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16 Jahre Kanzlerin, 16 Erinnerungen: Das alles bleibt von Angela Merkel im Gedächtnis

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht im Bundeskanzleramt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht im Bundeskanzleramt.

Seit 16 Jahren ist Angela Merkel Bundeskanzlerin. Ein Zeitraum, in dem die CDU-Politikerin eine ganze Generation geprägt hat. Mehr als ein Viertel der Deutschen darf so lange überhaupt erst wählen. Nun, am Sonntag, wird ein neuer Bundestag gewählt. Mit der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Parlaments endet die Amtszeit der ersten Regierungschefin Deutschlands. Historische Entscheidungen wie die Deutsche Einheit unter Helmut Kohl oder die Westanbindung an Europa und die Nato unter Konrad Adenauer hat Merkel wohl nicht in ihrem politischen Lebenslauf. Trotzdem wurde sie zehn Jahre lang vom "Forbes"-Magazin zur mächtigsten Frau der Welt gekürt. Business Insider gibt euch einen Überblick, was aus 16 Jahren mit Merkel in Erinnerung bleiben wird.

1. Persönliche Bilanz: In einem ihrer letzten Interviews wird die Bundeskanzlerin nach ihrem persönlichen Fazit gefragt. Sie nennt als einen ihrer glücklichsten Momente in der Politik: "Sehr oft, wenn man einen Kompromiss gefunden hat." Als Beispiel führt sie die Verabschiedung des Lissabon-Vertrags an, der die Europäische Union auf ein neues Fundament stellte. Oder im vergangenen Jahr, als sich die Staats- und Regierungschefs der EU nach langem Streit doch noch auf die Corona-Hilfen einigten. "Dann ist man glücklich", sagt die Kanzlerin.

2. Angekommen auf der Regierungsbank: Von 1994 bis 1998 war Angela Merkel Bundesministerin für Umwelt im Kabinett von Helmut Kohl und zuvor Familienministerin. Sie wurde häufig als "Kohls Mädchen" verhöhnt. 2005 wird die CDU-Chefin im Parlament zur ersten deutschen Bundeskanzlerin gewählt und leitet eine Koalition von Union und SPD. „Wir werden eine Regierung der Taten sein“, verspricht sie in ihrer ersten Regierungserklärung am 30. November 2005. Als Kanzlerin verbindet sie gleich drei Premieren: Sie ist die erste Frau auf dem Chefsessel des Kanzleramtes, sie ist mit 51 Jahren die jüngste Regierungschefin Deutschlands. Und sie ist die erste ostdeutsche Kanzlerin.

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3. Flüchtlingskrise: Wohl in der gesamten Kanzlerschaft von Angela Merkel war bis heute kein Satz prägender als "Wir schaffen das". Den sagte Merkel über die Aufnahme von Flüchtlingen. Innerhalb weniger Wochen waren zehntausende Menschen vor allem über die Balkanroute von Ungarn über Österreich nach Deutschland gekommen. Doch sie schließt 2015 nicht die Grenzen vor den Schutzsuchenden. Am Ende stellten fast eine Million Menschen allein in diesem Jahr einen Asylantrag. Die Selfies von Merkels späterem Besuch einer Berliner Erstaufnahmeeinrichtung gehen um die Welt. Mit seiner Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik brüskiert CSU-Chef Horst Seehofer die Kanzlerin öffentlich. Der Streit eskaliert über die Jahre immer wieder. Ganz anders beurteilt das New Yorker "Time"-Magazin die Kanzlerin: Sie wird als "Person des Jahres" ausgezeichnet und für ihre "Menschlichkeit, Güte, Toleranz" gelobt.

4. Finanzkrise: Angesichts der Bankenkrise nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers stellt die Regierung unter Merkel erstmals eine Komplettgarantie für private Spareinlagen in Aussicht. "Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind", sagte Merkel auf einer Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Sie spricht sich für eine stärkere Finanzmarktregulierung aus. In Deutschland sind kurz hintereinander zwei Hilfspakete für die Hypo Real Estate zu schnüren.

5. Eurokrise: Auf einem EU-Sondergipfel, der eigentlich für die Freigabe von Hilfskrediten für Griechenland einberufen war, stellte sich binnen Stunden die Systemfrage für den Euro. EU-Staats- und Regierungschefs, die sich vor dem Gipfel abgestimmt hatten, bestürmten die Bundeskanzlerin mit der Forderung nach Eurobonds und einem „Rettungsschirm“, um den Zusammenbruch der Währungsunion zu verhindern. Die EU spannte also zur Rettung kriselnder Euro-Mitglieder vor dem Staatsbankrott einen hunderte Milliarden Euro schweren Rettungsschirm. Irland, Portugal, Spanien und Zypern werden mit Krediten versorgt. Damit war die Vergemeinschaftung der Schulden gegen den Willen der Bundesbank beschlossen. Merkel zählt die Eurokrise zu ihren schwersten Momenten, weil sie den Bürgern in Griechenland so viel zugemutet habe. Deutschland ging es später finanziell so gut, dass keine neuen Schulden mehr gemacht werden und eine Schuldenbremse im Grundgesetz verankert werden kann.

5. Klimaschutz: Ihrem Anspruch, Deutschland zum Musterland der Energiewende zu machen, wurde Merkel kaum gerecht. Vor allem der schleppende Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze bleibt mit ihrer Amtszeit verbunden. Nicht einmal 2000 der nötigen 12.000 Kilometer Stromnetzausbau sind fertig. Im Norden produzierter Windstrom kann so nicht in den Süden transportiert werden, das zieht teure Abschaltungen für die Anlagen nach sich. Auch drohen Versorgungsengpässe in Süddeutschland. Die EEG-Umlage schoss in Merkels Regierungszeit von 0,68 Cent je Kilowattstunde Strom auf 6,5 Cent. Beim Klimaschutzgesetz musste die Regierung jüngst nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachbessern. Zudem verfehlt Bundesregierung die selbst gesteckten Klimaziele zur CO2-Reduktion über Jahre hinweg immer wieder krachend. 40 Prozent weniger Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 – das gelingt ihnen erst 2020, und da auch nur, weil während der Corona-Pandemie weniger produziert und weniger gereist wird. Das letzte deutsche Kohlekraftwerk soll erst in 17 Jahren abgeschaltet werden.

6. Wehrpflicht: Der Einsatz für die Wehrpflicht galt über Jahrzehnte als ein Markenkern der Union. Doch unter Merkel gab es die größte Veränderung für das Militär: Ihre Partei stellt sich hinter das Vorhaben von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), den Pflichtdienst für Männer in der Bundeswehr auszusetzen. Im Juli 2011 sind Wehrpflicht und Zivildienst in Deutschland Geschichte.

7. Afghanistan: Ganz zum Schluss ihrer Amtszeit ereilt Merkel noch das Scheitern der Afghanistan-Strategie. Ihre allerletzte Regierungserklärung dieser Legislaturperiode hält sie zu diesem internationalen Einsatz. Sie beklagt das Leid der Menschen und der Ortskräfte, die nicht vor dem Truppenabzug nicht mehr herauskamen. Es wird aber deutlich, dass ihr ein Ende mit Schrecken lieber ist als ein Schrecken ohne Ende. Keines der zuständigen Ministerien ebenso wie die Geheimdienste hatte den schnellen Fall des Landes an die Terrororganisation Taliban vorhergesehen. Schon einen Monat danach drohen in Afghanistan Versorgungsnöte, die Rechte der Frauen sind stark ausgehöhlt.

8. Atomausstieg: Nach der Atomkatastrophe in Fukushima reagiert Merkel mit einer drastischen Kurskorrektur: Nachdem ihre schwarz-gelbe Regierung erst im Herbst 2010 die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert hat, wird nun die Reißleine gezogen. Im Juni besiegelt der Bundestag Deutschlands Ausstieg aus der Atomkraft bis 2022.

9. Geheimdienste: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht", sagt Merkel 2013 darüber, dass der US-Geheimdienst NSA über Jahre ihr Handy auslas. Der US-Präsident gibt sich peinlich berührt - ohne dass klar wird, seit wann er von der Bespitzelung weiß. Schon zuvor wurde bekannt, dass US-Dienste massenhaft Daten von Bundesbürgern sammeln. Merkel und Obama bemühen sich danach um ein besseres Verhältnis.

10. Corona-Krise: 4,1 Millionen Infizierte, 93.000 Tote – die bisherige Bilanz der Corona-Pandemie. Zu Beginn hat die Bundeskanzlerin gewarnt: In ihrer einzigen Rede an die Nation im Fernsehen mahnt Merkel zu Beginn der Pandemie im März 2020 das Land: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.“ Ihre später folgende Rechnung zur Ausbreitung des Coronavirus kommt vielen wie ein Horrorszenario vor: Wenn sich die Zahl der Neuinfektionen pro Tag weiterhin so entwickle wie in den Monaten zuvor, "würden wir von 2400 auf 4800, dann auf 9600 und schließlich auf 19.200 kommen", sagt Merkel, die mit solchen Einschätzungen nicht immer ganz richtig lag. Deutschland geht in der Pandemie in einen nie dagewesenen Lockdown. Der Preis dafür waren Grundrechtseinschränkungen, die das Land nach wie vor spalten und die Gegenbewegung der Querdenker hervorbringt. Um das alles zu stemmen, hat Deutschland seit Beginn der Krise Rekordschulden von 470 Milliarden Euro aufgenommen.

11. Digitalisierung: Das Tempo des digitalen Wandels ist enorm, die Kanzlerin aber tut zu wenig, um Schritt zu halten. Merkel kündigt an, verspricht, beschwört, ruft 2018 sogar einen Digitalrat ins Leben – und doch: Die Mobilfunklöcher bleiben, bei der Künstlichen Intelligenz hinkt Deutschland international hinterher, der Ausbau der digitalen Verwaltung stockt. Als beispielhaft gilt ihr Satz „Das Internet ist für uns alle Neuland“, mit dem die Kanzlerin 2013 nach einer Pressekonferenz das Internet in Wallung versetzte. Da war das Netz bereits 20 Jahre alt.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Besuch des europäischen Astronauten Zentrums (EAC) in Köln.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Besuch des europäischen Astronauten Zentrums (EAC) in Köln.

12. Ehe für alle: Nach jahrzehntelangem Ringen sagt der Bundestag im Juni 2017 Ja zur Ehe für homosexuelle Paare. Zuvor hatte Merkel den Abgeordneten der Union in der Sache eine freie "Gewissensentscheidung" überlassen. Schwule und Lesben dürfen seither heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren. Merkel selbst votierte allerdings dagegen.

13. Merkel und die Frauen: 2017 wurde die Bundeskanzlerin bei einem Frauengipfel gefragt, ob sie sich als Feministin betrachte. Ihre Antwort kam zögerlich: Mit diesem Titel wolle sie sich nicht unbedingt schmücken, sagte Merkel. Inzwischen hat sie ihre Position korrigiert: Es ginge doch nur darum, dass Frauen und Männer in gleichem Maße am gesellschaftlichen Leben teilnähmen. "In diesem Sinne kann ich heute bejahend sagen: Dann bin ich Feministin. Wir sollten alle Feministen sein." Für Frauen im Berufsleben gibt es in der Ära Merkel allerdings wenige Verbesserungen hinsichtlich der Gleichstellung. Erst seit 2020 gibt es die gesetzliche 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände börsennotierter Unternehmen, Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Kindergarten- und Grundschulkinder gibt es auch eher auf Drängen der SPD.

14. Außenpolitik: Unter Merkel wurde Deutschland zwar zur drittgrößten Handelsmacht, aber es fehlt die geopolitische Komponente. Nicht umsonst bilanzieren ausländische Zeitungen: "Außenpolitisch hat Merkel wenig erreicht. Donald Trump ignorierte sie, Boris Johnson erzwang den Brexit, Wladimir Putin hat die Kanzlerin im Ukrainekonflikt schlicht ausgesessen. Die mächtigste Frau der Welt war häufig machtlos." Dennoch versuchte die Kanzlerin die Ideale der Demokratie und der Menschenrechte beispielsweise bei der Hongkong-Frage zu verteidigen. Gegenüber Russland und China verhielt sie sich passiver, verteidigte lieber die Interessen der deutschen Industrie. Besonders in Polen, dem die Kanzlerin jüngst einen Abschiedsbesuch erstattete, schwärmt man von der verständnisvollen Kanzlerin – trotz Nordstream 2, der Pipeline von Russland. Merkel wurde zur Lieblingsfeindin von Donald Trump, das macht der Ex-US-Präsident schon bei ihrem Antrittsbesuch im März 2017 klar. Er verweigert ihr vor der Weltpresse im Weißen Haus den üblichen Handschlag zur Begrüßung. Die transatlantischen Beziehungen, das deutsch-amerikanische Verhältnis sackten auf einen Tiefpunkt.

https://twitter.com/koesterfabian/status/1069206409273843712

15. Klatsch und Privates: Jahrelang war der Berliner Promi-Friseur Udo Walz (†2020) für Angela Merkels Haarschopf verantwortlich. Wo sie sich jetzt die Haare schneiden lässt, ist nicht überliefert. Merkel-typisch sind die kastenförmig geschnittenen Hosenanzüge. 2008 sorgte die Kanzlerin bei einem Opernbesuch in Oslo mit einem Abendkleid für Aufsehen. Erstmals und einmalig trug sie einen weit geschnittenen Ausschnitt. Der war später sogar Thema in der Bundespressekonferenz. "Dass dieses Abendkleid, eine Neukomposition, ein Neuarrangement aus dem Bestand der Bundeskanzlerin, für eine solche Furore gesorgt hat (...), lag nicht in der Absicht der Bundeskanzlerin", sagte der damalige Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Für Fotoaufnahmen legte sie sich die Geste der Raute zurecht. Wie es weitergeht für die erste deutsche Bundeskanzlerin? Bei ihrem USA-Besuch im Juli sagte sie, sie wolle nach ihrer Amtszeit eine Pause einlegen und nachdenken, "was mich so eigentlich interessiert". Auch lesen und schlafen stehen auf ihrem Terminkalender für die kommenden Wochen. Denn seitdem sie Ende 1989/Anfang 1990 in die Politik gegangen sei, habe sie eigentlich aufgehört, sich zu fragen, was sie abseits der Politik interessiere.

https://twitter.com/TheManthei/status/603832066397097984

16. Zahlen und Eckdaten: Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Minister ihrer Regierung haben in den vergangenen vier Jahren fast 112 Stunden miteinander verbracht. So lange dauerten nämlich zusammengenommen die Kabinettssitzungen dieser Legislaturperiode. Die längste Sitzung ging erst nach einer Stunde und 50 Minuten zu Ende, die kürzeste war nach nur neun Minuten erledigt. In dieser Zeit wurden insgesamt 488 Gesetzentwürfe und 237 Verordnungen auf den Weg gebracht.

Übrigens bleibt das bisherige Kabinett rund um Angela Merkel noch bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung geschäftsführend im Amt. Bei der vergangenen Bundestagswahl 2017 dauerte diese Phase noch weitere 136 Tage an.