werde nicht mehr auf den Jahrmarkt gehen und schreien, nur damit ich meine Aale loskriege." Eine Freiheit, die er sich fraglos verdient hat.