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5G-Offensive von Vodafone und Telekom stößt in der Politik auf Widerstand

Die Telekommunikationsanbieter wollen den Aufbau des Mobilfunkstandards beschleunigen – mit Huawei. Außenminister Maas und Norbert Röttgen warnen.

Die PR-Strategen der Deutschen Telekom legen sich ordentlich ins Zeug in diesen Tagen, einen „Paukenschlag im Mobilfunk“ und einen „Turbo für Highspeed“ bejubeln sie. Der Grund: In Deutschland hat der Konzern die nächste Stufe im Ausbau des Echtzeitmobilfunks 5G eingeleitet. Der Deutschlandchef der Telekom, Dirk Wössner, kündigte an: „Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wollen wir bis Jahresende mit 5G versorgen.“

Kurz zuvor hatte Vodafone den Druck auf die Telekom erhöht. Deutschlandchef Hannes Ametsreiter versprach, 5G noch in diesem Jahr für zehn Millionen Menschen in Deutschland verfügbar zu machen. Bisher habe die Firma sich mit der Zukunftstechnik auf wenige Großstädte konzentriert, sagte er: „Jetzt bringen wir 5G in die Fläche.“

Die ambitionierten Ausbaupläne der Telekommunikationskonzerne bauen unter anderem auf die Technik eines hochumstrittenen Unternehmens: Huawei. Der chinesische Weltmarktführer liefert Komponenten und Softwareupgrades, mit denen Telekom und Vodafone ihre Netze modernisieren. Das alarmiert die Huawei-Kritiker im Bundestag. „Die Netzbetreiber warten nicht, sondern schaffen im Eiltempo Fakten“, sagte Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und Kandidat für den CDU-Parteivorsitz, dem Handelsblatt.

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Die Lehre der vergangenen Wochen sollte sein, „dass wir bei kritischer Infrastruktur nicht abhängig von Ländern wie China werden dürfen. Was für Masken gilt, sollte mit Blick auf unser digitales Nervensystem erst recht der Fall sein.“

Streit seit mehr als einem Jahr

Heftigen Widerstand gegen Huawei gibt es auch im SPD-geführten Außenministerium, in der Coronakrise ist dieser noch gewachsen. „Corona hat doch eines ganz deutlich gemacht: Wenn wir aus dieser Krise gestärkt hervorgehen wollen, dann kann uns das nur gelingen, wenn wir uns in Zukunft in Europa eng abstimmen, gemeinsam handeln und auf unsere eigenen Fähigkeiten verlassen können“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas dem Handelsblatt. „Wir dürfen uns, gerade bei den Themen kritische Infrastruktur und Zukunftstechnologien nicht in Abhängigkeiten von anderen begeben.“ Das schränke „unsere Handlungsfähigkeit ein“ und untergrabe „die Souveränität Europas“.

Die Große Koalition streitet seit mehr als einem Jahr darüber, ob sie Huawei für den 5G-Ausbau zulassen will. Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) machten klar, dass sie keine Anbieter von vornherein ausschließen wollen. Das Auswärtige Amt und der Bundesnachrichtendienst (BND) argumentieren dagegen, dass chinesischen Technologiekonzernen nicht zu trauen sei.

Schließlich unterlägen diese den Sicherheitsgesetzen der Volksrepublik und könnten gezwungen werden, Daten an das Regime weiterzuleiten. Huawei-Technologie könne der Kommunistischen Partei damit als Vehikel für Spionage und Sabotage dienen.

Die Diskussion um Huawei ist deshalb so heftig, weil die 5G-Technologie die nächste Phase der Digitalisierung einleiten und mit Echtzeitverbindungen Zukunftsträumen wie der Telemedizin, selbstfahrenden Autos, automatisierten Fabriken und intelligenten Stromnetzen zum Durchbruch verhelfen soll. Wegen der Bedeutung von 5G hat die US-Regierung eine Kampagne gegen Huawei gestartet. Verbündete Länder warnt sie davor, sich von chinesischer Technologie abhängig zu machen.

Die Europäer haben bisher keine einheitliche Strategie für den Umgang mit Huawei gefunden. Die EU-Kommission empfiehlt aber, „Abhängigkeiten von Anbietern auszuschließen, die als mit einem hohen Risiko behaftet gelten“. Diese Formulierung ist auf Huawei gemünzt.

Huawei mit Technik-Vorsprung

Die britische Regierung hat das Unternehmen als Hochrisikolieferanten eingestuft. Neben sicherheitspolitischen Argumenten bringen Huawei-Gegner auch industriepolitische Punkte vor: Europa hat – anders als etwa die USA – mit den skandinavischen Unternehmen Ericsson und Nokia zwei eigene 5G-Anbieter, diese Technologiekompetenz müsse erhalten bleiben.

Doch bei den europäischen Netzbetreibern erfreut sich Huawei großer Beliebtheit. Der Konzern gilt als technologisch führend, und seine Komponenten sind günstig. Während Vodafone nie einen Hehl daraus gemacht hat, auf Huawei zu setzen, ist die Sache bei der Telekom komplizierter. Der Bonner Konzern weiß um den Streit in Berlin und hatte im Dezember verkündet: „Angesichts der unklaren politischen Lage gehen wir aktuell keine Verträge zu 5G ein, mit keinem Hersteller.“

Trotzdem wird die Telekom beim angehenden 5G-Ausbau mit Huawei zusammenarbeiten, wie das Handelsblatt aus Konzernkreisen erfuhr. Zum einen wird Ausrüstung von Huawei für neue 5G-Antennen verbaut. Zum anderen rüstet die Telekom ältere Antennen mittels Softwareupdate für 5G auf. Schon heute wird mehr als die Hälfte des Telekom-Netzes in Deutschland mit Technik von Huawei betrieben.

Dieser Marktanteil könnte durch den Schritt auch für die 5G-Ära zementiert werden. Als Abkehr von dem Statement aus dem vergangenen Jahr will die Telekom ihre neue Initiative nicht verstanden wissen. Eine Sprecherin sagte: „Es handelt sich um eine Modernisierung von Bestandstechnologie. Und diese besteht wie bekannt hauptsächlich aus Ericsson und Huawei.“ Es entstünde kein neues Netz, sondern es würden bestehende Netze ausgerüstet.

Die Aussage der Telekom aus dem Dezember war in Berlin aber völlig anders aufgefasst worden. Politiker von CDU und SPD verstanden sie so, dass zumindest die Telekom keine vollendeten Tatsachen schaffen würde, ehe eine politische Entscheidung über den Einsatz von Huawei getroffen ist. Allerdings ließ sich die Telekom in ihrer Darstellung eine Hintertür offen.

Ein Konzerninsider sagt: „Wir haben Rahmenverträge mit unseren wichtigsten Zulieferern.“ Daher sei es gar nicht nötig, neue Verträge für den 5G-Ausbau zu schließen. Die Bestellung neuer Technik könne über Bestellaufträge, sogenannte „purchase order“, angestoßen werden.

Davon kann die Telekom Gebrauch machen. Der schnelle Ausbau von 5G in Deutschland geht unter anderem auf eine technologische Neuerung zurück. Telekom und Vodafone setzen auf das Dynamic Spectrum Sharing (DSS): Die Technologie ermöglicht es, mehrere Mobilfunkstandards in einem Frequenzband zu nutzen. Damit kann je nach Bedarf 5G oder 4G zur Verfügung gestellt werden. Das macht den Netzausbau schneller und günstiger – besonders weil auch ältere Antennen mittels Softwareupdate fit für 5G gemacht werden können.

Die Innovation wird von Huawei und vom schwedischen Rivalen Ericsson, aber auch von anderen Ausrüstern angeboten. Kauft die Telekom neue Technik ein, muss sie sich nicht spezifisch für 5G entscheiden, sondern kann eine Lösung wählen, die 5G und 4G gleichzeitig abdeckt und dafür in vielen Fällen ältere Hardware nutzen. Huawei wollte sich auf Anfrage nicht zu Verträgen mit Kunden äußern.

Klarheit von der Politik gefordert

Dennoch gehen Netzbetreiber jetzt ein hohes Risiko ein: Sollte sich die Bundesregierung am Ende doch für einen Ausschluss von Huawei entscheiden, müssten sie Komponenten wieder entfernen. „Wir sind in einer dramatischen Situation“, warnt Falko Mohrs, Berichterstatter der SPD-Fraktion für 5G. „Durch das Taktieren von Altmaier, Seehofer und Merkel ist viel Zeit verloren gegangen.“

Die Netzbetreiber bräuchten endlich Klarheit. Mohrs hatte sich am 11. März im Namen der SPD-Fraktion bei Kanzleramtsminister Helge Braun über die „sehr schleppende Fortentwicklung“ der 5G-Gesetzgebung beschwert. Das Schreiben liegt dem Handelsblatt vor. Eine Antwort steht noch aus.

Zwei Gesetze sollen die Sicherheit des 5G-Netzes regeln: das überarbeitete Telekommunikationsgesetz (TKG) und das sogenannte BSI-Gesetz. Eigentlich sollte die TKG-Novelle längst vorliegen, nun soll die Ressortabstimmung im Mai oder Juni beginnen, heißt es in der Regierung. Darin sollen vor allem technische Sicherheitskriterien festgeschrieben werden.

In der Neufassung des BSI-Gesetzes, die das Innenministerium erarbeitet, ist eine Vertrauenswürdigkeitsprüfung enthalten, ein Zugeständnis an die Huawei-Kritiker. Das Kanzleramt dringt aber darauf, dass die Prüfung nach „objektivierbaren Kriterien“ erfolgt, also keine Formulierungen enthält, die dezidiert auf chinesische Anbieter zielen. Zudem ist ein entscheidender Punkt weiter unklar: wer über die Vertrauenswürdigkeit entscheidet. Die SPD will verhindern, dass Seehofer und Altmaier die Entscheidung unter sich ausmachen – und Huawei durchwinken.

Bleiben die Unionsministerien bei ihrer Haltung, wird sich Streit in den Bundestag verlagern, der die Gesetze verabschieden muss. Im Parlament haben Merkel, Altmaier und Seehofer nicht nur die SPD gegen sich, sondern auch Röttgen und seine Verbündeten in der CDU. SPD-Außenpolitiker Christoph Matschie warnt: „Wenn wir jetzt nicht für technologische Unabhängigkeit und höchste Sicherheitsstandard sorgen, geht die Kanzlerin für Deutschland ein hohes Risiko ein.“