Überraschungsoffensive: Die Ukraine soll in einer Woche fast 1000 Quadratkilometer russisches Territorium eingenommen haben
In weniger als einer Woche hat die Ukraine bei ihrer Überraschungsoffensive in Russland offenbar rund 1000 Quadratkilometer erobert. Das teilte der oberste Befehlshaber in Kiew am Montag mit. Das ist fast so groß wie die Fläche, die Moskau in diesem Jahr in der Ukraine erobert hat.
Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj unterrichtete den ukrainischen Präsidenten Selenskyj und andere hochrangige Beamte über den militärischen Einmarsch in die russische Region Kursk, der am vergangenen Dienstag begann.
Der Angriff hat viele Beobachter überrascht. Die Ukraine hat die Überraschungsoffensive äußerst bedeckt gehalten, aber begonnen, mehr Informationen an die Öffentlichkeit weiterzugeben.
"Ab sofort kontrollieren wir etwa 1000 Quadratkilometer des Territoriums der Russischen Föderation. Die Truppen erfüllen ihre Aufgaben", sagte Syrskyj in einem Videogespräch mit der ukrainischen Führung, "Kämpfe finden entlang der gesamten Frontlinie statt". Er fügte hinzu, dass "die Situation unter unserer Kontrolle" sei.
Business Insider war nicht in der Lage, die angegebene Zahl unabhängig zu überprüfen. Aber Syrskyjs Einschätzung legt nahe, dass die ukrainischen Gewinne der vergangenen Woche sich der Gesamtfläche annähern, die seit Januar durch russische Vorstöße erobert wurde. Das wäre angesichts der Herausforderungen, mit denen die Streitkräfte Kiews konfrontiert waren, eine beeindruckende Leistung.
Was ist der Grund für die Überraschungsoffensive?
Mitch Belcher ist ein Geoinformationsanalyst des Institute for the Study of War, das Bewegungen und Entwicklungen auf dem Schlachtfeld verfolgt. Belcher zufolge hielten die russischen Streitkräfte am 31. Dezember rund 108.163 Quadratkilometer ukrainischen Territoriums besetzt. Bis zum elften August hatte sich diese Zahl auf 109.338 Quadratkilometer erhöht.
"Wir schätzen, dass die russischen Streitkräfte im Jahr 2024 bisher weitere 1175 Quadratkilometer ukrainischen Territoriums besetzt haben", sagte er am Montag im Gespräch mit BI.
Eine wichtige Frage ist jedoch, ob die Ukraine ihre jüngsten Gebietsgewinne halten kann. Der Angriff der Ukraine auf Russland begann am sechsten August. Tausende von Soldaten strömten, begleitet von gepanzerten Fahrzeugen, über die Grenze in die Region Kursk. Kiew scheint mehrere Kilometer tief in Russland vorgedrungen zu sein und kontrolliert nun Dutzende von Siedlungen. Mehr als 100.000 Zivilisten sind inmitten der Kämpfe aus dem Gebiet geflohen.
Das Ziel des Einmarsches war nicht sofort klar. Konfliktanalysten vermuten, dass die Ukraine möglicherweise versucht, den Druck auf ihre Streitkräfte an anderen Stellen entlang der ausgedehnten Frontlinie zu verringern. Sie könnten versuchen, ein Druckmittel für mögliche territoriale Verhandlungen mit Russland zu erlangen. Oder man versuche lediglich, Moskau zu demütigen und die Moral in Kiew zu stärken.
"Wir sind allen Soldaten und Kommandeuren für ihre Standhaftigkeit und ihr entschlossenes Handeln dankbar", schrieb Selenskyj am Montag auf der Nachrichten-App Telegram.
Russland musste reagieren
Einige Experten sind der Meinung, dass die Ukraine durch ihre Überraschungsoffensive zumindest vorübergehend die Hoheit auf dem Schlachtfeld zurückgewonnen hat.
Die ISW-Experten schrieben in ihrer Einschätzung vom Sonntag: "Die ukrainische Operation im Gebiet Kursk hat den Kreml und die russische Militärführung gezwungen, zu reagieren und Kräfte und Mittel in den Sektor zu verlegen, in dem die ukrainischen Streitkräfte Angriffe gestartet haben."
Es bleibt abzuwarten, wie sich dies auswirkt. John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, erklärte letzte Woche gegenüber Reportern, dass die Regierung Biden mit ihren ukrainischen Partnern über die laufende Operation in Kontakt stehe.
"Wir arbeiten daran, besser zu verstehen, was sie tun, was ihre Ziele sind, was ihre Strategie ist", sagte er am Freitag.
Ryan Pickrell hat zu diesem Bericht beigetragen.
Der Artikel wurde von Muriel Dittmar aus dem Englischen übersetzt. Das Original findet ihr hier.