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300 Milliarden Dollar Börsenwert vernichtet: 5 Gründe für den Apple-Crash

Die neue iPhones liegen bereit – aber greifen die Kunden auch zu? (Foto: © Apple)
Die neue iPhones liegen bereit – aber greifen die Kunden auch zu? (Foto: © Apple)


Apple befindet sich an der Wall Street im freien Fall. In nicht einmal zwei Monaten hat der Techpionier praktisch die gesamten Kursgewinne des Börsenjahres verspielt und dabei fast 300 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet. Wie konnte es dazu kommen?

Was haben Apple und der FC Bayern gemeinsam? Jahrelang galten sie als Branchenprimus, an denen kein Weg vorbeiführt. Seit sechs Jahren in Folge heißt der deutsche Bundesligachampion FC Bayern, seit gar sieben Jahren wird die Wall Street (und der Rest der Börsenwelt) von Apple als wertvollstem Konzern der Welt angeführt.

Doch seit zwei Monaten tut sich Ungeheuerliches: Wie der FC Bayern in der Bundesliga befindet sich auch Apple an der Wall Street im freien Fall und kann praktisch keinen Handelstag mehr einen Kursgewinn verbuchen. Notierte Apple noch am 3. Oktober auf Intraday-Basis auf einem Allzeithoch von 233,47 Dollar, leuchteten zum Handelsschluss am Freitag auf den Kurstafeln der Technologiebörse Nasdaq lediglich Notierungen von 172,29 Dollar auf.

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Binnen nicht einmal zwei Monaten hat Apple damit 27 Prozent an Wert verloren und dabei 310 Milliarden Dollar an Börsenwert beim Sturz von in der Spitze 1,127 Billionen auf 817 Milliarden Dollar ausradiert. (20 Milliarden Dollar wurden im dritten Kalenderquartal für Aktienrückkäufe aufgewendet und erst später aus der Marktkapitalisierung herausgerechnet.) Fünf Gründe, wie es zu dem Sturz aus dem Börsenhimmel kommen konnte:

1.) Die neuen iPhones sind zu teuer

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Wer vor fünf Jahren behauptet hätte, als Apple mit den iPhones bereits die teuersten Smartphones auf den Markt brachte, dass der Techriese den iPhone-Preis binnen eines halben Jahrzehnts noch mal verdoppeln würde, wäre sehr komisch angeschaut worden.

800 Euro für ein neues iPhone waren im Jahr 2013 schon viel Geld – heute jedoch verlangt Apple von seinen treuen Kunden in der Spitze das Doppelte. Tatsächlich 1550 Euro werden für das iPhone XS in maximaler Ausführung fällig; noch mal einen Hunderter drauflegen müssen Kunden, die zum 6,5 Zoll großen iPhone XS Max mit 512 GB Speicher greifen, ohne dafür angemessene Zusatz-Accessoires wie einen Schnellcharger oder AirPods zu bekommen.

Preise in diesen Dimensionen sind kaum zu rechtfertigen: Für das Geld bekommt ein Nutzer eineinhalb MacBooks, vier iPads oder fünf Apple Watches. Warum sollte ein Kunde so viel Geld für ein Smartphone ausgeben, das eine kürzere Nutzungsdauer besitzt als andere Apple-Geräte und zudem gebrauchsanfälliger ist? Ein falscher Griff und das Display zersplittert auf dem Boden.

Nachdem der erste Kaufrausch der treuesten der treuen Apple-Fans vorbei ist, stellt sich nun die nüchterne Erkenntnis ein, dass Apple den Preisbogen mächtig überspannt hat. Auch das günstigere Alternativmodell iPhone XR mit LCD-Display, das vor allem im Rest der Welt punkten sollte, kommt Kunden mit Preisen in der Nähe der 1000-Euro-Grenze offenbar zu teuer vor, wie die immer neuen Umsatzwarnungen der Zuliefererfirmen erahnen lassen.

2.) Die neuen iPhones sind zu unausgereift

Hinzukommt: Die neuen iPhones kamen nicht ohne Mängel auf den Markt. Tatsächlich scheint es, als hätten die neuen OLED-Modelle mit einigen Kinderkrankheiten zu kämpfen. Zuerst machte das #Beautygate die Runde: Selfies auf dem iPhone XS und iPhone XS Max sahen unnatürlich weichgezeichnet aus; ausschalten ließ sich der ungewollte Effekt zunächst nicht.

Es folgte das #Chargegate: Gadget-Tester Lewis Hilsenteger stellte in einem Viralvideo fest, dass die neuen iPhones im Ruhezustand Ladeprobleme aufwiesen. Der Malus scheint nach iOS-Updates behoben, andere Abstriche bleiben.

Der unnötige Wegfall des Home Buttons verwirrt viele Nutzer genauso wie der Gesichtsscanner Face ID, der unzuverlässiger funktioniert als zuvor Touch ID und somit zum Rückschritt wird. Scheitert Face ID, was in dunklen Räumen, mit Sonnen- oder Lesebrille, Bart oder Wintermütze ohnehin oft genug vorkommt, müssen iPhone-Nutzer plötzlich wieder häufiger den sechsstelligen PIN Code eingeben – eine Zeitreise in das Jahr 2012, als iPhones noch ohne Fingerabdrucksensor ausgeliefert wurden.

Zudem führt der Verlust des Fingerabdrucksensors zu seltsamen Bedienungsschritten: Um eine App aus dem App Store zu laden, muss der Nutzer nun zweimal auf die rechte Ein- und Ausschalttaste drücken, statt wie vorher den Finger aufzulegen. Die zahlreichen Verschlimmbesserungen dokumentieren, wie unfertig und undurchdacht die neuen, schicken iPhones in ihrer eigentlichen Handhabe sind – die älteren, weitaus günstigeren Modelle der Generation 8 und abwärts wirken stabiler und ausgereifter – und erfreuen sich entsprechender Beliebtheit.

3.) Apple ist zu satt und selbstgefällig geworden

Apples letztes neues Produkt für den Massenmarkt ist mehr als vier Jahre alt: die Apple Watch, die bis heute immer noch nicht nach den Absätzen in den Größenordnungen der anderen großen Konzernsäulen angekommen ist: dem iPad, den Macs, vom iPhone natürlich ganz zu schweigen. Noch immer scheint es, als müsste die Apple Watch ihr eigentliches Versprechen erst einlösen und ihrem Status als nächstes Hit-Produkt erst gerecht werden – bis heute ist es ein Accessoire für iPhone-Käufer.

Vier Jahre sind in der High Tech-Branche eine lange Zeit, doch es scheint, es würde diese bei Apple eben stillstehen. In der Tim Cook-Ära, die nun auch schon über sieben Jahre läuft, beschränkte sich der wertvollste Konzern der Welt darauf, seinen Erfolg zu verwalten. Die iPhones wurden gemolken wie eine in die Jahre gekommen Cash Cow, die Mac-Sparte weitgehend vernachlässigt und die eingebrochene iPad-Unit um ein Premium-Modell mit Pencil ergänzt. (Steve Jobs hätte das kaum gefallen.)

Apple folgt damit dem schlechten Vorbild vieler Riesenkonzerne und Imperien, die auf dem Zenit ihrer Macht zu selbstzufrieden und defensiv geworden ist: Statt an neuen Innovationen zu arbeiten und den nächsten Blockbuster im Stile des iPhones zu entwickeln, verstrickt sich Apple in defensive Abwehrmaßnahmen zu Festigung seiner Stellung. Der Servicebereich wird unterdessen zur Zukunft des Unternehmens hochgejazzt, obwohl er in erster Linie aus Content- und App-Ansammlungen (Apple Music und App Store) von dritter Seite besteht.

Doch wo sind die eigentlichen Innovationen: Die AR-Brille? Das Apple-Auto? Das next big one more thing? Apple präsentiert stattdessen Drahtlos-Kopfhörer und, Jahre nach der Konkurrenz von Amazon und Google, den Smart Speaker HomePod. Der Wall Street gefällt Apples Trägheit nicht und bestraft den Techkonzern mit einem entsprechenden Bewertungsabschlag. (Von allen FAANG-Aktien weist Apple das mit Abstand geringste Kurs-Gewinn-Verhältnis auf.)

4.) Es gibt keinen Plan B

In der vergangenen Woche zirkulierte mehrfach die Argumentation, Apple habe in Zeiten des Börsenabsturzes einen Plan B. Das ist zwar in Theorie nicht vollkommen falsch, greift aber in der Praxis vollkommen zu kurz.

Seit Jahren versucht Tim Cook in fast manischem Eifer, die Legende zu stricken, Apple wandele sich zu einem Service-Unternehmen, weil dieser Konzernbereich der eigentliche Wachstumsmotor der Zukunft ist. In bester „Mad Men“-Manier („Wenn dir nicht gefällt, worüber geredet wird, ändere die Unterhaltung“,) versucht Cook den iPhone-Abschwung so mit dem Fokus auf das Wachstum der Servicesparte zu übertünchen, deren Erlöse im letzten Quartal noch um 17 Prozent zulegten.

Allein: Es liegen weiterhin Welten zwischen dem mit Abstand größten Konzernbereich (iPhone), der im abgelaufenen Fiskaljahr Erlöse in Höhe von 166,5 Milliarden Dollar erzielte und der Servicesparte, die es im gleichen Zeitraum gerade mal auf Umsätze von 37 Milliarden Dollar bringt. Es dürfte bis zu einem Jahrzehnt dauern, bis der Servicebereich die iPhone-Unit eingeholt hat – es sei denn, die iPhone-Absätze brechen im nächsten Jahrzehnt regelrecht ein, was Apple noch mehr Probleme bereiten würde.

5.) Gefangen im FAANG-Komplex

Niemand ist eine Insel, auch keine Aktie. Das alte Gedicht von John Donne lässt sich bestens auf die Kapitalmärkte übertragen, die sich ebenfalls seit zwei, drei Monaten im beschleunigten Abschwung befinden.

Apple wurde als Teil des FAANG-Komplexes, der die hoch bewerteten Digital-Champions Amazon, Facebook, Netflix und Google-Mutter Alphabet umfasst, entsprechend ebenfalls mit in die Tiefe gerissen: Alle FAANG-Aktien notieren inzwischen mit Abschlägen von über 20 Prozent im Bärenmarktstatus.

Der Grund für den Ausverkauf ist immer derselbe: Nach Jahren der exorbitanten Kursgewinne haben Anleger viel zu verlieren und gehen mit Stop-Loss-Kursen auf Nummer sicher, die, einmal durchbrochen, wieder neue Verkaufswellen auslösen. Apples beschleunigter Absturz der vergangenen Wochen ist freilich größtenteils selbst verschuldet: Seit dem schwachen Ausblick auf das Weihnachtsquartal und die immer neuen Hiobsbotschaften von Analystenseite befindet sich Apple im beschleunigten Abwärtsmodus – genau wie der FC Bayern.

Hält Apples freier Fall an, droht dem langjährigen Wall Street-Champion wie dem deutschen Rekordmeister nun ebenfalls der Verlust des Spitzenplatzes. Ausgerechnet Microsoft notiert nur noch ganze drei Prozent hinter Apple und könnte den Börsenthron schon in dieser Woche vom Erzrivalen übernehmen…