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3,3 Prozent Wachstum sind 2021 möglich

Ehe der Aufschwung kommt, rutscht Deutschland im Winterhalbjahr in eine neuerliche Rezession. Das Vorkrisenniveau wird sogar erst Anfang 2023 wieder erreicht.

Wenn der Welthandel sich erholt, wird die exportstarke deutsche Industrie davon profitieren. Foto: dpa
Wenn der Welthandel sich erholt, wird die exportstarke deutsche Industrie davon profitieren. Foto: dpa

Noch vor wenigen Monaten war der Optimismus groß, dass die zweite Corona-Welle um Deutschland herumschwappen und sich die Wirtschaft weiter rasch von den Folgen der Pandemie erholen würde. Deutschland wurde gar schon als Wachstumslokomotive in Europa bezeichnet.

Doch nun, da das turbulente Jahr 2020 hinter uns liegt, ist klar: Ein erneuter Rückfall in eine „technische“ Rezession ist unausweichlich. Davon sprechen Volkswirte, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwei Quartale in Folge schrumpft.

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Das Handelsblatt Research Institute (HRI) geht in seiner neuen Konjunkturprognose davon aus, dass die Wirtschaftsleistung nicht nur im vierten Quartal 2020 zurückgegangen ist, sondern auch im ersten Quartal 2021 zurückgehen wird – womit die Voraussetzungen für eine Rezession erfüllt wären.

Ende des ersten Quartals 2021 dürfte die Wirtschaftsleistung um gut vier Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen – und damit auf dem Stand des Frühjahrs 2016. „Der Einbruch der Wirtschaft im Jahr 2020 wird zwar geringfügig niedriger als nach der Finanzkrise 2009 ausfallen“, sagt HRI-Präsident Bert Rürup.

Doch solange die Pandemie nicht wirklich überwunden sei, werde die Erholung nicht so gradlinig sein wie damals, sondern „eher waschbrettartig“ verlaufen: „Wir werden uns auf ein Go-and-stop einstellen müssen.“

Was vor einem Jahr niemand ahnte

Das HRI rechnet damit, dass die wirtschaftliche Gesamtleistung im Jahr 2020 um 5,6 Prozent eingebrochen ist. Im neuen Jahr dürfte sie um 3,3 Prozent und 2022 um zwei Prozent wachsen. Das wäre aufgrund von Nachholeffekten etwas mehr als das langfristige Trendwachstum. Damit ist das HRI deutlich vorsichtiger als die meisten anderen Konjunkturauguren – wie auch schon Ende 2019. So rechnet etwa die Bundesregierung für 2021 immerhin mit 4,4 Prozent Wachstum.
Vor einem Jahr schien die Welt hingegen noch in Ordnung. Als am 31. Dezember 2019 der Ausbruch einer neuartigen Lungenkrankheit im chinesischen Wuhan bestätigt wurde, ahnte wohl niemand, wie das Coronavirus die Welt verändern würde.

So sagten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Deutschland ziemlich einmütig für 2020 etwa ein Prozent Wirtschaftswachstum voraus, das sich 2021 auf rund 1,5 Prozent leicht beschleunigen sollte.

Der Staat sollte weiterhin schwarze Zahlen schreiben und die Bundesländer vorerst keine Probleme haben, ihre 2020 erstmals scharf gestellten Schuldenbremsen einzuhalten. Die Anzahl der Arbeitslosen sollte weiter sinken und 2021 im Jahresmittel nur noch knapp über 2,2 Millionen liegen. Bekanntlich kam alles anders, ganz anders.

Einem recht guten Jahresauftakt folgte ein beispielloser Einbruch der Wirtschaftsleistung um zwölf Prozent im Frühjahr – und eine sensationelle Aufholjagd im Sommer, als die Wirtschaft um 8,5 Prozent wuchs.

Nun, zum Ende des vierten Quartals, gibt es neuerliche Lockdowns in weiten Teilen Europas, massive Reisebeschränkungen, ein mutiertes Virus und die quälende Ungewissheit für Wirtschaft und Verbraucher, wie es 2021 weitergeht. Selbst wenn bei der jetzt beginnenden Impfkampagne nichts schiefläuft, dürfte für viele Menschen in Deutschland wohl erst im Spätsommer oder Herbst ein Vakzin bereitstehen.

Das HRI geht daher davon aus, dass zwar im ersten Quartal 2021 der konjunkturelle Tiefpunkt in Deutschland erreicht wird. Doch da die bestehenden Beschränkungen des Alltags nur zögerlich gelockert werden dürften, ist lediglich eine langsame Erholung der Wirtschaft zu erwarten. Zumindest bis Ostern dürfte der Teil-Lockdown große Teile von Wirtschaft und Gesellschaft prägen, sodass allenfalls mit dem einsetzenden Sommer ein etwas stärkerer Aufschwung zu erwarten ist.

Anhaltende Sorgen um Arbeitsplätze

Der private Konsum dürfte 2021 zum einen von kräftigen Nachholeffekten geprägt werden. Die Menschen werden wieder ins Restaurant, Kino, Konzert oder Fußballstadion gehen, sobald dies möglich ist.

Und sie werden auch wieder reisen, sobald es ihnen sicher erscheint. Angesichts der erzwungenermaßen sehr hohen Sparquote im Jahr 2020 spricht dies erst mal für einen kräftigen Konsumschub im Sommer. Dem entgegen stehen jedoch bei vielen Beschäftigten die anhaltenden Arbeitsplatzsorgen.

Sobald die Hilfen der Regierung zurückgefahren werden, Kurzarbeit ausläuft und die Ausnahmen von der Insolvenzpflicht beendet werden, droht gerade vielen kleineren Betrieben 2021 das Aus. Zudem wird sich in vielen vom Strukturwandel betroffenen großen Industrieunternehmen der Arbeitsplatzabbau fortsetzen.

Das HRI geht daher davon aus, dass die Arbeitslosigkeit steigt. Nachdem 2020 unter dem Strich bereits fast eine halbe Million Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren haben, steigt die Arbeitslosigkeit 2021 um weitere rund 140.000 Personen im Jahresdurchschnitt an.

Dabei wird die Bundesregierung angesichts mehrerer Landtagswahlen im Frühjahr sowie der Bundestagswahl im Herbst vieles versuchen, um den Anstieg der Arbeitslosigkeit abzubremsen oder zu kaschieren. Entsprechende Maßnahmen dürften jedoch befristet werden und 2022 auslaufen, sodass dann – trotz des Aufschwungs – die Arbeitslosigkeit zunächst weiter ansteigen und im Jahresschnitt bei knapp unter drei Millionen liegen dürfte. Die Krise hätte dann insgesamt 700.000 Menschen dauerhaft arbeitslos gemacht.

Darüber hinaus bauen viele Großunternehmen Arbeitsplätze über Frühverrentungsprogramme ab. „Diese verloren gegangenen Arbeitsplätze tauchen zwar nicht in der Arbeitsmarktstatistik auf, reduzieren aber gleichwohl das deutsche Produktionspotenzial und damit die Wachstumsmöglichkeiten“, betont HRI-Präsident Rürup.

Ferner drücken die spürbar steigenden Preise die Kaufkraft. Zum Jahresstart steigt die Umsatzsteuer wieder auf ihr ursprüngliches Niveau. Rechnerisch müssten damit die Preise für die meisten Produkte um 2,5 Prozent steigen. Hinzu kommt die CO2-Steuer, die Energie sprunghaft verteuert, was sich insbesondere an den Zapfsäulen sofort niederschlagen dürfte.

Zur Jahresmitte laufen dann – zumindest nach bisherigem Stand – die Umsatzsteuervorteile für die Gastronomie aus, sodass Speisen dann nicht mehr reduziert mit sieben Prozent besteuert, sondern wieder mit dem Regelsatz von 19 Prozent belastet werden.

Zusammengenommen führt dies dazu, dass die Inflation in Deutschland im Jahresschnitt 2,2 Prozent betragen dürfte; in einzelnen Monaten sind dabei durchaus Werte von rund drei Prozent möglich. All dies dürfte dazu führen, dass der private Konsum im Jahr 2021 real um knapp drei Prozent zulegen und damit nur etwa die Hälfte des Einbruchs vom Vorjahr wettmachen dürfte.

Große Aufgaben für die nächste Bundesregierung

Der Staatskonsum wird als Resultat der anhaltenden Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft sowie der direkten Pandemiebekämpfung 2021 weiter spürbar zunehmen. Erst die nächste Bundesregierung dürfte 2022 mit der Haushaltskonsolidierung beginnen und sich bemühen, von den hohen Haushaltsdefiziten herunterzukommen.

Daher wird Deutschland im Jahr 2022 vermutlich als einer der ersten EU-Staaten das europäische Defizitkriterium wieder einhalten. Die schärferen Regeln der nationalen Schuldenbremsen dürften jedoch klar verfehlt werden, sofern die neue Bundesregierung nicht als erste Amtshandlung spürbare Steuererhöhungen beschließen sollte.

Die zunächst noch anhaltende Unsicherheit lastet weiter auf dem Investitionsklima, sodass der heftige Einbruch des Jahres 2020 erst mittelfristig wieder aufgeholt werden dürfte. Eine Stütze ist dabei der Bau, vor allem der Wohnungsbau.

Zudem dürfte die Nachfrage nach Logistikimmobilien aufgrund des boomenden Onlinehandels weiter zunehmen. Schwieriger dürften sich dagegen die Bereiche Hotel- und Büroflächen entwickeln, die geschwächt aus der Pandemie hervorgehen werden.

Das Ende früherer Rezessionen wurde in Deutschland meist mit einem Anziehen des Welthandels eingeläutet, von dem die exportstarke deutsche Industrie überproportional profitierte. Nun hat sich zwar mit der Abwahl von Donald Trump als US-Präsident das Risiko eines globalen Handelskriegs verringert, was unter deutschen Exporteuren sicher zu großer Erleichterung führt.

Doch der Brexit und die anhaltende gesamtwirtschaftliche Schwäche fast aller wichtigen Handelspartner Deutschlands stehen einem Exportboom entgegen.

So dürfte 2021 nur etwa die Hälfte des Einbruchs aufgeholt werden; erst 2022 dürften die deutschen Exporte das Vorkrisenniveau wieder erreichen. Da jedoch die Importe sich in etwa im Gleichschritt mit den Exporten bewegen werden, sind vom Außenhandel nur geringe Wachstumseffekte zu erwarten.

Renationalisierung von Lieferketten

Überdies hat die Krise gezeigt, wie anfällig die deutsche Wirtschaft durch die globale Vernetzung und die damit einhergehende Logistik über die Lieferketten ist. Zudem fehlte es auf dem Höhepunkt der Pandemie im Frühjahr an Artikeln wie Schutzkleidung und einfachen Masken. Daher dürfte es nicht nur in Deutschland zu einer gewissen Renationalisierung von Lieferketten und Produktion kommen.

Hinzu kommt, dass mit dem Fahrzeugbau die deutsche Schlüsselindustrie in einer Strukturkrise steckt, da die globale Nachfrage nach leistungsstarken Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ihr Maximum überschritten haben dürfte. Auch der deutsche Maschinenbau wird die Krise nur langsam abschütteln können.

Zum einen ist die Konkurrenz aus Fernost in den vergangenen Jahren wettbewerbsfähiger geworden. Zum anderen dürften die für den Verkauf wichtigen großen internationalen Messen aufgrund von Reiserestriktionen wohl noch länger nicht in gewohnter Weise stattfinden können.

„Wenn die deutsche Wirtschaft voraussichtlich Anfang 2023 das Vorkrisenniveau erreicht haben wird, fehlen ihr noch immer drei Jahre Wirtschaftswachstum“, betont HRI-Präsident Rürup. Die damit dauerhaft um mehr als 100 Milliarden Euro geringere reale Wirtschaftsleistung führe nicht nur zu Wohlstandsverlusten, sondern auch zu dauerhaft niedrigeren Steuer- und Beitragseinnahmen des Staates.

„Die kommende Regierung muss also alles dafür tun, mehr Wachstum zu generieren, zumal schon Mitte dieses Jahrzehnts ein starker Alterungsschub der Gesellschaft einsetzen wird, der zwei Dekaden andauern und zur Belastungsprobe für weite Teile von Wirtschaft und Gesellschaft werden wird“, so Rürup.

Unter diesen Voraussetzungen werde es mittelfristig „sehr schwierig“, überhaupt noch Wirtschaftswachstum generieren zu können. „Die Startrampe für diese demografisch schwierige Phase ist durch die Pandemie nun merklich niedriger.“

Das erwarten die anderen

2020: Für das zu Ende gehende Jahr 2020 liegen die Prognosen recht eng beieinander. Bundesregierung und Bundesbank rechnen mit einem Einbruch von 5,5 Prozent, am anderen Ende der Skala stehen IWH und Ifo mit einem prognostizierten Rückgang der Wirtschaftsleistung um 5,0 bzw. 5,1 Prozent.

2021: Das DIW sieht im kommenden Jahr 5,3 Prozent Wachstum. Allerdings wurde die Prognose abgeschlossen, bevor der neuerliche harte Lockdown verhängt wurde. Deutlich zurückhaltender sind die Prognosen von Bundesbank und IfW, die 3,0 bzw. 3,1 Prozent Wachstum vorhersagen.

2022: Dafür sagen Bundesbank und IfW mit einem Plus von 4,5 Prozent in 2022 ausgesprochen kräftiges Wachstum voraus. Eher verhalten sind die Erwartungen von Bundesregierung, DIW und RWI, die 2,5 bis 2,8 Prozent Wachstum vorhersagen.

Haushalt: Für das abgelaufene Jahr liegen die meisten Prognosen bei einem Haushaltsdefizit von rund fünf Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Bis 2022 sinkt dieser Fehlbetrag dann auf etwa 1,8 bis 2,4 Prozent.

Arbeitsmarkt: Für 2021 rechnen die meisten Auguren mit stagnierender Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2022 soll die Anzahl der Arbeitslosen dann spürbar sinken; Bundesregierung und DIW sehen sogar lediglich 2,4 Millionen Arbeitslose im Jahresmittel.