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106 Karstadt-Reisebüros schließen ab nächster Woche

Die Zukunft des restlichen Reisevertriebs von Galeria Karstadt Kaufhof ist ungewiss. Auch andere haben sich mit dem Ausbau des Reisegeschäfts verspekuliert.

Bis auf nur wenige Agenturen, die zum Verkauf angeboten werden, will Galeria Karstadt Kaufhof alle 106 ehemaligen Thomas-Cook-Agenturen schließen. Foto: dpa
Bis auf nur wenige Agenturen, die zum Verkauf angeboten werden, will Galeria Karstadt Kaufhof alle 106 ehemaligen Thomas-Cook-Agenturen schließen. Foto: dpa

Ruhmloses Ende einer einst hoffnungsreichen Geschäftsidee: Am 22. Juni, so berichten Touristikinsider, startet der Essener Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof mit den Schließungen seiner 106 von Thomas Cook übernommenen Reisebüros. Ende des Monats soll der Betrieb komplett eingestellt sein.

Der Branchendienst „Touristik aktuell“ berichtet darüber hinaus, dass keines der „Galeria-Reisen“-Büros bestehen bleibt, um sich um die Buchungen der Urlaubskunden zu kümmern. Eine Anfrage in Essen dazu blieb zunächst unbeantwortet.

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Bis auf nur wenige Agenturen, die zum Verkauf angeboten werden, sollen alle 106 ehemaligen Thomas-Cook-Agenturen endgültig vom Netz gehen. Bis zu 440 Mitarbeiter, die zuletzt Monat für Monat für rund 1,5 Millionen Euro an Personalkosten sorgten, verlieren laut Verdi vorerst ihren Job. Die Gesellschaft Artrys 1, in der sie beschäftigt sind, steht nach einem Insolvenzantrag seit 9. April unter Eigenverwaltung.

Auch die Zukunft des restlichen Reisevertriebs von Galeria Karstadt Kaufhof ist ungewiss. Man setze weiter auf die zuvor schon betriebenen Reisebüros in den Warenhäusern, heißt es im Unternehmen. Wie viele dieser 78 Standorte überleben, ist jedoch unklar. Denn 80 der 172 Kaufhausfilialen, die aktuell einem Schutzschirmverfahren unterstehen, werden womöglich ebenfalls dichtmachen.

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Noch trüber sieht es für die 22 externen Reisebüros aus, die Karstadt schon vor dem Cook-Zukauf besaß. Als Folge der Coronakrise seien die Aussichten, Einzelstandorte außerhalb der Warenhäuser wirtschaftlich zu betreiben, sehr gering, heißt es im Konzern. Daher wolle man sich im Schwerpunkt auf das von Cook übernommene Online-Reisegeschäft konzentrieren. Das aber wird angesichts mächtiger Konkurrenten wie Holidaycheck oder Check24 allein kaum überleben.

Tiefer Fall

Einst waren sie in Deutschland die Erfinder des scheinbar genialen Doppelpacks: Weil Karstadt und Kaufhof üblicherweise allein im Weihnachtsgeschäft Gewinne einfuhren, von denen sie während der flauen Sommermonate zehren mussten, ersannen die Warenhauskonzerne in den 70er-Jahren eine clevere Strategie. Ein zusätzlicher Anbieter musste zum Ausgleich ins Firmenportfolio, der seine Kundengelder vorwiegend im Frühjahr und Sommer kassierte.

Fündig wurden sie in der Touristik. Kaufhof gründete 1970 den Pauschalreiseanbieter ITS, Karstadt griff 1977 nach Neckermann. Der Supermarktriese Rewe zog 2000 im großen Stil nach und sicherte sich den LTU-Konzern mit Marken wie Meiers Weltreisen, Tjaereborg und Jahn Reisen.

Umso größer scheint nun der Absturz. Vereint unter dem Dach der Signa-Holding, die Karstadt und Kaufhof erst vor Kurzem zur einzigen Warenhausfirma Deutschlands fusionierte, drohen die Pioniere an einer Neuauflage ihrer Strategie in diesen Tagen grandios zu scheitern.

Noch Ende 2019 hatte „Galeria Karstadt Kaufhof“ unter dem neuen Eigentümer René Benko kräftig Schwung genommen. 106 Reisebüros des insolventen Reiseveranstalters Thomas Cook wanderten ins Portfolio. Und mit ihnen Cook-Vertriebschef Carsten Seeliger, der einst als persönlicher Assistent von Arcandor/Karstadt-Chef Thomas Middelhoff daran beteiligt war, durch Fusionen aus dem kleinen Karstadt-Ableger Neckermann den mächtigen Thomas-Cook-Konzern zu schmieden. Unter Seeliger, so erwartete die Branche, würde der Warenhauskonzern wieder zu einer Macht im deutschen Reisegeschäft.

Doch nicht nur Thomas Cook ist seit September 2019 Geschichte, die Firma Galeria Reisen ist es bald ebenso.

Der Warenhausriese ist nicht der Einzige, der sich mit dem Ausbau des Reisegeschäfts verspekuliert hat. Auch der Discounter Lidl stutzt seine erst vor Kurzem ausgebaute Touristiksparte auf eine unscheinbare Größe. Schon zum 31. Oktober, teilte der Neckarsulmer Einzelhändler vor wenigen Tagen überraschend mit, macht er nicht nur seinen Reiseveranstalter Lidl Holidays dicht, sondern auch den hauseigenen Pauschalanbieter JT Touristik. Letzteren hatte er erst Anfang 2018 aus der Insolvenz der schillernden Reiseunternehmerin Jasmin Taylor übernommen.

Krisenanfälliges Geschäftsmodell

Mit JT Touristik hatte Lidl auf ein Geschäftsmodell gesetzt, das die Coronakrise noch stärker traf als andere. Rund die Hälfte der Umsätze machte die Berliner Firma mit dem sogenannten „Dynamic Packaging“, dem kurzfristigen Zusammenstellen von Last-Minute-Unterkünften und -Flügen. Weil dort Airlines und Hoteliers unmittelbar bezahlt werden müssen, während Kundengelder erst mit Zeitverzug eintreffen, besaß Lidl in diesem Geschäft ein hohes Liquiditätsrisiko.

Zudem versäumte es der Discounter, ein Spezialangebot aufzubauen. „Die Reisen waren austauschbar“, berichtet Marija Linnhoff vom Verband Unabhängiger Selbstständiger Reisebüros (VUSR), „verkauft wurde allein über den Preis.“

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Hinzu kam, dass Lidl bei den Reisebüro-Provisionen knauserte. Mit fünf Prozent vom Umsatz unterboten die Billigheimer die Konkurrenz um die Hälfte – was den Verkaufseifer in den Agenturen bremste. So will sich Lidl künftig nur noch darauf beschränken, wie Aldi Reisepakete etwa des FTI-Billiganbieters BigXtra über das eigene Onlineportal zu verkaufen.

Profiteur der Misere könnte jedoch am Ende trotzdem ein Einzelhändler sein. Denn vergleichsweise solide bewegt sich Rewe mit seiner Urlaubstochter DER Touristik durch die Coronakrise – gestützt durch das exzellente Lebensmittelgeschäft. „Sollte die finanzschwache Tui gezwungen sein, Ertragsperlen wie Robinson Club oder Tui Cruises zu verkaufen“, glaubt VUSR-Chefin Linnhoff, „winkt Rewe hier ein Schnäppchen.“

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