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„Bis 2025 digital führend“: So fordert Ergo den Marktführer Allianz heraus

Die Munich-Re-Tochter war zuletzt mit dem internen Umbau beschäftigt. Jetzt will der Versicherer ganz nach oben – aber die Konkurrenz schläft nicht.

Markus Rieß eilt der Ruf eines knallharten Sanierers voraus. „Ausruhen dürfen wir uns nicht“, kündigte der Vorstandschef der Ergo Versicherung gleich im November an, als er die mehrjährige Restrukturierung des Unternehmens für beendet erklärte.

Jahrelang hatte der Ex-Allianz-Manager Kosten gesenkt und Abläufe gestrafft. Doch jetzt will der Topmanager mit dem nach Beitragseinnahmen drittgrößten Erstversicherer aus Düsseldorf wieder angreifen – und fasst dabei auch seinen früheren Arbeitgeber ins Visier.

„Ergo will bis 2025 digital führend in der Versicherungsbranche sein, sowohl in Deutschland als auch in unseren internationalen Kernmärkten“, kündigt Digitalchef Mark Klein im Gespräch mit dem Handelsblatt an. „Dazu gehört auch, mittelfristig selbst zum Anbieter innovativer Technologien zu werden.“

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Bereits heute baue Ergo neue Anwendungen wie Künstliche Intelligenz, Voice und Robotics nicht mehr in abgeschotteten IT-Systemen, sondern in einer Daten-Cloud. „Ergo wird vom klassischen Versicherer immer mehr zur Techcompany.“

Die neue Vorgabe ist nicht nur ein anspruchsvolles Projekt für die Tochter des Rückversicherers Munich Re. Sie ist auch eine Kampfansage an die Marktführerin Allianz, die in vielen Punkten schon einen Schritt weiter ist. Doch insgesamt hat die Branche hat noch viel Nachholbedarf. Grundsätzlich bemängeln Experten: Die Assekuranz hat das Thema Digitalisierung viel zu lange unterschätzt, verdrängt und sich auf ihrem vergleichsweise stabilen Geschäftsmodell ausgeruht. Und auch der Wandel braucht seine Zeit.

Studien belegen, dass die Versicherer inzwischen zwar viel Geld in digitale Technologien investieren, aber deutliche wirtschaftliche Erfolge noch ausbleiben. Innovative Geschäftsansätze entstünden bisher „weder im Produktangebot, in den Prozessen noch in der Technologie“, befindet beispielsweise die Unternehmensberatung ZEB.

Doch nun bläst der Digitalchef der Ergo zur Aufholjagd: „Wir haben in unseren Kernmärkten erstmals eine digitale Agenda mit harten Zielen und Kennzahlen verankert“, sagt Klein. Wie groß sein Budget ist, verrät er nicht. „Im Wesentlichen wollen wir uns daran messen lassen, wie hoch der Onlineanteil an den Verkäufen ist, wie viele unserer Produkte im Netz buchbar sind und wie gut unsere Marke digital sichtbar ist.“ Hier sei Ergo bei den genannten Kategorien bereits in fast allen europäischen Ländern gut positioniert. „Bis 2025 wollen wir bei diesen dann in der Versicherungsbranche vorn sein.“

Allianz ist in der digitalen Reichweite Spitzenreiter

Das ist allerdings Zukunftsmusik. Noch ist die Allianz praktisch auf allen wichtigen Feldern – auch im digitalen Sektor – die Nummer eins hierzulande. In der digitalen Reichweite auf Gesamtmarktbasis ist der Münchener Dax-Konzern nach dem Techmonitor Assekuranz 2020 Spitzenreiter. Im Schnitt hatte ein Deutscher in den vergangenen sechs Monaten demnach 0,44 digitale Kontakte zur Allianz. Ergo liegt bislang mit 0,29 digitalen Kontakten auf Platz zwei, gefolgt von HuK-Coburg.

Klein hat für die nächsten Jahre für Ergo vor allem ein Feld ausgemacht, von dem er sich großes Wachstum verspricht: den sogenannten Ökosystemen, wie digitale Plattformen in der Branche genannt werden. Kunden können dort alle ihre Finanzangelegenheiten und Versicherungsverträge zentral bündeln, es ist sozusagen ihr „finanzielles Zuhause“.

Was praktisch für die Verbraucher ist, kann für Banken und Versicherer zu einer echten Gefahr werden. Denn eigentlich braucht jeder nur ein einziges Zuhause und nicht mehrere, mahnen Experten. Die große Frage ist also, wer diese direkte Schnittstelle zum Kunden auf Dauer besetzt.

Laut der Unternehmensberatung McKinsey soll über datengetriebene Plattformen bis 2025 bis zu einem Drittel des weltweiten Umsatzvolumens generiert werden. „Diese digitalen Ökosysteme verändern den Wettbewerb in unserer Branche“, warnte zuletzt auch Munich-Re-Chef Joachim Wenning. Der Weckruf ist auch bei Ergo angekommen: „Wir erwarten, dass über Ökosysteme in den kommenden Jahren das größte Wachstum im digitalen Geschäft kommen wird“, sagt Klein. „Für Ergo kalkulieren wir bis 2025 jährlich eine im Schnitt zweistellige Wachstumsrate ein.“

Vorbild für die Branche ist dabei Ping An aus China, der nach Börsenwert größte Versicherer der Welt. Der Konzern mit seinen mehr als 300.000 Mitarbeitern hat für seine Konsumenten ein dichtes Ökosystemnetz gebaut, das aus der Medizin-Plattform „Good Doctor“, der Allfinanz-Website „One“ und der Fahrzeug-Plattform „Auto Home“ besteht.

Nachahmer gibt es bereits. Die Allianz startete beispielsweise im vergangenen Jahr eine neue Finanzplattform unter dem Namen Heymoney, die als unabhängige App den Angeboten der großen Geldhäuser Konkurrenz macht. So können Kunden mit der Finanz-App ihre Konten bei unterschiedlichen Banken, Verträgen und Versicherungen auf einen Blick überprüfen, personalisierte Angebote und Gutscheine einfordern und auf Wunsch ein Gespräch mit einem Finanzexperten vereinbaren.

Bisher steht das Produkt nur Kunden und Interessenten mit einem Einladungscode offen. „Noch haben wir nicht entschieden, wann wir Heymoney einem breiten Publikum öffnen werden“, sagt Iconic-Finance-Chef Bernd Storm van’s Gravesande dem Handelsblatt, dessen Start-up Heymoney entwickelt. Eine Öffnung für jedermann bleibe das Ziel. „Vorerst fokussieren wir uns aber auf den Kanal über die Einladungen durch die Allianz-Vertreter, den wir noch ausbauen wollen. Für uns ist Heymoney ein langfristiges Projekt.“

Storm ist seit 2020 Chef der Allianz-Gründung Iconic-Finance. Zuvor gründete der ehemalige Fujitsu-Manager unter anderem Aboalarm und Finlytics. Für die Allianz ist nach dem Start des neuen europäischen Direktversicherers Allianz Direct die Finanzplattform das zweite wichtige Prestigeprojekt im digitalen Geschäft.

„Wir sind mit der Finanz-App nicht die Ersten am Markt, aber wir haben bereits jetzt mit unserer nur auf Einladung zugänglichen Version der App festgestellt, dass die Nachfrage nach solchen Angeboten groß ist – und der Markt längst nicht gesättigt ist“, sagt Storm van’s Gravesande. So will Heymoney in weitere Geschäftsfelder vordringen. „Wir planen, dass die Nutzer künftig über die App anderweitige Verbraucherverträge verwalten und optimieren können.“

Von Rivalen zu Partnern

Die Ergo schlägt allerdings einen anderen Kurs als der Rivale aus München ein. „Wir wollen nicht Betreiber, sondern Unterstützer solcher Plattformen sein“, sagt Digitalchef Klein. „Ich bin davon überzeugt: Der Versicherer, der sich in zukunftsträchtigen Ökosystemen mit überzeugenden Produkten und Services bestmöglich als Partner platziert, hat künftig die Nase vorn.“ Es gehe bei allen Partnerschaften der Ergo aber um mehr als eine einfache Police. „Gerade beim Thema Datenanalyse und Künstliche Intelligenz können Partner von unserer Kompetenz profitieren.“ Früher hätte Ergo den Kunden nur eine Versicherungsleistung verkauft. „Künftig geht es um ein ganzes Servicepaket.“

Das Marktpotenzial für den Versicherer, der andere Ökosysteme am besten unterstützt, sei groß, findet Klein. „Immer mehr Unternehmen überlegen, wie sie eine Versicherungslösung in ihr Produkt integrieren können – und genau da kommen wir ins Spiel.“ Bereits jetzt arbeite Ergo mit BMW und dem chinesischen Autobauer Great Wall Motors im Bereich Mobilität oder mit den eCommerce-Unternehmen Amazon oder Coolblue in den Niederlanden und Belgien zusammen. „Wir schauen uns aktuell aber auch sehr interessiert potenzielle neue Ökosysteme an.“

Für Markus Zimmermann, Leiter Versicherungsstrategie bei der Beratungsfirma Accenture, stehen die Versicherer vor einer wichtigen Weichenstellung. Das Bedrohungsszenario für die Branche sei, dass sie mit wachsender Bedeutung der Plattformen den Kontakt zum Kunden verliere – und nur zu einem besseren Zulieferer werde. „Es geht also um eine strategische Grundsatzfrage.“ Um mehr Relevanz für die Kunden zu entwickeln, bleibe den Versicherern gar nichts anderes übrig, als sich in neue Geschäftsfelder vorzuwagen.

So tüftelt auch Ergo bereits an neuen Produkten – von denen Digitalchef Klein zumindest ein wenig den Schleier hebt. Was wird kommen? „Es wird eine Kombination aus Technologie und Versicherung sein, ergänzt durch neue Anwendungen“, kündigt der frühere Telekom-Manager an.

In der noch sehr frischen Testphase sei bei Ergo zum Beispiel der Einsatz von Virtual Reality im Vertrieb. „Die Beratung findet dann via Datenbrille in einem virtuellen Raum statt, was – auch wenn es überraschend klingt – wirklich ein Gefühl der Nähe vermittelt.“ Kunden, die das erstmals ausprobieren durften, hätten extrem positiv reagiert. Aber es werde noch einige Zeit dauern, bis so etwas für die breite Masse angeboten werde.

Die Stoßrichtung ist für Klein jedoch klar: Alle Produkte – insbesondere die digitalen Angebote – müssten noch einfacher und verständlicher werden. „Eine Versicherung muss idealerweise so simpel buchbar sein wie der Kauf eines Songs bei Apple“, befindet er. Dahin ist es für die meisten Versicherer aber noch ein weiter Weg.

Mehr: Auf dem Weg zum Dividendenkönig? Munich Re will Ausschüttungen deutlich steigern