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75 Minuten für Krisen, Terror, Welthandel

Donald Trump und Emmanuel Macron treffen sich in Brüssel zum Lunch. Auf dem Menü steht schwere Kost: Krisen, Terror, Welthandel. Entscheidend könnte am Ende das Klima sein.

1 Stunde und 15 Minuten. So viel Zeit haben die beiden neuen Präsidenten Frankreichs und der USA für ihr erstes Treffen heute Mittag am Rande des Nato-Gipfeltreffens in Brüssel vorgesehen. Das ist eine ganze Menge gemessen an den Vorgaben, die Nato-Beamte nach Zeitungsinformationen den einzelnen Mitgliedern der Verteidigungsallianz für ihre Redebeiträge machen: Um die Aufmerksamkeit von US-Präsident Donald Trump nicht zu erschöpfen, soll laut „Foreign Policy“ niemand länger als vier Minuten sprechen.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk dürfen dem Vernehmen nach nur eine Kaffee-Pause mit Trump teilen. Frankreichs neuer Staatschef Emmanuel Macron darf sich also glücklich schätzen, ist aber gewarnt: Seine Vorliebe für detailreiche Argumentationen, die gerne mit dem Wort „einerseits“ beginnen, um bald darauf in ein „andererseits“ zu münden, könnten Trump womöglich schnell ermüden.

„Präsident Macron hat keine speziellen Ratschläge erhalten,“ hieß es vor dem Treffen aus dem Umfeld des französischen Staatschefs. Angesichts der Vielfalt der Themen werde Macron aber natürlich „versuchen, so direkt wie möglich zu sein“.

In der Tat wird es zwischen Vor-, Haupt- und Nachspeise eine Menge durchaus kontroverser Themen zu besprechen geben. Seit dem französischen „Nein“ 2003 zur US-Militärintervention im Irak haben die bilateralen Beziehungen zwischen Frankreich und den USA so viele Höhen und Tiefen erlebt, dass ein wenig Stetigkeit Not täte. Von Vorteil dürfte sein, dass die Trump-Entourage in den Tagen vor dem Treffen sämtliche Sympathie-Bekundungen des US-Präsidenten während des französischen Wahlkampfs für Macrons rechtsextreme Gegenkandidatin Marine le Pen als blankes Missverständnis abtat. In Paris wird wiederum betont, wie „besonders herzlich“ das transatlantische Telefonat nach Macrons Wahlsieg gewesen sei.

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Nachdem am Mittwochabend durchsickerte, die Nato - die Trump zwischendurch als „obsolet bezeichnet hatte - werde dem Wunsch der USA nachgeben und offiziell Mitglied der Anti-IS-Koalition im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat beitreten, ist ein möglicher Streitpunkt bereits ausgeräumt.

Wie Berlin war auch Paris in dieser Frage bisher zurückhaltend. Im Sommer 2013, nach einem Giftgasangriff des syrischen Regimes auf Damaskus, wäre Macrons Vorgänger Hollande bereit gewesen, die französische Armee zur Unterstützung einer US-Militärintervention nach Syrien zu schicken. Dass der damalige US-Präsident Barack Obama seinerzeit einen Rückzieher machte, bezeichnete Hollande später immer wieder als schweren Fehler. Doch Trumps Vergeltungsschlag für den neuerlichen Giftgasangriff im April war für den Wahlkämpfer Macron kein Auftrag zum militärischen Handeln. „Wir kennen den Präzedenzfall Irak,“ sagte er damals. Man hat einen Tyrannen vertrieben, aber zu welchem Preis?“ Machthaber Baschar al-Assad müsse abgelöst werden, „aber nicht zum Preis der politischen Instabilität in Syrien“.

Damit sprach Macron einen besonders wunden Punkt in den Beziehungen zwischen Frankreich und den USA an. Das Nein der Franzosen 2003 zum Irak-Krieg blieb lange Jahre ein Stachel im Umgang miteinander. Nun also das Einlenken. Allerdings soll die Beteiligung an direkten Kampf-handlungen zunächst ausgeschlossen bleiben. Relativ schnell abhaken können Trump und Macron wohl auch die Debatte über die Forderung des US-Präsidenten nach einem stärkeren militärischen Engagement der europäischen Nato-Mitglieder. Die Bündnisstaaten sollen künftig einmal pro Jahr darlegen, wie sich sich beim Thema Verteidigung engagieren wollen.

Für Frankreich sei die Aufstockung der nationalen Verteidigungsbudgets auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) „besonders wichtig“, betonen Macrons Berater. „Die sinkenden Budgets der vergangenen Jahre sind zu einer Gefahr für die Allianz geworden. Die Nato kann ihr Engagement und ihre Kapazitäten eines modernen Verteidigungsbündnisses nicht aufrecht erhalten, wenn die Verteidigungshaushalte nicht aufgestockt werden.“ Während Deutschland derzeit nur rund 1,2 Pro-zent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgibt, will Frankreich in diesem Jahr bereits etwa 1,8 Prozent erreichen. Das hatte noch Macrons Vorgänger François Hollande eingefädelt. Frank-reich kann Trump in dieser Hinsicht zumindest als ehrgeiziger Mitstreiter begegnen.


Franzosen keine Freunde des Freihandelabkommens

Der französische Staatschef wird den US-Präsidenten zudem zu überzeugen versuchen, dass eine verstärkte europäische Zusammenarbeit bei Verteidigungsthemen nicht in Konkurrenz zur Nato-Bündnistreue steht. „Das ist kein Widerspruch, sondern kann die Nato im Gegenteil zusätzlich stützen,“ heißt es dazu aus Macrons Umfeld. „Dieses Thema wird in den nächsten Monaten eine große Rolle spielen.“

Zu den politischen Differenzen zwischen den USA und Frankreich kamen in der Vergangenheit häufig kulturelle und wirtschaftliche. Die Franzosen waren nie Freunde des geplanten EU-Freihandelsabkommens mit den USA und nicht wirklich traurig, dass unter Obama daraus nichts mehr wurde.

Als der US-Streamingdienst Netflix im Spätsommer 2014 nach Frankreich kam, wähnten die französischen Kulturschaffenden den Untergang des Abendlandes. Der ist ausgeblieben, aber kaum ein anderes europäisches Land verwendet - bisher nahezu erfolglos - so viel Energie darauf, in Europa tätige US-Unternehmen wie Google, Amazon, Microsoft oder Facebook als Steuertrickser zu verfolgen.

Französische Banken wiederum zahlten Milliardenstrafen für Beziehungen zu von den USA so bezeichneten Schurkenstaaten wie den Iran beziehungsweise verhandeln noch darüber. Dass Trump den Iran weiter als Unterstützer des Islamischen Staats brandmarkt, dürfte Frankreichs Unternehmer beunruhigen, die auf den Markt große Hoffnungen setzen.

Dass die Trump-Regierung bisher ein klares Bekenntnis zum freien Handel und gegen Markt-abschottung verweigert, ist nicht nur für Frankreichs Unternehmer ein Ärgernis. Es stellt das Treffen der G7-Gruppe der führenden westlichen Industrieländer am Freitag und Samstag auf Sizilien vor eine riesige Hürde. Macron wird sich deshalb nach Informationen aus seinem Umfeld zum Für-sprecher des Welthandels machen und das Mittagessen auch dazu nutzen, dem US-Präsidenten die Vorteile der Reziprozität schmackhaft zu machen. Womöglich aber gehen die Staats- und Regierungschefs an diesem Wochenende trotzdem auseinander wie bereits unlängst die Finanzminister und Notenbankchefs der G7-Länder: mit einem Minimalkonsens, dem zu Folge am Beitrag des Handels für die Volkswirtschaften „gearbeitet“ wird.

Kippen könnten die Stimmung zwischen Macron und Trump dann ausgerechnet beim Thema Klimawandel. „Dieses Thema spaltet weit mehr als die Ansichten über die Handelsbeziehungen,“ räumt man in Paris ein. „Jeder kennt die besondere Verbundenheit Frankreichs zum Klimaabkommen von Paris,“ sagen Macrons Berater. Das bei der UN-Konferenz im Dezember 2015 in Paris getroffene Abkommen zur Begrenzung der Erderwärmung auf „deutlich unter 2 Grad“ im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gilt als Meilenstein im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel. Doch Trump hatte es bereits im US-Wahlkampf deutlich kritisiert und sich zu Gunsten seiner America-First-Pläne für mehr Kohle ausgesprochen. „Wir wollen nicht, dass die USA von diesem Ab-kommen zurücktreten. Das wäre wirklich eine schlechte Nachricht,“ betonen Macrons Berater. „Wir hoffen, dass wir das größtmögliche Engagement der USA erreichen können.“

Doch dass die USA während der Ministerrunden zur Vorbereitung des G7-Treffens ihre Position nicht formuliert haben, gilt unter Beobachtern als schlechtes Zeichen. Trump hat die Entscheidung darüber bis nach dem Gipfel hinaus geschoben. Es gibt auch aus diesem Grund ganz gegen die Gepflogenheiten keinen Entwurf für eine gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs. „Normalerweise steht so ein Entwurf zehn Tage vor einem Event,“ bedauert man in Paris. „Wir sind hoffen, dass wir darauf noch Einfluss nehmen können.“

Womöglich sind also 1 Stunde und 15 Minuten in Wahrheit doch recht wenig Zeit, um gegensätzlich Positionen wenigstens einander anzunähern. Macron ist dafür bekannt, mit seinem Charme und seiner Überzeugungskraft beinahe Berge versetzen zu können. Sein Wahlsieg in Frankreich als parteiloser Polit-Neuling sind ein Beweis dafür. Nun steht er vor seiner ersten internationalen Feuer-probe. Nicht auszuschließen, dass darüber das Essen kalt wird.

KONTEXT

Wirtschaftspolitische Pläne von Emmanuel Macron

Steuern

Die Unternehmenssteuer soll von derzeit 33 auf 25 Prozent gesenkt werden. Die Steuergutschrift für Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (CICE) soll umgewandelt werden in eine dauerhafte Entlastung für Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen.

Arbeitszeit

An der 35-Stunden-Woche soll festgehalten werden. Allerdings könnte sie flexibler geregelt werden, indem Betriebe über die tatsächliche Arbeitszeit mit ihren Beschäftigten verhandeln.

Geringverdiener

Sie sollen von bestimmten Sozialabgaben befreit werden. Dadurch könnten Niedriglohnempfänger einen zusätzlichen Monatslohn pro Jahr in ihren Taschen haben.

Investitionen

Binnen fünf Jahren sollen 50 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern investiert werden. 15 Milliarden Euro davon sollen in bessere Aus- und Weiterbildung gesteckt werden, um die Einstellungschancen von Jobsuchenden zu verbessern. Ebenfalls 15 Milliarden Euro sind geplant, um erneuerbare Energien zu fördern. Weitere Milliarden sind für die Landwirtschaft, die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung, für Infrastruktur und Gesundheitswesen geplant.

Einsparungen

60 Milliarden Euro an Einsparungen sind bei den Staatsausgaben vorgesehen, die in Frankreich traditionell hoch sind. Zehn Milliarden Euro soll der erwartete Rückgang der Arbeitslosenquote von derzeit etwa zehn auf sieben Prozent bringen, indem die Ausgaben für Arbeitslosengeld sinken. Durch eine verbesserte Effizienz soll das Gesundheitswesen zehn Milliarden einsparen, weitere 25 Milliarden Euro die Modernisierung des Staatsapparates.

Bildung

In Gegenden mit niedrigem Einkommen soll die Schülerzahl auf zwölf pro Klasse begrenzt werden. Lehrer sollen als Anreiz für eine Arbeit in solchen Regionen einen Bonus von 3000 Euro pro Jahr bekommen. Mobiltelefone in Schulen sollen für Kinder bis 15 Jahren verboten werden. Alle 18-Jährigen sollen einen Kulturpass im Wert von 500 Euro erhalten, den sie beispielsweise für Kino-, Theater- und Konzertbesuche ausgeben können.