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45 Stunden Zeit: So läuft der Umzug zum neuen Istanbuler Flughafen

10.000 Materialteile, 47 Tonnen und eine Lagerfläche, die 33 Fußballfeldern entspricht: All das soll innerhalb von 45 Stunden abgeschaltet, 40 Kilometer weit transportiert und wieder in Betrieb genommen werden.

In Istanbul hat der wohl größte Umzug in der Geschichte der Luftfahrt begonnen. Der alte Atatürk-Flughafen der Stadt wird geschlossen, stattdessen nimmt der neue Istanbul Airport vor den Toren der Stadt den Betrieb auf.

Schon in der ersten Ausbaustufe reicht die Kapazität für 90 Millionen Passagiere pro Jahr. Der neue Flughafen hat damit schon jetzt mehr Potenzial als seine europäischen Konkurrenten. Am Ende soll er Platz für 200 Millionen Passagiere pro Jahr bieten. Er wäre damit der größte der Welt - und könnte den europäischen Großflughäfen mächtig Konkurrenz machen.

Der Umzug hat bereits am Freitag um Mitternacht (Ortszeit) begonnen. Laut dem Flugbewegungs-Dienstleister Flightradar24 herrscht derzeit reger Betrieb am alten Atatürk-Flughafen. Im Minutentakt landen dort Flugzeuge, hauptsächlich von Turkish Airlines. Gleichzeitig heben Maschinen ab, die auf rund 2500 Fuß (600 Meter) Flughöhe 40 Kilometer zum neuen Flughafen pendeln.

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Dem Instagram-Account der Betreibergesellschaft des neuen Flughafens, IGA, zufolge landen seit 3:00 Uhr morgens Ortszeit (2:00 Uhr MESZ) regelmäßig Maschinen hauptsächlich von Turkish Airlines am neuen Flughafen.

Dem Handelsblatt liegt die Anleitung für alle am Umzug beteiligten Firmen vor. Demnach haben sich die Organisatoren ein detailliertes System ausgedacht, um den Umzug in Etappen innerhalb von 45 Stunden abzuschließen.

Demnach war der Atatürk-Flughafen bis Freitag 16:00 Uhr Ortszeit nur für Flugzeuge dreier türkischer Fluggesellschaften erreichbar, danach für sieben weitere Stunden nur für Maschinen der Turkish Airlines. Für die Transferperiode haben die Flughafenbehörden die Anzahl Starts und Landungen auf jeweils 35 pro Stunde begrenzt.

Seit Samstag ist der Atatürk-Flughafen Geschichte. Dann dürfen laut dem Umzugsprotokoll nur noch „Cargo, Materiallieferung, private Luftfahrt, Lufttaxen, Geschäftsflüge, staatliche Flugzeuge sowie andere durch die Behörden genehmigte Flugzeuge“ den Atatürk-Flughafen anfliegen. Wann das Gelände des alten Flughafens, wie von der AKP-Regierung versprochen, in einen großen Nationalpark umgewandelt wird, steht damit nicht fest.

Am neuen Flughafen, der mit etwa 40 Kilometern genau so weit vom Stadtzentrum entfernt ist wie der Münchener Flughafen von der bayerischen Landeshauptstadt, beginnt dann am Samstag ab 11:00 Uhr der Betrieb; allerdings auch hier erst einmal für fünf Stunden ausschließlich für Turkish Airlines.

Anschließend dürfen weitere fünf Stunden lang nur Flüge der türkischen Gesellschaften Turkish Airlines, Onur Air und Atlasjet starten und landen. Andere Gesellschaften wie Pegasus oder Sun Express nutzen ausschließlich den Istanbuler Flughafen Sabiha Gökçen, der von dem Umzug nicht betroffen war.

Lufthansa, die derzeit drei Mal täglich Istanbul anfliegt, muss sieben Flüge streichen und wird ab Montag (7. April) den neuen Flughafen ansteuern. Der Türkei-Chef der Airline, Kemal Geçer, glaubt an den Erfolg. „Für den türkischen Luftfahrtsektor stellt die (volle) Inbetriebnahme einen großen Sieg dar.“

In der Tat ist der Bau des neuen Flughafens mehr als nur ein Prestigeprojekt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Mehrere Studien, etwa der Unternehmensberatung McKinsey, belegen, dass nicht nur die Anzahl Flüge und Flugpassagiere in Zukunft zunehmen wird. Sondern auch, dass die Türkei geografisch zum Zentrum der Luftfahrt avanciert: Lag das arithmetische Mittel aller weltweiten Flüge im Jahr 1971 noch zwischen Europa und den USA, so liegt es derzeit vor der türkischen Mittelmeerküste.

Die 10,5 Milliarden US-Dollar, die der neue Istanbuler Flughafen gekostet haben soll, sind auch aus einem weiteren Grund gut investiert. Die AKP-geführte Regierung hat in den vergangenen Jahren immer mehr inländische Regionen über Flugverbindungen an die Wirtschaftsmetropole Istanbul angebunden.

Heute fliegt alleine Turkish Airlines 51 nationale Ziele an, darunter selbst kleine Orte wie Kastamonu am Schwarzen Meer oder Siirt im rückständigen Südosten des Landes. Früher dauerte eine Reise dorthin mit dem Bus fast zwei Tage, jetzt sind es zwei Flugstunden.

In einer Studie der Unternehmensberatung Zew wird gezeigt, dass eine einprozentige Erhöhung der Flug-Verbindungen einen 1,7-prozentigen Anstieg im langfristigen Einkommen der Leute vor Ort zur Folge hat. Der neue Istanbuler Flughafen, der eine eigene Startbahn ausschließlich für nationale Verbindungen bekommen soll, ist somit auch ein Investment in das eigene Wirtschaftswachstum.

Kein Wunder, dass auch in anderen Regionen der Welt neue Großflughäfen entstehen. Etwa in Peking, wo Ende September der „Beijing New International Airport“ eröffnet werden soll. Die Kapazität soll von 45 Millionen langfristig auf 100 Millionen Passagiere pro Jahr angehoben werden. In Singapur wird der bestehende Flughafen erweitert. Und der Chef der polnischen Fluggesellschaft LOT sagt, sein Land brauche ebenfalls einen Mega-Flughafen.

Im restlichen Europa hingegen ist die Lust auf noch mehr Flugverbindungen begrenzt, sei es wegen des Lärms, der Umwelt oder schlicht wegen des ohnehin schon vollen Himmels. Vergangenen Sommer kam es in Europa bereits zu Flugausfällen und Chaos an Flughäfen. Das starke Wachstum der vergangenen Jahre, auch durch Billig-Airlines, hat den europäischen Luftverkehr an seine Kapazitätsgrenze gestoßen. Gleichzeitig fehlt der demokratische Wille, das Netz auszuweiten, etwa mit neuen Flughäfen.

„Es ist dringend geboten, dass auch die deutschen Flughäfen bedarfsgerecht wachsen und erforderliche Infrastrukturmaßnahmen realisieren können“, forderte jüngst Stefan Schulte, Präsident des deutschen Flughafenverbandes ADV. Kräftig wachsende Luftverkehrsnachfrage und steigendes Passagieraufkommen bei gleichbleibenden Kapazitäten und guter Pünktlichkeit – diese Rechnung gehe über die nächsten Jahre nicht auf.

„Die politisch Verantwortlichen müssen jetzt reagieren und die notwendigen Kapazitäten am Boden und in der Luft genehmigen“, argumentiert Schulte. „Wenn die deutschen Flughäfen hier nicht nachziehen dürfen, wird der Wirtschafts- und Logistikstandort Deutschland beschädigt.“

Doch es tut sich nicht viel. Die Türkei, gerade mal drei Flugstunden von Deutschland entfernt, stößt in diese Lücke und gräbt vor allem auf der Langstrecke schon jetzt den europäischen Partnern und Konkurrenten das Wasser ab. Der neue Flughafen wird diese Entwicklung vorantreiben.