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EU-Gipfel: Die Niederlande entscheiden über Erfolg oder Misserfolg

Die Niederländer bleiben hart: Die EU müsse die geplanten Subventionen kürzen und mit harten Reformauflagen verknüpfen. Die Mehrheit der EU-Staaten will das nicht hinnehmen.

Die Wirtschaft will nicht länger warten auf das europäische Corona-Wiederaufbaupaket. „Ein schneller Konsens“ darüber sei „zentrale Voraussetzung, um den wirtschaftlichen Erholungsprozess in der EU rechtzeitig in Schwung zu bringen“, mahnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Um ihre volle Wirkung entfalten zu können, müssen die Programme schnell verabschiedet werden“, drängte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).

Adressaten der Botschaft sind die 27 EU-Regierungschefs. Sie kommen an diesem Freitag in Brüssel zusammen. Auf der Tagesordnung des Gipfels steht neben dem schuldenfinanzierten Corona-Wiederaufbaufonds mit einem Gesamtvolumen von 750 Milliarden Euro auch der neue Mittelfristige Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021 bis 2027 mit einem Umfang von knapp 1,1 Billionen Euro. Zusammengenommen ergibt sich ein Betrag von über 1,8 Billionen Euro.

Noch nie haben die EU-Regierungschefs über eine so hohe Summe verhandelt. Dass so ein gewaltiges Finanzpaket ohne größere Debatten beschlossen wird, war kaum zu erwarten. Schon über erheblich geringere Beträge haben sich die Regierungschefs oft bis tief in die Nacht hinein gestritten.

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Doch dieses Mal könnte es besonders lange dauern, bis ein Kompromiss gefunden ist. „Für Sonntag würde ich keinen Heimflug buchen“, rät ein EU-Diplomat. Vielleicht klappt es auch gar nicht, und der Gipfel endet ergebnislos. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die derzeitige EU-Ratspräsidentin Angela Merkel schlossen nicht aus, dass ein zweites Cheftreffen noch im Juli nötig werden könnte.

Ob der Durchbruch gelingt oder nicht, hat vor allem ein Premierminister in der Hand: Mark Rutte. Der niederländische Regierungschef trommelt seit Wochen gegen den Corona-Wiederaufbauplan, den die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Die darin vorgesehenen Subventionen für Corona-geschädigte Länder – insgesamt 500 Milliarden Euro – seien zu großzügig bemessen, so Rutte. Mindestens vier weitere EU-Staaten sehen das genauso: Dänemark, Schweden, Finnland und Österreich.

Alle haben massive Kürzungen bei den nicht rückzahlbaren Zuwendungen verlangt. „200, 300 oder 400 Milliarden Euro – diese Zahlen wurden genannt“, sagte ein hochrangiger EU-Diplomat. Widerstand dagegen kommt aus den Ländern, die am meisten unter den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise leiden: Italien, Frankreich und Spanien.

Rutte bleibt hart

Die Südeuropäer hatten eigentlich sogar auf eine Billion Euro von der EU gehofft. Weniger als 500 Milliarden Euro wollen sie auf keinen Fall akzeptieren und werden darin auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt.

Doch Rutte bleibt hart. Das gilt auch für einen weiteren Punkt. Der niederländische Premier besteht darauf, dass die europäischen Corona-Hilfen mit strikten Reformauflagen verknüpft werden. Länder wie Italien sollen keine Chance mehr haben, Geld aus Brüssel zu kassieren und trotzdem weiterhin wichtige Strukturreformen etwa auf dem Arbeitsmarkt zu verschleppen.

Deshalb will Rutte die Reformpläne aller Empfängerländer von den EU-Finanzministern genehmigen lassen – und zwar einstimmig. Die EU verschulde sich für die Corona-Hilfen, und dafür müsse auch Holland geradestehen, sagte ein EU-Diplomat. „Wenn wir das machen, kann es nicht sein, dass die Niederlande keinen Einfluss auf die Verwendung des Geldes haben.“ Durchsetzen wird Rutte diese Maximalforderung sicher nicht.

Einen einstimmigen Ratsbeschluss als Vorbedingung für die Auszahlung von Hilfsgeldern werden die Südeuropäer nicht hinnehmen. Die Gefahr, dass ein Land mit seinem Veto Hilfen blockiert, wäre aus ihrer Sicht zu groß. Allenfalls eine Genehmigung der nationalen Reformpläne mit qualifizierter Mehrheit im EU-Ministerrat wäre vielleicht für alle zustimmungsfähig. So hat es EU-Ratspräsident Charles Michel vorgeschlagen.

Für Michel wird es sicher der schwierigste aller bisher durchgestandenen Gipfel. Im Vorfeld gelang es ihm nicht, die verschiedenen Lager anzunähern. „Es gibt immer noch bedeutende Meinungsunterschiede“, gab ein Diplomat am Vorabend des Gipfels zu. Insbesondere Rutte ließ keine Kompromissbereitschaft erkennen.

Der niederländische Premier will sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Auch in der Vergangenheit habe man mehrere Gipfel benötigt, um sich über die EU-Finanzierung der nächsten Jahre zu einigen, und dieses Mal gehe es um viel mehr als jemals zuvor, hieß es in diplomatischen Kreisen.

Dass sich der Niederländer so hartleibig zeigt, entspricht vielleicht nicht nur seiner eigenen Überzeugung. Rutte hat es zu Hause mit einem widerspenstigen Parlament zu tun. Vor allem konservative, liberale und rechtspopulistische Abgeordnete in Den Haag misstrauen der EU-Kommission und den südeuropäischen EU-Staaten. Rutte benötigt den Rückhalt seines Parlaments aber unbedingt.

Rücksicht auf die Parlamente daheim

Den Wiederaufbaufonds muss er im Herbst ratifizieren lassen. Der Premier will seinen Abgeordneten deshalb offenkundig beweisen, dass er in Brüssel alles tut, um holländische Anliegen durchzusetzen. Allein deshalb könnte es gut sein, dass dieser Gipfel ergebnislos endet.

Rutte ist zudem nicht der einzige Premier, der besonders viel Rücksicht auf sein Parlament nehmen muss. Der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven und die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen führen Minderheitsregierungen an und sind daher auf Stimmen aus der Opposition angewiesen.
Ein weiterer Streitpunkt beim Gipfel ist die sogenannte Rechtsstaatsklausel: Die westeuropäischen Staaten wollen künftig EU-Subventionen streichen, wenn das Empfängerland gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstößt. Davon betroffen sein könnten Polen und Ungarn, weil sie die unabhängige Justiz angegriffen und die Pressefreiheit eingeschränkt haben.

EU-Ratspräsident Charles Michel ist den beiden Ländern allerdings schon entgegengekommen und hat die ursprünglich geplante Rechtstaatsklausel deutlich abgeschwächt. Dabei wird es vermutlich am Ende bleiben. Die westeuropäischen Regierungschefs sind damit zwar eigentlich nicht zufrieden, wollen einen Gipfelerfolg aber nicht am Streit über die Rechtstaatsklausel scheitern lassen.

Die Debatten über den Corona-Wiederaufbaufonds überdecken, dass es auch bei dem regulären EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 noch erhebliche Meinungsunterschiede gibt. Dabei geht es zum Beispiel um den Haushaltsrabatt für die Nettozahler. Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Schweden und Österreich sollen den Rabatt in den nächsten sieben Jahren behalten.

Das hat EU-Ratspräsident Charles Michel vorgeschlagen. Die fünf Länder sind damit sehr zufrieden, denn ohne Rabatte wäre ihr EU-Haushaltsbeitrag drastisch gestiegen. Für andere Nettozahler bedeutet das allerdings höhere EU-Beiträge, allen voran für das inzwischen hochverschuldete Frankreich. Die Regierung in Paris mag sich damit nicht abfinden.

Mehr: Die Zentralbank setzt ihre milliardenschweren Anleihekäufe fort. Auch die Niedrigzinsen werden nicht angetastet. Die Hoffnungen von Banken erfüllen sich nicht.