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5G wird zum Milliardenrisiko für die Konzerne

Eine Studie rechnet mit Milliardenkosten für den Netzaufbau. Die Union traut den Konzernen das Projekt allein nicht zu – und plant eine Mobilfunkbehörde, die Funklöcher schließen soll.

Es ist ein simpler Knopfdruck, mit dem Jochen Homann das Wettrennen um die Zukunft einleitet. Im Sitzungsraum der Bundesnetzagentur in Mainz hat die Behörde eine Stoppuhr für ihren Präsidenten präpariert. Pünktlich um zehn Uhr startet Homann das Verfahren. Der Sekundenzeiger beginnt zu laufen.

Statt einer digitalen Uhr hat sich die Behörde für eine klassische Variante entschieden. „Sicherheit steht an erster Stelle“, erklärt der Behördenchef. Schließlich geht es bei der Auktion um Milliardenbeträge. Da dürfe es keine Beeinträchtigungen geben.

Obendrein sind die Fenster der vier Auktionsräume mit Spezialfolien bespannt worden, damit niemand abhören könne, was darin gesprochen wird. Die bietenden Unternehmen haben separate Standleitungen in ihre Zentralen.

Mit der laufenden Uhr in der Niederlassung der Bundesnetzagentur in Mainz hat die wohl wichtigste Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen seit dem Jahr 2000 begonnen. Ging es damals um das 3G-Netz, mit dem nicht mehr nur telefoniert, sondern auch große Datenmengen transportiert werden konnten, so soll all das in Zukunft um den Faktor 1000 besser und nahezu in Echtzeit funktionieren.

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Mit dem Mobilfunkstandard 5G sollen sich Maschinen und Geräte via Internet verbinden und miteinander in Echtzeit kommunizieren. Die Welt soll smart werden, das Internet der Dinge und vor allem die digital vernetzte Produktion sollen die deutsche Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig halten. „5G hat das Potenzial, das zentrale Nervensystem der Fabrik der Zukunft zu werden“, sagt Andreas Müller, 5G-Experte bei Bosch.

Vor allem Autobauer wie Audi knüpfen hohe Erwartungen an die Technik. „Wir begrüßen, dass das Verfahren heute planungsgemäß gestartet ist und hoffen nun auf einen schnellen Ausbau der Infrastruktur“, sagte ein Audi-Sprecher.

Aus Sicht der Autobauer geht es um viel. „Für den Erfolg des automatisierten Fahrens brauchen wir ergänzend zur Umfelderkennung und zu hochgenauen Karten die 5G Technologie.“

Die Industrie stellt aber auch schon Forderungen: „Wir brauchen ein flächendeckendes Mobilfunknetz“, verlangt der Präsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie, Bernhard Mattes. „Perspektivisch setzen wir auf 5G entlang aller Verkehrswege.“

So groß die Potenziale sind, so wenig sorgen sie für Euphorie bei den Mobilfunknetzbetreibern. Sie müssen auf Frequenzen bieten, die zunächst vor allem für lokale Industrieanwendungen von Interesse sind. Die Politik aber nutzt die Auktion, um ihre Interessen durchzusetzen: Funklöcher sollen landauf, landab geschlossen werden, 5G solle „an jeder Milchkanne“ zur Verfügung stehen.

Dazu haben die Politiker weitgehende Versorgungsauflagen durchgesetzt, die jeder erfolgreiche Bieter erfüllen muss. Obendrein werden ein Viertel der Frequenzen für Unternehmen reserviert, die selbst auf ihrem Firmengelände ein 5G-Netz aufbauen wollen. Aber gerade dieses Geschäft wäre für die Mobilfunker lukrativ.

Hohe Investitionskosten

FDP-Chef Christian Lindner mahnte, es gehe nicht um die höchstmöglichen Einnahmen für den Finanzminister, sondern es müsse eine rasche, flächendeckende Versorgung erreicht werden. „Doch je mehr Geld die Netzbetreiber für die Frequenzen ausgeben müssen, desto weniger haben sie danach für Netzinvestitionen übrig“, sagte er.

Fest steht: Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica werden viel Geld in die Hand nehmen müssen. Das zumindest geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) hervor, das dem Handelsblatt vorliegt. Es war die Grundlage für die Entscheidung der Bundesnetzagentur über die Vergabe- und Auktionsregeln. Das Dokument ist als vertraulich eingestuft.

Während für den möglichen Neueinsteiger auf dem deutschen Mobilfunkmarkt, die United Internet-Tochter Drillisch, Sonderregeln gelten, haben die WIK-Experten im Auftrag der Bundesnetzagentur ermittelt, wie teuer die Versorgungsauflagen für die drei Platzhirsche wären. Schließlich muss sich der Netzbetrieb auch rechnen.

Grundsätzlich stellten sie fest: Eine weitgehend flächendeckende Versorgung mit 5G, die 98 Prozent der Bevölkerung erreicht, würde für die Netzbetreiber Investitionen von mindestens 54 Milliarden Euro bedeuten. Beim Aufbau eines solchen 5G-Netzes wären theoretisch 261 210 neue Basisstationen nötig.

Der Telefónica-Konzern, der das schlechteste LTE-Netz im Vergleich zu Telekom und Vodafone betreibt, hatte im Sommer sogar vor noch höheren Kosten gewarnt: „Im Ergebnis würde die Erfüllung der vom Beirat skizzierten Versorgungsauflagen im Netz von Telefónica mindestens zu erforderlichen Investitionen von rund 76 Milliarden Euro sowie der Bau von über 200.000 neuen Mobilfunkstandorten führen“, erklärte das Unternehmen damals – und anschließend hatte die Netzagentur die Vorgaben sogar noch verschärft.

Die Pflicht zum Netzausbau

Die Auflagen sehen vor, 98 Prozent der Haushalte je Bundesland bis Ende 2022 mit mindestens 100 Megabit in der Sekunde (4G) zu versorgen, ebenso alle Schienenwege mit mehr als 2 000 Fahrgästen am Tag und alle Autobahnen und alle wichtigen Bundesstraßen zusätzlich mit einer Latenz von höchstens zehn Millisekunden.

Bis Ende 2024 sollen alle übrigen Bundesstraßen in der Qualität versorgt sein und alle Landes- und Staatsstraßen mit mindestens 50 Megabit in der Sekunde wie auch alle übrigen Schienenwege, Seehäfen und das Kernnetz der Wasserstraßen. Zudem sollen die Betreiber 1 000 5G-Basisstationen sowie 500 Basisstationen mit mindestens 100 Megabit in der Sekunde in Gebieten ohne Mobilfunk („weiße Flecken“) in Betrieb nehmen.

„In Summe ergeben die Auflagen ein Investitionsvolumen in einer Größenordnung von deutlich über 2,3 Milliarden Euro“, rechnen die Gutachter vor. Dies gelte allein für den Betreiber „mit der größten LTE-Abdeckung“. Damit wären die Investitionskosten für die anderen beiden Anbieter noch höher. Entsprechend hätten sich die Netzbetreiber nicht an der Auktion beteiligt, prophezeiten die Gutachter. Den Wert der Frequenzen taxieren sie schließlich auf rund 1,7 Milliarden Euro für jeden der drei großen Mobilfunknetzbetreiber.

Also griffen die Gutachter und die Netzagentur zu einem Trick: Sie erlaubten, dass sich die Mobilfunknetzbetreiber den Ausbau ihrer Netze entlang der Verkehrswege gegenseitig gutschreiben. „Die Anrechnung einer Versorgung durch andere Mobilfunknetzbetreiber sowie die erweiterten Kooperationsmöglichkeiten ermöglichen es, dass nicht jeder Mobilfunknetzbetreiber sämtliche Auflagen allein durch den physischen Ausbau seines eigenen Netzes vollständig erfüllen muss.“

So sanken für jeden Anbieter die Investitionskosten. Zudem wurden Annahmen korrigiert, etwa die Anschlusskosten von Basisstationen in Gebieten mit weißen Flecken: Statt eine Million Euro gingen die Gutachter „nun von Anbindungskosten in Höhe von 100.000 Euro“ aus.

Die Auflagen seien „für alle drei Mobilfunknetzbetreiber insoweit verhältnismäßig, als sie den Wert der Frequenzen nicht übersteigen, resümierten die Gutachter auf der Schlussseite des 20-seitigen Dokuments. Auf Nachfrage verwies das WIK auf die Vertraulichkeit der Studie.

Die Netzbetreiber klagten dennoch per Eilantrag gegen die Auflagen. Das Verwaltungsgericht Köln lehnte die Anträge allerdings vergangenen Freitag ab, sodass der Auktion nichts mehr im Wege stand. Der Ausgestaltungsspielraum der Bundesnetzagentur sei „gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar“, hieß es zur Begründung.

„Die Bundesnetzagentur trickst bei der Kostenberechnung und lässt locker 500 Millionen pro Netzbetreiber unter den Tisch fallen“, kritisierte Oliver Kirscher, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, die Berechnungen der Gutachter. Er hoffe, dass die Auktion nicht noch im Nachhinein gekippt wird, sollte das Gericht noch über die Höhe der Auflagen verhandeln.

Krischer empfiehlt den Netzbetreibern zu kooperieren und so die Kosten zu senken. Zudem solle der Bund die Versteigerungserlöse „in die Ertüchtigung des bestehenden LTE-Netzes“ investieren. Somit würde Funkloch für Funkloch gestopft und die Basis für ein flächendeckendes 5G-Netz „an jeder Milchkanne“ gelegt.

Neue schlechte Nachrichten für die Betreiber

„Erdrosselnde Versorgungsauflagen und regulatorische Eingriffe sind kontraproduktiv, insbesondere, wenn deren Art und Umfang bei Auktionsbeginn nicht einmal klar definiert sind“, kritisierte indes Klaus Landefeld, Vorstand beim Verband der Internetwirtschaft Eco, das Regelwerk der Auktion.

In der Tat gab es pünktlich zum Auktionsstart neue schlechte Nachrichten für die Netzbetreiber: Demnach arbeiten CDU und CSU an einer staatlichen Mobilfunk-Infrastrukturgesellschaft (MIG). Sie soll Funklöcher schließen, indem sie Mobilfunkstandorte auf öffentlichem Gelände errichtet und den Mobilfunkern anbietet, die sie betreiben sollen.

Die Staatsmasten sollen nicht nur dort entstehen, wo es bislang keinen Mobilfunk gibt – also auf den sogenannten weißen Flecken –, sondern auch dort, wo ein Anbieter aktiv ist (graue Flecken). Den Zwang, die Masten zu betreiben, sieht die Union auch gleich vor: Bei der nächsten Frequenzvergabe 2025, bei der wichtige Flächenfrequenzen vergeben werden, sollen nur Unternehmen zum Zuge kommen, die staatliche Masten betreiben.

Auch die SPD hat Pläne. Sie fordert eine „Erweiterung des Bußgeldrahmens, der sich an den Kompetenzen des Bundeskartellamts orientiert“. So steht es in einem Positionspapier, das die Fraktion am Dienstag beschlossen hat. Bis zu zehn Prozent des Umsatzes könnten Strafen demnach betragen.

Einen ähnlichen Plan verfolgen bereits das Wirtschafts- sowie das Verkehrsministerium bei der Reform des Telekommunikationsgesetzes, wie aus einem gemeinsamen Eckpunktepapier hervorgeht, das dem Handelsblatt vorliegt. Die SPD will obendrein noch Netzbetreiber zu Kooperationen verpflichten, etwa zum Infrastruktursharing.

Notfalls soll die Netzagentur Maßnahmen anordnen. So soll das 4G-Netz flächendeckend ausgebaut werden, auch mithilfe von Antennenstandorten bei öffentlichen Liegenschaften. Wo es weiße Flecken gibt, soll es ein Bundesförderprogramm geben, damit künftig zumindest bundesweit telefoniert werden kann.

United Internet prescht vor

Als nach einer Stunde die erste Auktionsrunde in Mainz zu Ende geht, steht eines fest: United Internet hat als Herausforderer der Großen ein deutliches Zeichen gesetzt. In zehn Frequenzblöcken hat die Tochterfirma Drillisch gleich mehr als 20 Millionen Euro geboten, deutlich mehr, als mindestens nötig gewesen wäre.

Doch daraus gleich eine Bieterschlacht wie im Jahr 2000 abzuleiten, als insgesamt 50 Milliarden Euro bei der Frequenzauktion erlöst wurden, hält Stephan Knapek für überzogen. Schließlich sei Drillisch schon in der zweiten Runde in zwei Blöcken wieder von Vodafone überboten worden, argumentiert der Spieltheoretiker der Beratungsfirma TWS Partners, die Unternehmen etwa bei Auktionsverfahren berät.

Daraus zieht er zwei Schlüsse: „Die etablierten Netzbetreiber sind sich weitgehend einig“, sagt Knapek. Zweitens habe Vodafone ein Signal an Drillisch senden wollen: „Der Herausforderer ist nicht erwünscht“, so Knapek. „Wenn Drillisch aussteigt, ist die Auktion schnell gelaufen“, meint er.

Aber noch sei es zu früh, um zu beurteilen, wie ernst es der Angreifer aus Montabaur in der Auktion meint. Das Ergebnis wird frühestens in drei Wochen erwartet
Mitarbeit: M. Buchenau, M. Fasse, K. Knitterscheidt, T. Sigmund